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infoCenter (Stand: August 2019)

Haftung des Eigentümers von Gegenständen

Catrin Geißler

I. Definition der Haftung des Eigentümers von Gegenständen

Nach § 74 AO haften Personen, die an einem Unternehmen wesentlich beteiligt sind, für die betriebsbedingten Steuern des Unternehmens mit den Gegenständen, die dem Unternehmen dienen und in ihrem Eigentum stehen.

II. Der Haftungstatbestand des § 74 AO (materielles Haftungsrecht)

Nach § 74 AO haften Personen, die an einem Unternehmen wesentlich beteiligt sind, für die Betriebssteuern des Unternehmens mit den ihnen gehörenden Gegenständen, die dem Unternehmen dienen.

Der Grund für diese Haftung wird in dem objektiven Beitrag gesehen, den eine am Unternehmen wesentlich beteiligte Person durch die Bereitstellung von Gegenständen für den Betrieb des Unternehmens leistet. Der Haftungsschuldner haftet nach § 74 AO zwar persönlich, aber gegenständlich beschränkt auf die dem Unternehmen überlassenen Gegenstände.

Sinn und Zweck der Haftung nach § 74 AO ist, dass Gegenstände, die einem Unternehmen dienen, dem Finanzamt auch dann zu Vollstreckungszwecken zur Verfügung stehen sollen, wenn sie nicht dem Unternehmer gehören.

Die Vorschrift greift daher in erster Linie in den Fällen ein, in denen der Gesellschafter einer rechtlich verselbstständigten Gesellschaft (Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft) dieser aus seinem zivilrechtlichen Privatvermögen Gegenstände zur Nutzung überlässt. Insbesondere bei der Überlassung an Kapitalgesellschaften kommt es durch § 74 AO zu einer Durchgriffshaftung des Gesellschafters; die Kapitalgesellschaft verliert partiell ihre Abschirmwirkung.

Folgende Tatbestandsvoraussetzungen müssen erfüllt sein:

1. Wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen

  • Unternehmen:

    Nach § 74 AO haften nur Personen, die wesentlich an einem Unternehmen beteiligt sind. Der Begriff des Unternehmens ist nach umsatzsteuerlichen Kriterien zu bestimmen; dazu gehört nicht nur der Gewerbebetrieb , sondern auch der land- und forstwirtschaftliche Betrieb und die freiberufliche Tätigkeit.

  • Wesentliche Beteiligung:

    • Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn eine Person entweder unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel (25 v.H.) am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 AO).

      Die „Beteiligung am Grundkapital” bezieht sich auf die AG §§ 1 Abs. 2 AktG; § 8 Abs. 4 AktG; § 8 Abs. 5 AktG), die „Beteiligung am Stammkapital” auf die GmbH (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 GmbHG; § 5 GmbHG; § 14 GmbHG).

      Die „Beteiligung am Vermögen” bezieht sich auf Personengesellschaften. Nach wohl überwiegender Auffassung ist hiermit die Beteiligung an den Stammeinlagen und am Gewinn gemeint, die sich primär nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen richtet und sich i.d.R. im Verhältnis der Kapitalkonten I der Gesellschafter widerspiegelt.

    • Eine wesentliche Beteiligung i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 AO wird nicht durch Zusammenrechnung der von mehreren Familienmitgliedern gehaltenen Anteile begründet.

    • Als wesentlich beteiligt gilt auch, wer auf das Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausübt und sich steuerwidrig verhält, d.h. darauf hin wirkt, dass fällige Betriebssteuern nicht entrichtet werden (§ 74 Abs. 2 Satz 2 AO).

      Dies können auch Personen sein, die zivilrechtlich nicht an dem Unternehmen beteiligt sind – also auch „Nicht-Gesellschafter”.

      Der beherrschende Einfluss kann sich aus den persönlichen Verhältnissen der betreffenden Person ergeben, insbesondere aus ihrer persönlichen Ausstrahlungs- und Überzeugungskraft, ihrer verwandtschaftlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder auch politischen Stellung. Maßgebend ist die auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse erfolgte Einflussnahme, nicht die rechtlichen Befugnisse. Unter diese Vorschrift kann auch eine Bank fallen, der einzelne Gegenstände sicherungsübereignet wurden und die den Unternehmer veranlasst, statt Steuerschulden primär die ihr gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten zu bedienen.

      Ein beherrschender Einfluss i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO kann auch vorliegen, wenn mehrere Familienmitglieder Anteile am Betriebsunternehmen halten und sie als Eigentümer der Gegenstände (Besitzunternehmen) gemeinsam in der Lage sind, ihren Willen im Betriebsunternehmen durchzusetzen. Es ist jedoch ein aktiver und für die Nichtentrichtung fälliger Betriebssteuern kausaler Beitrag erforderlich, ein bloßes Unterlassen bestimmter Handlungen reicht nicht aus. Allein die Weigerung, weitere Kreditmittel zu gewähren – auch wenn dies zur Abwendung einer Insolvenz geboten wäre –, kann daher keine Haftung nach § 74 AO begründen

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