Auskunftserteilung in Angelegenheiten des Insolvenzrechts
Allgemeines
Notwendige Angaben zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO und damit kein unbefugtes Offenbaren sind:
die in dem Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 13, 14 Insolvenzordnung [InsO]) zur Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes (§§ 16 – 19 InsO) notwendigen Angaben,
die Anmeldung der Abgabenforderungen zum Forderungsverzeichnis (der Tabelle) (§§ 174, 175 InsO) und
deren genaue Bezeichnung dem Grund und der Höhe nach (§§ 174, 175 InsO).
Darüber hinaus ist eine Weitergabe von Informationen durch das Finanzamt an den Insolvenzverwalter zwecks Anreicherung der Masse und Erreichung einer höheren Quote für die Finanzverwaltung ebenfalls gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig, da auch diese Informationsweitergabe der erfolgreichen Durchführung des Besteuerungsverfahrens dient.
Die Offenbarung weiterer Umstände oder gar die Abgabe der Steuerakten an das Gericht würde jedoch über den Rahmen des Erforderlichen und nach dem Gesetz Notwendigen hinausgehen.
Die Offenbarung von Verhältnissen usw. im Verfahren zur Feststellung der Forderungen und Rechte (§§ 174 bis 186 InsO), welche die Forderung des Finanzamts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründen und stützen, verletzt nicht das Steuergeheimnis. Die Offenbarung ist notwendig, wenn das Finanzamt seine Rechte wahren und seine Pflichten als Gläubiger erfüllen will. Entsprechendes gilt, wenn das Finanzamt Angriffe Dritter auf seine Eigentums- und Pfandrechte abzuwehren gezwungen wird.
Bei Mitteilungen gegenüber vorläufigen Insolvenzverwaltern ist zu beachten, dass deren Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch das Gericht unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Bevor dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist, sind die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters (sog. „schwacher” vorläufiger Insolvenzverwalter) eingeschränkt (§ 22 Abs. 2 InsO). Das Steuergeheimnis ist daher uneingeschränkt zu wahren. Dies gilt entsprechend für Gutachter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Nachdem dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt bzw. das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, gilt zur Auskunftserteilung an den vorläufigen Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalter Folgendes:
Mit der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots (§§ 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 InsO) bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 80 Abs. 1 InsO) verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird von diesem Zeitpunkt an durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (sog. „starker” vorläufiger Insolvenzverwalter) im Sinne von § 22 Abs. 1 InsO bzw. dem Insolvenzverwalter im Sinne von § 27 InsO ausgeübt. Der „starke” vorläufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter sind Vertreter gemäß § 34 Abs. 3 AO und haben auch die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen. Ihnen können deshalb alle Auskünfte über Verhältnisse des Schuldners erteilt werden, die sie zur Erfüllung dieser steuerlichen Pflichten benötigen. Hinsichtlich der Übersendung von Kontoauszügen siehe Vollstreckungskartei InsO Karte 9 Tz. 1. Soweit Steuerforderungen streitig sind, bei denen der Schuldner Gesamtschuldner zusammen mit anderen ist, steht das gegenüber den restlichen Gesamtschuldnern zu wahrende Steuergeheimnis einer Auskunftserteilung an den Insolvenzverwalter (als Rechtsnachfolger des Schuldners) nicht entgegen ( BStBl II, 431, m.w.N.). Darüber hinaus dürfen ihnen keine Auskünfte erteilt werden.
Teilnahme am Gläubigerausschuss
Ist die Finanzbehörde im Gläubigerausschuss vertreten (§ 67 ff. InsO) und erfordert die Wahrnehmung der damit verbundenen Rechte und Pflichten die Offenbarung im Besteuerungsverfahren bekannt gewordener Verhältnisse, ist dies im Hinblick auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.
Vereinfachtes Insolvenzverfahren
Grundsätzlich finden die Regelungen der InsO auch für das vereinfachte Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) Anwendung. Das Insolvenzgericht bestellt im Falle des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes einen Treuhänder, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dieser ist zwar in seinen Befugnissen eingeschränkt; er ist jedoch für die Dauer des vereinfachten Insolvenzverfahrens als Vertreter i.S. der §§ 34, 35 AO anzusehen. Folglich dürfen ihm Auskünfte erteilt werden, die zur Erfüllung steuerlicher Pflichten benötigt werden.
Restschuldbefreiungsverfahren
Im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 286 ff. InsO) ist zu beachten, dass der vom Gericht bestellte Treuhänder wegen seiner eingeschränkten Befugnisse (§ 292 InsO) nicht als Vertreter i.S.d. §§ 34, 35 AO angesehen werden kann. Folglich dürfen ihm keine Auskünfte erteilt werden. Dies gilt entsprechend für den Sachwalter i.S. der §§ 270, 274 InsO. Das Steuergeheimnis steht Auskünften oder Mitteilungen an den Treuhänder bzw. Sachwalter jedoch nicht entgegen, soweit dies für Besteuerungszwecke erforderlich ist (z.B. Anmeldung der Insolvenzforderungen beim Sachwalter gem. § 270 Abs. 3 Satz 2 InsO).
Außergerichtliches Einigungsverfahren
Im außergerichtlichen Einigungsverfahren gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist von einer Zustimmung nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO auszugehen, wenn eine Schuldnerberatungsstelle eingeschaltet ist und diese nach landesspezifischen Regelungen als geeignet anerkannt ist (auf die Liste der in Hessen z.Zt. anerkannten Schuldnerberatungsstellen wird hingewiesen, siehe AO-Kartei, § 4 Nr. 15 StBerG, Karte 1). Bestehen hierüber Zweifel, ist die ausdrückliche, schriftliche Zustimmung des Schuldners einzuholen, bevor dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse gegenüber der Schuldnerberatungsstelle offenbart werden.
Zustimmung des Betroffenen
Hat der Schuldner im Einzelfall oder allgemein seine Zustimmung zur Offenbarung gegeben, ist das Finanzamt nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO berechtigt, die entsprechenden Einzelheiten mitzuteilen.
Oberfinanzdirektion
Frankfurt/M. v. - S
0130 A - 115 - St
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Fundstelle(n):
GAAAB-92210