Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen
Bezug:
Bezug: BStBl 2014 I S. 63
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Im Urteil vom , VIII R 20/20, BStBl 2024 II S. 697, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Der BFH widerspricht damit ausdrücklich der Aussage im BStBl 2014 I S. 63, wonach die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung einer GmbH voraussetzt, dass entweder im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt wurde oder die Satzung eine Klausel enthält, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen Folgendes:
I. Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen
1Inkongruente – also vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende – Gewinnausschüttungen sind steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind (, BStBl 2024 II S. 697). Dies ist insbesondere in den folgenden Fällen gegeben:
1. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
a) Abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
2Es wurde im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis. Für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung ist die Zustimmung derjenigen Gesellschafter erforderlich, die von der Veränderung nachteilig betroffen sind.
b) Öffnungsklausel für abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
3Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit den erforderlichen Gesellschafterzustimmungen und der ggf. im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst worden.
c) Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
4Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist nach dem , BStBl II 2024 S. 697 als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss liegt vor, wenn seine Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll.
5Ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss, der einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründet, ist (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses) nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 53 Absatz 3 Satz 1, § 54 Absatz 1 GmbHG) eingehalten werden (, BStBl 2024 II S. 697 m.w.N.).
d) Gespaltene Gewinnverwendung, zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung
6Im Urteil vom , VIII R 25/19, BStBl 2024 II S. 688, hat der BFH entschieden, dass ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallene Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist. Dies gilt auch dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung eines Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Absatz 1 Satz 1 EStG.
7Diese Urteilsgrundsätze stehen nicht im Widerspruch zu den in H 20.2 „Zuflusszeitpunkt bei Gewinnausschüttungen - Beherrschender Gesellschafter/Alleingesellschafter“ EStH 2023 aufgeführten BFH-Entscheidungen. Im Urteilsfall wurde im Rahmen der Gewinnverwendung für einzelne Gesellschafter gerade keine Ausschüttung, sondern ausdrücklich eine Einstellung des Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage beschlossen. Hier stellt sich mangels Gewinnausschüttungsbeschlusses für diese Gesellschafter die Frage der Fälligkeit nicht.
2. Aktiengesellschaft (AG)
8Bei einer AG sind inkongruente Gewinnausschüttungen nur anzuerkennen, wenn in der Satzung gemäß § 60 Absatz 3 AktG ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital (§ 60 Absatz 1 AktG) abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllen diese Voraussetzung nicht.
II. Anwendungsregelung
9Dieses BMF-Schreiben ersetzt das (BStBl 2014 I S. 63) und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
BMF v. - IV C 2 - S 2742/19/10004: 003
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2024 I Seite 1246
EStB 2024 S. 363 Nr. 10
EStB 2024 S. 398 Nr. 11
ErbStB 2024 S. 320 Nr. 11
GmbH-StB 2024 S. 344 Nr. 11
JAAAJ-74563