Schuldzinsenabzug bei teilweise vermietetem Gebäude
Leitsatz
Darlehenszinsen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige die —gesondert ausgewiesenen— Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteils tatsächlich mit den Darlehensmitteln begleicht. Nimmt er ein höheres Darlehen auf, sind die Zinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten des betreffenden Gebäudeteils aus den Darlehensmitteln zahlt.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1EStG § 21 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb im Jahre 1990 ein Wohn- und Praxisgebäude zum Kaufpreis von 449 000 DM. Hiervon entfielen nach dem notariellen Kaufvertrag 40 v.H. (179 600 DM) auf die vom Kläger an die Klägerin als Arztpraxis vermieteten Räume und 60 v.H. (269 400 DM) auf den zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil.
Im Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb nahm der Kläger drei Darlehen auf: Das Darlehen 1 über 206 000 DM, das Darlehen 2 über 200 000 DM und das Darlehen 3 über 43 000 DM. Die Darlehen 2 und 3 „ordnete” er ausschließlich dem privat genutzten Gebäudeteil zu und tilgte sie bis zum Februar des Streitjahres 1991 vollständig. Das Darlehen 1 „ordnete” der Kläger überwiegend den Praxisräumen zu und führte es bis Mai des Streitjahres 1991 auf einen Betrag von 125 000 DM zurück.
In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre (1991 bis 1993) machten die Kläger die für das Darlehen 1 gezahlten Zinsen in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, während der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nur einen Anteil von 40 v.H. berücksichtigte.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) in seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 13 veröffentlichten Urteil aus, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich mögliche Zuordnung eines Darlehens zu den Anschaffungskosten eines Gebäudeteils (Urteil vom IX R 40/01, BFH/NV 2003, 23) scheitere im Streitfall daran, dass die Darlehenssumme (206 000 DM) die Anschaffungskosten der Praxisräume (179 600 DM) übersteige; das Darlehen müsse damit auch der Finanzierung der Wohnräume gedient haben, so dass keine eindeutige Zuordnungsentscheidung des Klägers gegeben sei.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Streitjahre weitere Werbungskosten in Höhe von 5 902 DM (1991), 5 508 DM (1992) und 6 554 DM (1993) anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Feststellungen des FG erlauben in der Revisionsinstanz keine abschließende Prüfung, ob das FG zutreffend die Voraussetzungen für eine gesonderte Zuordnung des Darlehens 1 zu den Praxisräumen in vollem Umfang verneint hat.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. So verhält es sich, wenn sie für ein Darlehen geleistet worden sind, das tatsächlich zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet worden ist (z.B. , BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389).
a) Dient ein Gebäude —wie hier— nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der (nicht steuerbaren) Selbstnutzung, und werden die Darlehensmittel lediglich teilweise zur Einkünfteerzielung verwandt, so sind die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig als Werbungskosten abziehbar (z.B. , BFH/NV 2003, 1049, m.w.N.).
b) In vollem Umfang sind sie nur zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten den eigenständige Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen zuordnet und die dem vermieteten Gebäudeteil gesondert zugeordneten Anschaffungskosten auch tatsächlich mit Darlehensmitteln bezahlt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389, m.w.N.).
aa) Dies setzt zunächst voraus, dass der Steuerpflichtige —wie im Streitfall— den zivilrechtlichen einheitlichen Kaufpreis auf den selbstgenutzten und den zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudeteil aufteilt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389, unter II.2.b aa).
bb) Darüber hinaus muss der Steuerpflichtige das (zur Finanzierung aufgenommene) Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt dem der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnen, indem er mit den als Darlehen empfangenen Mitteln die auf diesen Gebäudeteil entfallenden Anschaffungskosten tatsächlich bezahlt (BFH-Urteil in BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389, unter II.2.). Der Zuordnungszusammenhang ist unterbrochen, wenn das Auszahlungsverhalten des Steuerpflichtigen mit seiner Zurechnungsentscheidung nicht übereinstimmt (, juris-Dok-Nr.STRE 200550086, unter II.2.). Denn der wirtschaftliche Zusammenhang (zwischen Darlehenszinsen und Anschaffungskosten) kann nicht (allein) durch einen bloßen Willensakt (die Zweckbestimmung) des Steuerpflichtigen begründet werden (, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, unter 1. und 5.a).
2. Die Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den Streitfall führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zu Unrecht allein wegen der mangelnden Übereinstimmung von Darlehenssumme und Anschaffungskosten der Praxisräume die Möglichkeit der Zuordnung verneint. Diese ist —zumindest teilweise— auch dann gegeben, wenn der Kläger aus den Mitteln des Darlehens 1 einen den Anschaffungskosten entsprechenden Betrag tatsächlich gesondert gezahlt hat. Trifft dies zu, sind die auf den so verwendeten Teil des Darlehens 1 entfallenden Zinsen (mit diesem Anteil) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Hat der Kläger dagegen den Gesamtbetrag des Darlehens 1 ohne Aufgliederung oder sogar den gesamten —mit den drei Darlehen finanzierten— Kaufpreis in einem Betrag gezahlt, fehlt es an einer gesonderten Zuordnung; in diesem Fall sind die Zinsen —wie in den angefochtenen Steuerbescheiden geschehen— lediglich anteilig zu 40 v.H. als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die notwendigen Feststellungen muss das FG nachholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 597
BB 2005 S. 1427 Nr. 26
BFH/NV 2005 S. 1185
BFH/NV 2005 S. 1185 Nr. 7
BStBl II 2005 S. 597 Nr. 15
DB 2005 S. 1361 Nr. 25
DStR 2005 S. 1051 Nr. 25
DStRE 2005 S. 799 Nr. 13
EStB 2005 S. 242 Nr. 7
FR 2005 S. 892 Nr. 17
GStB 2005 S. 276 Nr. 8
GStB 2005 S. 34 Nr. 9
HFR 2005 S. 829 Nr. 9
INF 2005 S. 526 Nr. 14
KFR 2005 S. 341 Nr. 9
KÖSDI 2005 S. 14701 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2006 S. 4500
StB 2005 S. 281 Nr. 8
WPg 2005 S. 1132 Nr. 20
KAAAB-54895