OFD Hannover - S 7109 - 10 - StO 171

Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen

Bei der Übertragung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks (Betriebsgrundstück) auf einen Angehörigen sind verschiedene Gestaltungen bekannt geworden. Ergänzend zu Abschnitt 24b Abs. 6 UStR ist die umsatzsteuerliche Beurteilung aller Beteiligten dargestellt. Dabei sind die ab geltenden Grundsätze berücksichtigt, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall Seeling (Urteil vom  – Rs. C-269/00, BStBl 2004 II S. 378) und des nachfolgenden BStBl 2004 II S. 371) ergeben.

In den folgenden Sachverhalten war der Unternehmer bei Herstellung oder Erwerb des Betriebsgrundstücks zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt.

Sachverhalt 1

Ein Unternehmer überträgt seiner Tochter unentgeltlich ein Betriebsgrundstück. Aufgrund eines mit der Tochter geschlossenen Pachtvertrages verwendet der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke seines Unternehmens.

Rechtliche Beurteilung beim Unternehmer

Der Unternehmer entnimmt das Grundstück aus seinem Unternehmen. Mit der Übertragung auf die Tochter endet die rechtliche Bindung des Grundstücks an den Unternehmer, so dass auch die Zuordnung des Grundstücks zu seinem unternehmerischen Bereich endet. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke des Unternehmens verwendet. Denn diese Verwendung beruht nicht mehr auf der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, sondern auf der Entscheidung der Tochter, ihrem Vater das Grundstück zu verpachten, sowie auf der Entscheidung des Unternehmers, das Grundstück nunmehr im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses für sein Unternehmen zu verwenden. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist steuerfrei (§ 4 Nr. 9a UStG). Die Schenkung an die Tochter ist ein unter das Grunderwerbsteuergesetz fallender Vorgang. Der Unternehmer kann nicht nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten. Bei der unentgeltlichen Wertabgabe führt der Unternehmer keine Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen aus. Vielmehr ist die Entnahme eine vom Willen des Unternehmers gesteuerte Wertabgabe aus seinem Unternehmen. Damit haben sich die Verhältnisse geändert, die beim Erwerb des Grundstücks durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Der Vorsteuerabzug ist ggf. nach § 15a UStG zu berichtigen (Abschnitt 215 Abs. 8 Nr. 3a UStR 2005).

Rechtliche Beurteilung bei der Tochter

Die Tochter erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerbare und nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie sonstige Leistung. Auf die Steuerfreiheit kann die Tochter unter den Voraussetzungen des § 9 UStG verzichten. Sie ist dann berechtigt, in den Pachtzinsabrechnungen Umsatzsteuer gesondert auszuweisen und ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen.

Sachverhalt 2

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück. Er verwendet das Grundstück aufgrund einer Vereinbarung mit der Ehefrau weiterhin für seine unternehmerischen Zwecke.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Der Ehemann entnimmt den auf die Ehefrau übertragenen Miteigentumsanteil am Grundstück seinem Unternehmen. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist steuerfrei (Sachverhalt 1) und führt ggfs. zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs (Abschnitt 215 Abs. 8 Nr. 3c UStR 2005). Hinsichtlich des dem Ehemann verbliebenen Miteigentumsanteils liegt keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Er verwendet diesen Anteil weiterhin aufgrund seines Eigentumsrechts für unternehmerische Zwecke.

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Überlässt die Ehefrau ihren Miteigentumsanteil entgeltlich an den Ehemann, erbringt sie eine steuerbare sonstige Leistung, die je nach Sachverhalt nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfrei sein kann. Auf die Steuerfreiheit kann die Ehefrau unter den Voraussetzungen des § 9 UStG verzichten und ist dann auch zum Vorsteuerabzug der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer berechtigt.

Bei einer unentgeltlichen Überlassung wird die Ehefrau nicht unternehmerisch tätig. Ihr steht kein Vorsteuerabzug aus den bei ihr anfallenden Kosten des Grundstücks zu.

Sachverhalt 3

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück. Der Unternehmer und seine Ehefrau überlassen ihre Miteigentumsanteile unentgeltlich der Ehegattengemeinschaft. Diese vermietet das Grundstück steuerpflichtig.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Der Ehemann entnimmt den auf die Ehefrau übertragenen Miteigentumsanteil (s. Sachverhalt 2). Den ihm verbliebenen Miteigentumsanteil verwendet er durch die unentgeltliche Überlassung an die Ehegattengemeinschaft für Zwecke außerhalb seines Unternehmens. Das Grundstück wird zwar weiterhin steuerpflichtig vermietet. Vermieter ist jetzt jedoch die Ehegattengemeinschaft. Die unentgeltliche Wertabgabe durch die Übertragung des Miteigentumsanteils ist steuerfrei und führt ggf. zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs (Sachverhalt 2). Gleiches gilt für die unentgeltliche Wertabgabe durch die Überlassung des zurückbehaltenen Miteigentumsanteils an die Ehegattengemeinschaft, wenn das Gebäude bis zum angeschafft oder hergestellt worden sind. Bei einem nach dem angeschafften Gebäude ist die unentgeltliche Wertabgabe durch die Nutzungsüberlassung dagegen steuerpflichtig ( BStBl 2004 I S. 469). Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe durch die Überlassung sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes auf den Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG von 10 Jahre zu verteilen (Abschnitt 155 Abs. 2 UStR 2005). Wegen Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist das Revisionsverfahren V R 56/04 anhängig. Einspruchsverfahren können ruhen, die Vollziehung kann ggfs. gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt werden (Rundverfügung vom  – S 7206 – 14 – StO 182).

In dem Revisionsverfahren V R 41/05 (gelbe Liste zum BStBl II) ist streitig, ob der Sachverhalt als Geschäftsveräußerung zu beurteilen und damit nicht steuerbar ist, so dass eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG entfällt. Einspruchsverfahren können ruhen, die Vollziehung kann ggf. gegen Sicherheitsleitung ausgesetzt werden.

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Mit der unentgeltlichen Überlassung ihres Miteigentumsanteils an die Ehegattengemeinschaft wird die Ehefrau nicht unternehmerisch tätig. Ihr steht kein Vorsteuerabzug zu (s. Sachverhalt 2).

Rechtliche Beurteilung bei der Ehegattengemeinschaft

Die Ehegattengemeinschaft wird durch die Vermietung des Grundstücks unternehmerisch tätig und hat die Mieteinnahmen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Das gilt unabhängig davon, ob die Ehegattengemeinschaft eine GbR oder eine Bruchteilsgemeinschaft ist. Ein Vorsteuerabzug kommt nur in Betracht, soweit die Ehegattengemeinschaft Leistungen für ihr Vermietungsunternehmen von anderen Unternehmen bezieht und darüber Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erhält.

Sachverhalt 4

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau entgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem Betriebsgrundstück. In der Rechnung weist er die Umsatzsteuer offen aus. Er verwendet das Grundstück aufgrund eines Pachtvertrages mit der Ehefrau weiterhin für seine unternehmerischen Zwecke. In dem Pachtvertrag ist Umsatzsteuer offen ausgewiesen.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Der Ehemann erbringt mit der Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Ehefrau eine steuerbare und durch die Option steuerpflichtige sonstige Leistung. Zum Entgelt gehört auch die anteilige Übernahme der auf dem Grundstück ruhenden Verbindlichkeiten durch die Ehefrau. Ggf. ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG anzusetzen.

Hinsichtlich des dem Ehemann verbliebenen Miteigentumsanteils liegt keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Er verwendet diesen Anteil weiterhin aufgrund seines Eigentumsrechts für unternehmerische Zwecke (s. Sachverhalt 2).

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Die Ehefrau erbringt mit der Verpachtung des Miteigentumsanteils an den Ehemann eine steuerbare und durch die Option steuerpflichtige sonstige Leistung. Ihr steht der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Ehemannes über die Übertragung des Miteigentumsanteils zu.

Sachverhalt 5

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau entgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem Betriebsgrundstück. In der Rechnung weist er die Umsatzsteuer offen aus. Beide Ehegatten überlassen ihre Miteigentumsanteile unentgeltlich der Ehegattengemeinschaft, die das Grundstück für unternehmerische Zwecke verwendet.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Der Ehemann führt hinsichtlich des auf die Ehefrau übertragenen Miteigentumsanteils eine steuerbare und nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfreie sonstige Leistung aus. Eine Option ist nicht zulässig, weil die Ehefrau keine Unternehmerin ist (s.u.). Den ihm verbliebenen Miteigentumsanteil verwendet er durch die unentgeltliche Überlassung an die Ehegattengemeinschaft für Zwecke außerhalb seines Unternehmens. Die Ausführungen zur Abwandlung des Sachverhalts 2 gelten entsprechend.

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Die Ausführungen zur Abwandlung des Sachverhalts 2 gelten entsprechend.

Rechtliche Beurteilung bei der Ehegattengemeinschaft

Die Ausführungen zur Abwandlung des Sachverhalts 2 gelten entsprechend.

Sachverhalt 6

Ein Unternehmer bestellt seiner Tochter an einem Betriebsgrundstück einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch. Von diesem Zeitpunkt an führt die Tochter den Betrieb und wird Unternehmerin.

Rechtliche Beurteilung

Liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor (Umsatzsteuer-Kartei S 7100b Karte 1 zu § 1 Abs. 1a UStG), hat die Bestellung des Nießbrauchs keine umsatzsteuerlichen Folgen.

Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, hat der Unternehmer das Grundstück aus seinem Unternehmen entnommen ( BStBl 1988 II S. 205). Durch die Bestellung des unentgeltlichen unbefristeten Nießbrauchs bringt er zum Ausdruck, dass er das Grundstück auf Dauer nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen und damit nicht mehr im Rahmen seines Unternehmens einsetzen will. Die Bindung des Grundstücks an das Unternehmen ist beendet. Unerheblich ist, dass dem Unternehmer das (nießbrauchsbelastete) Eigentum am Grundstück verbleibt. Für die Frage der Verwendung des Grundstücks kommt es auf die Eigentumsverhältnisse nicht an. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist steuerpflichtig ( BStBl 2004 I S. 469, 2. Absatz nach Beispiel 5).

Sachverhalt 7

Ein Unternehmer überträgt seinem Sohn unentgeltlich ein Betriebsgrundstück und behält sich den Nießbrauch zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Grundstücks in seinem Unternehmen vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Unternehmer hat das Grundstück weder seinem Sohn geliefert noch aus seinem Unternehmen entnommen. Er hat lediglich das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum übertragen und sich die Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten, die ihm bisher aufgrund seines Eigentums zustand. Der Sohn erlangt an dem Grundstück keine Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG. Die Einräumung des Nießbrauchvorbehalts stellt auch keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar. Denn der Unternehmer hat sich dieses Recht von vornherein vorbehalten. Eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht beim Unternehmer verblieben ist (Abschn. 24b Abs. 3 UStR). Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG kommt bei Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs nicht in Betracht.

Erst mit Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs liegt je nach Sachverhalt eine Lieferung, eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme oder eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor.

Bei einer Lieferung ist der Vorsteuerabzug des Unternehmers ggf. zu berichtigen.

Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist bei einem bis zum angeschafften oder hergestellten Gebäude steuerfrei nach § 4 Nr. 9a UStG und führt ggfs. zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Wird ein nach dem angeschafftes oder hergestelltes Gebäude entnommen ist die Entnahme dagegen steuerpflichtig. Zur Bemessungsgrundlage s. Abwandlung des Sachverhalts 2.

Die OFD weist darauf hin, dass auch andere vertragliche Regelungen möglich sind, die durchaus zu einer anderen umsatzsteuerlichen Beurteilung führen können.

OFD Hannover v. - S 7109 - 10 - StO 171

Fundstelle(n):
DStR 2006 S. 1652 Nr. 37
UR 2006 S. 717 Nr. 12
IAAAB-92591