BMF - IV C 2 - S 2144-g/20/10002: 007 BStBl 2022 I S. 100

Anwendungsfragen zur Lizenzschranke (§ 4j EStG)

Bezug:

Aufwendungen für Rechteüberlassungen sind beim Schuldner nach Maßgabe des § 4j Absatz 3 EStG nicht oder nur anteilig abziehbar, wenn die Einnahmen des Gläubigers einer von der Regelbesteuerung abweichenden, niedrigen Besteuerung unterliegen (Präferenzregelung) und der Gläubiger eine dem Schuldner nahestehende Person im Sinne des § 1 Absatz 2 AStG ist (§ 4j Absatz 1 Satz 1 EStG).

Die Abzugsbeschränkung findet keine Anwendung, soweit die auf die entsprechenden Einnahmen beim Gläubiger angewandte Präferenzregelung dem Nexus-Ansatz der OECD entspricht (§ 4j Absatz 1 Satz 4 EStG). Dieser wurde in Kapitel 4 des Abschlussberichts 2015 zu OECD-BEPS Aktionspunkt 5 [1] definiert.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung des § 4j EStG Folgendes:

I. Präferenzregelung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG

Voraussetzung der Abzugsbeschränkung für Aufwendungen für Rechteüberlassungen (sog. Lizenzschranke) ist die Besteuerung der korrespondierenden Einnahmen des Gläubigers im Rahmen einer Präferenzregelung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG.

Eine Präferenzregelung i. S. d. Lizenzschranke liegt vor, wenn

  1. die Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung einer von der Regelbesteuerung abweichenden Besteuerung unterliegen (s. I. 1.) und

  2. die auf diese Einnahmen entfallende Ertragsteuerbelastung weniger als 25 % beträgt (s. I. 2.).

1. Abweichen von der Regelbesteuerung

Die tatsächliche Besteuerung der Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung ist mit der Regelbesteuerung anderer Einkünfte in demselben Staat zu vergleichen.

Die „Regelbesteuerung“als Vergleichsmaßstab ist der reguläre Steuersatz, der auf die Einkünfte einer dem Gläubiger vergleichbaren Rechtspersönlichkeit ohne jede Vergünstigung (insbesondere aufgrund der Rechtsform oder Ansässigkeit des Gläubigers oder für bestimmte Einkunftsarten oder Einkunftsquellen) angewendet werden würde. Es ist dabei ohne Bedeutung, ob die Abweichung von der Regelbesteuerung einen Antrag des Steuerpflichtigen voraussetzt.

Eine Präferenzregelung muss nicht ausschließlich für Einnahmen aus Rechteüberlassungen gelten. Präferenzregelungen sind nicht nur auf sog. „Intellectual Property“(IP)-Regime wie z. B. Lizenzboxen, IP-Boxen oder Patentboxen beschränkt, sondern können auch Einnahmen oder Einkünfte begünstigen, die über die Einnahmen aus Rechteüberlassungen hinausgehen. Anknüpfungspunkt der Präferenzbesteuerung muss dabei nicht das Erzielen einer bestimmten Einkunftsart sein, sondern kann z. B. auch eine Einkunftsquelle sowie die Rechtsform oder der Ort der Geschäftsleitung oder der Sitz des Gläubigers sein. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass auch die Einnahmen aus Rechteüberlassungen von der Präferenzregelung erfasst werden.

Sogenannte „Tax Rulings“, also einzelfallbezogene Absprachen zwischen ausländischen Finanzbehörden und Empfängern von Lizenzzahlungen, können ebenfalls die Voraussetzungen einer Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke erfüllen.

2. Niedrige Besteuerung i. S. d. § 4j Absatz 2 Satz 1 EStG

Eine niedrige Besteuerung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG liegt unter den Voraussetzungen des § 4j Absatz 2 Satz 1 EStG vor. Die Einnahmen aus Rechteüberlassungen unterliegen demnach entweder keiner Besteuerung oder einer Ertragsteuerbelastung von unter 25 %. Ob der niedrigen Besteuerung auch weitere Einnahmen oder Einkünfte des Gläubigers der Einnahmen aus Rechteüberlassungen unterliegen, ist unbeachtlich (vgl. I. 1.).

Durch den Verweis auf § 8 Absatz 5 Satz 2 und 3 AStG (§ 4j Absatz 2 Satz 4 EStG) kommt es bei der Prüfung der Niedrigbesteuerung nicht auf die rechtlich geschuldete, sondern auf die tatsächlich erhobene und abgeführte Steuer an. Etwaige nachgelagerte Erstattungsansprüche sind folglich ebenfalls einzubeziehen (§ 8 Absatz 5 Satz 3 AStG). Zudem sind auch rechtssubjektübergreifende Steuererstattungen zu berücksichtigen, die dem Gesellschafter der die Einnahmen aus der Rechteüberlassung empfangenden Gesellschaft im Fall einer Gewinnausschüttung zustehen (§ 8 Absatz 5 Satz 2 AStG).

Ein allgemein niedriges Besteuerungsniveau im Staat des Gläubigers erfüllt allein nicht die Voraussetzung einer Präferenzregelung für Zwecke der Lizenzschranke. Vielmehr muss die Niedrigbesteuerung im Zusammenhang mit einem Abweichen von der Regelbesteuerung (vgl. I. 1.) stehen. Es ist für das Vorliegen einer Präferenzregelung unbeachtlich, ob der Gläubiger neben den der Präferenzregelung unterliegenden Einnahmen weitere, nicht präferenziell besteuerte Einkünfte erzielt.

Werden die Einnahmen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten einer anderen Person ganz oder teilweise zugerechnet oder erfolgt die Besteuerung aus anderen Gründen ganz oder teilweise bei einer anderen Person als dem Gläubiger oder dem weiteren Gläubiger, ist auf die Summe der Belastungen abzustellen (§ 4j Absatz 2 Satz 3 EStG).

II. Nexus-Konformität i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG

§ 4j Absatz 1 Satz 4 EStG enthält eine Ausnahme von der Abzugsbeschränkung, wenn die angewandte Präferenzregelung dem in Kapitel 4 des Abschlussberichts 2015 zu OECD-BEPS Aktionspunkt 5 definierten Nexus-Ansatz entspricht. Entspricht die Präferenzregelung nicht dem Nexus-Ansatz, ist die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger selbst die Kriterien für eine substanzielle Geschäftstätigkeit erfüllt.

1. Prüfung der Nexus-Konformität durch die OECD

Das Forum on Harmful Tax Practices (FHTP) der OECD analysiert international bestehende Präferenzregime und stuft diese ggf. als Instrument schädlichen Steuerwettbewerbs ein. Die Analysen des FHTP werden im Rahmen von Reviews laufend aktualisiert und auf den Internetseiten der OECD bereitgestellt [2].

Das FHTP differenziert bei der Prüfung zwischen IP-Regimen, die ausschließlich Lizenzeinnahmen begünstigen und sonstigen Präferenzregimen, die nicht oder nicht ausschließlich für Lizenzeinnahmen gelten.

Die Mitgliedstaaten der OECD haben sich hinsichtlich der als schädlich eingestuften IP-Regime zu einer Abschaffung oder Nexus-konformen Anpassung der Regelungen bis spätestens 30. Juni 2021 verpflichtet.

a) IP-Regime

Soweit es sich um IP-Regime handelt, werden diese vom FHTP hinsichtlich ihrer Nexus-Konformität geprüft. IP-Regime gelten nur dann als schädlich, wenn sie nicht dem Nexus-Ansatz entsprechen.

Soweit das FHTP die geprüften IP-Regime als nicht mit dem Nexus-Ansatz vereinbar deklariert, sind die Voraussetzungen des § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG nicht erfüllt und die Abzugsbeschränkung kommt zur Anwendung. Eine Arbeitshilfe mit einer nicht abschließenden Liste der vom FHTP als nicht Nexus-konform eingestuften Präferenzregime hat BMF für die Veranlagungszeiträume 2018 bis 2020 bereitgestellt; vgl. (BStBl 2022 I S. 103). Die Abzugsbeschränkung nach § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG findet auch bei Nexus-konformer Anpassung des jeweiligen IP-Regimes bis zum Ende des Übergangszeitraums am Anwendung, soweit die Einnahmen auf Ebene des Gläubigers noch dem nicht Nexus-konformen IP-Regime unterlegen haben.

b) Sonstige Präferenzregime

Vom FHTP als „Sonstige Regelungen“kategorisierte Präferenzregime werden ebenfalls auf Elemente schädlichen Steuerwettbewerbs analysiert, jedoch im Gegensatz zu reinen IP-Regimen nicht hinsichtlich ihrer Nexus-Konformität geprüft. Für „Sonstige Regelungen“besteht ebenfalls die Verpflichtung, diese aufzuheben oder anzupassen, sofern sie vom FHTP als schädlich eingestuft wurden. Werden die beanstandeten Regelungen vor Abschluss der Prüfung aufgehoben, so läuft die Verpflichtung ins Leere.

2. Prüfung der Nexus-Konformität auf nationaler Ebene

Soweit Präferenzregelungen im Sinne der Lizenzschranke (vgl. I.) nicht vom FHTP auf ihre Nexus-Konformität geprüft wurden, muss diese Prüfung im Rahmen des inländischen Besteuerungsverfahrens vorgenommen werden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn

  • das FHTP das als Präferenzregelung i. S. d. Lizenzschranke anzusehende Präferenzregime als „Sonstige Regelung“eingestuft hat und deshalb keine Prüfung der Nexus-Konformität erfolgt,

  • das Präferenzregime im Übergangszeitraum bis zum aufgehoben oder Nexus-konform angepasst wurde, sodass sich eine Prüfung durch das FHTP erübrigt hat oder eingestellt wurde oder

  • individuelle „Tax Rulings“vorliegen, die die Voraussetzungen einer Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke erfüllen (vgl. I.1.).

Darüber hinaus kann es aufgrund des Übergangszeitraumes bis zum , in dem nicht Nexus-konforme Präferenzregime weiterbestehen und angewendet werden durften, zu einer Überschneidung des Anwendungszeitraumes von zwei Präferenzregimen in einem Staat kommen. So kann ein nicht Nexus-konformes „Altregime“neben einem neuen, Nexus-konformen Präferenzregime bestehen. In diesen Fällen ist für die Anwendung des § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG zu prüfen, ob die zum Abzug begehrten Aufwendungen beim Gläubiger tatsächlich dem Nexus-konformen Präferenzregime unterlegen haben.

III. Beweislastverteilung

Für die Beweislastverteilung bei Anwendung der Lizenzschranke gelten die allgemeinen Grundsätze. Danach trägt die Finanzverwaltung grundsätzlich die Beweislast für steuererhöhende und der Steuerpflichtige die Beweislast für steuermindernde Tatsachen.

1. Betriebsausgabenabzug und Abzugsbeschränkung

Die objektive Beweislast für die Höhe und betriebliche Veranlassung der Lizenzaufwendungen trägt der Steuerpflichtige.

Das Vorliegen einer Präferenzregelung i. S. d. § 4j Absatz 1 Satz 1 EStG mit daraus grundsätzlich resultierender Abzugsbeschränkung nach § 4j Absatz 3 EStG ist als steuererhöhende Tatsache in der objektiven Beweislast der Finanzverwaltung angesiedelt. Ein Rückgriff auf die vom FHTP bereitgestellten Reviews zum Nachweis einer Präferenzregelung ist dabei möglich, allerdings ist die Liste der geprüften Regime in den Reviews nicht als abschließende Aufzählung aller bestehenden Präferenzregelungen anzusehen.

2. Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen

Bei der Prüfung der Abzugsbeschränkung hat der Steuerpflichtige wegen des Vorliegens eines Auslandssachverhalts den erhöhten Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflichten des § 90 Absatz 2 AO nachzukommen und die für die Prüfung im Einzelfall erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Anderenfalls kann die Finanzbehörde ggf. nachteilige Schlüsse für den Steuerpflichtigen auch hinsichtlich solcher Tatsachen ziehen, für welche die Finanzverwaltung grundsätzlich die Beweislast trägt.

Soweit im Staat des Empfängers der Lizenzaufwendungen das Vorliegen einer Präferenzregelung festgestellt wurde, kann grundsätzlich von deren tatsächlicher Anwendung auf die Lizenzeinnahmen ausgegangen werden. Die Anwendung der Präferenzregelung kann vom Steuerpflichtigen jedoch durch entsprechende Nachweise widerlegt werden.

3. Nachweis der Regelbesteuerung

Der Nachweis, dass eine Lizenzzahlung an einen ausländischen Empfänger keiner Präferenzregelung unterlegen hat, kann grundsätzlich nur durch Vorlage von Unterlagen aus der Buchführung des Gläubigers der Lizenzaufwendungen sowie dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen ausländischen Steuerbescheid nebst Berechnungsgrundlagen geführt werden.

Im Einzelnen muss sich aus den einzureichenden Unterlagen insbesondere ergeben, dass

  • die Lizenzeinnahme in der Gewinnermittlung des Empfängers erfasst wurde,

  • die Einnahme nicht durch einen fiktiven Betriebsausgabenabzug oder ähnlich begünstigende Regelungen verringert wurde, die an die Lizenzeinnahme anknüpfen,

  • der Lizenzertrag in voller Höhe in die Steuerberechnung einbezogen wurde,

  • kein ermäßigter Steuersatz / keine gänzliche Steuerbefreiung auf die Lizenzerträge angewendet wurde,

  • das zur Nutzung überlassene Recht sich im zivilrechtlichen Eigentum bzw. im wirtschaftlichen Eigentum nach § 39 Absatz 2 Nummer 1 AO des Empfängers der Lizenzzahlungen befindet oder in Fällen der Unterlizenzierung, wer zivilrechtlicher bzw. wirtschaftlicher Eigentümer des überlassenen Rechtes ist und aus welcher Rechtsposition heraus die Unterlizenzierung an den deutschen Steuerpflichtigen erfolgt.

4. Ausnahme bei Nexus-Konformität der Präferenzregelung

Die Nexus-Konformität als Voraussetzung der Ausnahme in § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG ist als begünstigende, steuermindernde Tatsache grundsätzlich vom Steuerpflichtigen nachzuweisen.

Bei einer durch das FHTP bestätigten Nexus-Konformität einer Präferenzregelung sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes erfüllt. Es bedarf insoweit keines weiteren Nachweises durch den Steuerpflichtigen. Zum zeitgleichen Bestehen sowohl Nexus-konformer als auch nicht Nexus-konformer Präferenzregelungen im gleichen Staat s. II. 2. In diesen Fällen hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass die Lizenzzahlung der Nexus-konformen Regelung unterlegen hat. Wenn der Steuerpflichtige eine Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde vorlegen kann, dass die fraglichen Einnahmen der Nexus-konformen Präferenzregelung unterlegen haben, ist der Nachweis durch den Steuerpflichtigen erbracht.

Soweit das FHTP die fehlende Nexus-Konformität eines Präferenzregimes festgestellt hat, liegen die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG nicht vor.

Bei Präferenzregelungen, die vom FHTP nicht auf Nexus-Konformität geprüft wurden, hat der Steuerpflichtige den diesbezüglichen Nachweis anhand geeigneter Unterlagen zu erbringen. Erkenntnisse der Finanzverwaltung zur Nexus-Konformität einer Präferenzregelung, die aus vorangegangenen Prüfungen resultieren, sind jedoch zu berücksichtigen. Die Nexus-Konformität einer Präferenzregelung ist insoweit grundsätzlich keine Einzelfallprüfung.

BMF v. - IV C 2 - S 2144-g/20/10002: 007


Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 100
DB 2022 S. 434 Nr. 8
DStR 2022 S. 202 Nr. 5
DStZ 2022 S. 180 Nr. 6
EStB 2022 S. 127 Nr. 4
GmbH-StB 2022 S. 110 Nr. 4
WPg 2022 S. 290 Nr. 5
LAAAI-02846