OFD Hannover - S 7109 - 10 - StO 172

Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen

Bei der Übertragung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks (Betriebsgrundstück) auf einen Angehörigen sind verschiedene Gestaltungen bekannt geworden. Im Folgenden wird die steuerliche Beurteilung aller Beteiligten dargestellt. Dabei sind die ab geltenden Grundsätze, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall Seeling (, BStBl 2004 II S. 378) und des nachfolgenden BStBl 2004 II S. 371) ergeben, sowie die Rechtsprechung des BStBl 2008 II S. 65) zur Übertragung eines Miteigentumsanteils auf den Ehepartner bei anschließender Vermietung durch die entstandene Bruchteilsgemeinschaft als Geschäftsveräußerung im Ganzen berücksichtigt.

In den folgenden Sachverhalten war der Unternehmer bei Herstellung oder Erwerb des Betriebsgrundstücks zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt.

Sachverhalt 1

Ein Unternehmer überträgt seiner Tochter unentgeltlich ein Betriebsgrundstück. Aufgrund eines mit der Tochter geschlossenen Pachtvertrages verwendet der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke seines Unternehmens.

Rechtliche Beurteilung beim Unternehmer

Der Unternehmer entnimmt das Grundstück aus seinem Unternehmen. Mit der Übertragung auf die Tochter endet die rechtliche Bindung des Grundstücks an den Unternehmer, so dass auch die Zuordnung des Grundstücks zu seinem unternehmerischen Bereich endet. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke des Unternehmens verwendet. Denn diese Verwendung beruht nicht mehr auf der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, sondern auf der Entscheidung der Tochter, ihrem Vater das Grundstück zu verpachten, sowie auf der Entscheidung des Unternehmers, das Grundstück nunmehr im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses für sein Unternehmen zu verwenden. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist steuerfrei (§ 4 Nr. 9a UStG). Die Schenkung an die Tochter ist ein unter das Grunderwerbsteuergesetz fallender Vorgang.

Der Unternehmer kann nicht nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten. Bei der unentgeltlichen Wertabgabe führt der Unternehmer keine Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen aus. Vielmehr ist die Entnahme eine vom Willen des Unternehmers gesteuerte Wertabgabe aus seinem Unternehmen. Damit haben sich die Verhältnisse geändert, die beim Erwerb des Grundstücks durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Der Vorsteuerabzug ist ggf. nach § 15a UStG zu berichtigen (Abschnitt 215 Abs. 5 Nr. 3a UStR 2008).

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG kann nicht vorliegen, da die Tochter nicht das Unternehmen des Veräußerers fortführt, sondern eine neues (Vermietungs-) Unternehmen begründet.

Rechtliche Beurteilung bei der Tochter

Die Tochter erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerbare und nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie sonstige Leistung. Auf die Steuerfreiheit kann die Tochter unter den Voraussetzungen des § 9 UStG verzichten. Sie ist dann berechtigt, in den Pachtzinsabrechnungen Umsatzsteuer gesondert auszuweisen und ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen.

Sachverhalt 2

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein, das Grundstück wird weiterhin steuerpflichtig vermietet. Die Ehegatten begründen keine gesonderte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Rechtliche Beurteilung bei der Bruchteilsgemeinschaft

Durch die Übertragung des Miteigentumsanteils entsteht kraft Gesetzes eine Bruchteilsgemeinschaft, die gleichzeitig mit ihrer Entstehung in den bestehenden Mietvertrag eintritt. Die Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG führt damit das Vermietungsunternehmen des Ehemanns fort und hat die Mieteinnahmen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Ein Vorsteuerabzug kommt in Betracht, soweit die Bruchteilsgemeinschaft Leistungen für ihr Vermietungsunternehmen von anderen Unternehmen bezieht und darüber Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erhält.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Es liegt beim Ehemann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG vor, die keine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG auslöst. Eine zusätzliche Überlassung des in seinem Eigentum verbliebenen Grundstücksanteils an die Bruchteilsgemeinschaft wird nicht mehr angenommen (Änderung der Rechtsprechung, s. o.).

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Bei der Ehefrau sind keine Folgen aus der Übertragung des Miteigentumsanteils zu ziehen. Umsatzsteuerlicher Vermietungsunternehmer ist die Bruchteilsgemeinschaft (s. o.). Eine zusätzliche Überlassung des übertragenen Grundstücksanteils an die Bruchteilsgemeinschaft wird nicht mehr angenommen.

Sachverhalt 3

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau entgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem Betriebsgrundstück. Er verwendet das Grundstück aufgrund eines Pachtvertrages mit der Ehefrau weiterhin für seine unternehmerischen Zwecke. In dem Pachtvertrag ist Umsatzsteuer offen ausgewiesen.

Allgemeines

Zwar entsteht auch hier kraft Gesetzes eine Bruchteilsgemeinschaft, diese wird jedoch nicht unternehmerisch tätig. Unternehmer im Sinne des § 2 UStG sind der Ehemann mit seinem bisherigen Unternehmen und die Ehefrau mit dem neu gegründeten Vermietungsunternehmen.

Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau sind als Miteigentümer in Bruchteilsgemeinschaft insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als sie das gemeinschaftliche Grundstück jeweils unternehmerisch nutzen und diese Nutzung deren quotalen Miteigentumsanteil nicht übersteigt (vgl. Abschn. 192 Abs. 16 Satz 7 UStR 2008 und Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 Satz 9 bis 11 UStR 2008).

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Der Ehemann erbringt mit der Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Ehefrau eine steuerbare, aber grundsätzlich nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfreie Leistung. Da seine Ehefrau durch die anschließende Verpachtung Unternehmerin wird, hat er die Möglichkeit zur Option nach § 9 Abs. 1 UStG. Zum Entgelt gehört u. U. auch die anteilige Übernahme der auf dem Grundstück ruhenden Verbindlichkeiten durch die Ehefrau. Gegebenenfalls ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG anzusetzen.

Da die Übertragung ein unter das Grunderwerbsteuergesetz fallender Umsatz ist, wird die Ehefrau nach § 13b Abs. 2 S. 1 UStG i. V. m. § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG zum Steuerschuldner. Denn die Ehefrau ist Unternehmer. Der Ehemann ist zum Ausstellen einer Rechnung verpflichtet. In dieser muss er auf die Steuerschuldnerschaft der Ehefrau hinweisen (§ 14a Abs. 5 UStG).

Hinsichtlich des dem Ehemann verbliebenen Miteigentumsanteils liegt keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Er verwendet diesen Anteil weiterhin aufgrund seines Eigentumsrechts für unternehmerische Zwecke (und ist aus laufenden Aufwendungen insoweit auch weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigt, s. o.).

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Die Ehefrau schuldet nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 S. 1 UStG die Steuer aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils.

Mit dessen Verpachtung an den Ehemann erbringt sie eine steuerbare und durch Option steuerpflichtige sonstige Leistung. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG steht ihr der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils zu.

Aus den laufenden Aufwendungen ist sie nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Rahmen ihrer unternehmerischen Nutzung zum Vorsteuerabzug berechtigt, s. o.)

Sachverhalt 4

Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau entgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück. In der Rechnung weist er die Umsatzsteuer offen aus. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein, das Grundstück wird weiterhin steuerpflichtig vermietet. Die Ehegatten begründen keine gesonderte GbR.

Rechtliche Beurteilung bei der Bruchteilsgemeinschaft

Die Ausführungen zum Sachverhalt 2 gelten entsprechend. Es ist keine andere Behandlung aufgrund der Entgeltlichkeit der Veräußerung anzunehmen.

Rechtliche Beurteilung beim Ehemann

Es gelten die Ausführungen zum Sachverhalt 2 entsprechend, das heißt es handelt sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen. Weist er in der Rechnung Umsatzsteuer aus, schuldet er diese nach § 14c Abs. 1 UStG.

Rechtliche Beurteilung bei der Ehefrau

Die Ausführungen zum Sachverhalt 2 gelten entsprechend.

Sachverhalt 5

Ein Unternehmer bestellt seiner Tochter an einem Betriebsgrundstück einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch. Von diesem Zeitpunkt an führt die Tochter den Betrieb und wird Unternehmerin.

Rechtliche Beurteilung

Liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor (Umsatzsteuer-Kartei S 7100b Karte 1 zu § 1 Abs. 1a UStG), hat die Bestellung des Nießbrauchs keine umsatzsteuerlichen Folgen.

Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, hat der Unternehmer das Grundstück aus seinem Unternehmen entnommen ( BStBl 1988 II S. 205). Durch die Bestellung des unentgeltlichen unbefristeten Nießbrauchs bringt er zum Ausdruck, dass er das Grundstück auf Dauer nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen und damit nicht mehr im Rahmen seines Unternehmens einsetzen will. Die Bindung des Grundstücks an das Unternehmen ist beendet. Unerheblich ist, dass dem Unternehmer das (nießbrauchsbelastete) Eigentum am Grundstück verbleibt. Für die Frage der Verwendung des Grundstücks kommt es auf die Eigentumsverhältnisse nicht an. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme zum Eigenbedarf ist steuerpflichtig, da mangels Rechtsvorgang keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. ( BStBl 2004 I S. 469, 2. Absatz nach Beispiel 5).

Sachverhalt 6

Ein Unternehmer überträgt seinem Sohn unentgeltlich ein Betriebsgrundstück und behält sich den Nießbrauch zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Grundstücks in seinem Unternehmen vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Unternehmer hat das Grundstück weder seinem Sohn geliefert noch aus seinem Unternehmen entnommen. Er hat lediglich das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum übertragen und sich die Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten, die ihm bisher aufgrund seines Eigentums zustand. Der Sohn erlangt an dem Grundstück keine Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG. Die Einräumung des Nießbrauchvorbehalts stellt auch keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar. Denn der Unternehmer hat sich dieses Recht von vornherein vorbehalten. Eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht beim Unternehmer verblieben ist (Abschn. 24b Abs. 5 UStR 2008). Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG kommt bei Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs nicht in Betracht.

Erst mit Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs liegt je nach Sachverhalt eine Lieferung, eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme oder eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor.

Bei einer Lieferung ist der Vorsteuerabzug des Unternehmers gegebenenfalls zu berichtigen.

Die OFD weist darauf hin, dass andere vertragliche Regelungen zu einer anderen umsatzsteuerlichen Beurteilung führen können. Insbesondere kann die Beurteilung der Sachverhalte 2 und 4 anders ausfallen, wenn die Ehegatten eine GbR gründen (und es sich nicht um eine Bruchteilsgemeinschaft handelt), vgl. , BFH/NV 2008 S. 708. Da das Urteil jedoch bisher nicht veröffentlicht ist und die Sache an das FG zurückverwiesen wurde, werden hier keine weiteren Ausführungen aufgenommen.

Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme ist bei einem bis zum angeschafften oder hergestellten Gebäude steuerfrei nach § 4 Nr. 9a UStG und führt gegebenenfalls zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Wird ein nach dem angeschafftes oder hergestelltes Gebäude zum Eigenbedarf entnommen, ist die Entnahme dagegen steuerpflichtig.

Die unentgeltliche Wertabgabe durch Grundstücksschenkung/Übertragung auf einen Angehörigen bleibt dagegen steuerfrei, da es sich um einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang handelt.

OFD Hannover v. - S 7109 - 10 - StO 172

Fundstelle(n):
DStR 2008 S. 1484 Nr. 31
UR 2008 S. 671 Nr. 17
FAAAC-83815