BGH Urteil v. - IX ZR 178/03

Leitsatz

[1] Ob der Auftraggeber nach dem Ende des Mandats vom Steuerberater verlangen kann, daß dieser der Übertragung der von ihm bei der DATEV gespeicherten Daten auf einen anderen Steuerberater zustimmt, hängt davon ab, ob die Daten das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis enthalten oder ob es sich um dieses vorbereitende Arbeitsleistungen handelt (im Anschluß an IVa ZR 262/86, ZIP 1988, 442 f; Urt. v. - XI ZR 3/88, NJW 1989, 1216 f).

Gesetze: BGB § 675 Abs. 1; BGB § 667

Instanzenzug: LG Stade vom AG Bremervörde

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan: Schuldnerin). Er verlangt von der Beklagten, der früheren Steuerberaterin der Schuldnerin, gegenüber der DATEV zu erklären, daß sämtliche, die Schuldnerin betreffenden DATEV-Konten und DATEV-Auswertungen auf einen anderen, von ihm benannten Steuerberater übertragen werden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision.

Gründe

Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe "mit zutreffender Begründung dem Kläger den Anspruch auf einen Zugriff der von der Beklagten bei der DATEV gespeicherten Dateien des Insolvenzschuldners zugesprochen." Die Datenübermittlung an die DATEV sei auch im Interesse der Schuldnerin erfolgt. Damit sei die Speicherung dieser Daten aus der Geschäftsbesorgung entstanden. Der Einwand der Beklagten, der Vorgang diene lediglich der doppelten Absicherung des Steuerberaters, überzeuge nicht.

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, weil ihm die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage fehlt. Der Senat kann nicht überprüfen, ob das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch des Klägers nach § 675 Abs. 1, § 667 BGB bejaht hat. Er vermag dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen, ob der Kläger sich auf dem Umweg über die bei der DATEV gespeicherten Daten der Schuldnerin den Zugriff auf das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis verschaffen will oder ob dort lediglich Arbeitsleistungen der Beklagten auf dem Weg zu einem solchen Arbeitsergebnis abgespeichert sind. Hierauf aber kommt es entscheidend an:

1. Gemäß § 675 Abs. 1, § 667 BGB hat der Steuerberater seinem Mandanten alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Denn er wird aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig (vgl. IVa ZR 262/86, ZIP 1988, 442 f; Urt. v. - XI ZR 3/88, NJW 1989, 1216 f). Rechtlich bestehen keine Bedenken dagegen, die Zustimmung zur Datenübertragung als Inhalt der Verpflichtung zur Herausgabe der vom Steuerberater bei einem Dritten abgespeicherten Daten anzusehen (vgl. KG RDV 1996, 252, OLG Köln NJW-RR 1998, 273, Geisendorfer DSWR 1993, 253 m.w.N.). Zur Ausführung des Auftrags erhalten ist alles, was dem Beauftragten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist (Bamberger/Roth/Czub, BGB § 667 Rn. 7; Soergel/Beuthien, BGB 12. Aufl. § 667 Rn. 4; Jauernig/Mansel, BGB 10. Aufl. § 667 Rn. 3). Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist jeder Vorteil, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat (, NJW-RR 1992, 560; MünchKomm/Seiler, BGB 3. Aufl. § 667 Rn. 9; Staudinger/Wittmann, BGB 13. Bearb. § 667 Rn. 1). Nach dieser Alternative sind auch die vom Beauftragten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstigen Unterlagen und Dateien - mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen - herauszugeben (RGZ 105, 392, 395; BGHZ 109, 260, 264 f; KG NJW 1971, 566, 567; 1989, 532 f; OLG Hamm NJW-RR 1988, 268, 269).

Anders verhält es sich jedoch mit dem (vertraglichen) Arbeitsergebnis der Beklagten, das die Schuldnerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten benötigte und das die Beklagte ihr aus dem Steuerberatervertrag schuldete (vgl. aaO S. 442; v. , aaO S. 1217). Denn das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis steht im Austauschverhältnis des gegenseitigen Vertrages; es ist nicht im Sinne der §§ 675 Abs. 1, 667 2. Alt. BGB erlangt, sondern Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs (vgl. MünchKomm/Seiler, aaO § 667 Rn. 2; Bamberger/Roth/Czub, aaO Rn. 8; Gehre, StBerG 4. Aufl. § 66 Rn. 15). Bei den der DATEV übermittelten Datenbeständen kann es sich um körperlich erfaßbare Arbeitsergebnisse handeln (KG, aaO; ebenso Gehre und Geisendorfer, jew. aaO, Späth Stbg 1997, 557, 558 und die Anm. der Schriftleitung zu OLG Celle GI 1989, 39, 41). Für die rechtliche Beurteilung ist es ohne Belang, ob die Beklagte die Schuldnerin allgemein steuerlich beraten hat (vgl. aaO).

2. Nach dem im Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils wiedergegebenen unstreitigen Parteivortrag führte die Beklagte für die Schuldnerin die gesamte Buchführung und die Jahresabschlußarbeiten durch. Wenn daher die bei der DATEV abgespeicherten Daten unmittelbar Bestandteil der Buchführung oder der "Jahresabschlußarbeiten" sind, hat der Kläger keinen Anspruch aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf deren Herausgabe. Das gilt auch dann, wenn es sich um zur Sicherung der Daten angelegte Doppel der bei der Beklagten vorhandenen Datenbestände handeln sollte. Denn das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis kann auch der Insolvenzverwalter nicht honorarfrei zur Masse ziehen (vgl. aaO; Gehre, aaO § 66 Rn. 16). Soweit es sich hingegen um von der Beklagten eingegebene Daten handelt, die ihr von der Schuldnerin zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden waren, ist der Anspruch auf Zustimmung zur Datenübertragung aus § 675 Abs. 1, § 667 1. Alt. BGB begründet. Sofern die Beklagte die von der Schuldnerin gelieferten Daten und Unterlagen ausgewertet und für die noch zu leistende eigentliche Buchführung geordnet und rechnerisch aufbereitet hat, handelt es sich noch nicht um das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis selbst. Vielmehr wird dieses durch Systematisierung und Weiterverarbeitung der gelieferten "Rohdaten" erst vorbereitet. Dieser Fall ist mit demjenigen vergleichbar, in dem der Beauftragte über die Geschäftsbesorgung selbst Akten anlegt. Diese sind, wie ausgeführt, gemäß § 675 Abs. 1, § 667 2. Alt. BGB herauszugeben.

Anhaltspunkte dafür, daß auch nur ein Teil der Daten dem internen Gebrauch der beklagten Steuerberaterin zu dienen bestimmt ist (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 2 StBerG und aaO), sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.

3. Da das Berufungsurteil wegen des vorstehend aufgezeigten Rechtsfehlers aufgehoben werden muß, kann letztlich dahinstehen, ob es den Mindestanforderungen, die § 540 ZPO an den Inhalt des Berufungsurteils stellt, noch genügt.

a) Auf das Berufungsverfahren vor dem Landgericht ist die Zivilprozeßordnung in der am geltenden Fassung anzuwenden (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine solche Verweisung kann sich jedoch naturgemäß nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der Beklagten erstrecken. Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden. Das Berufungsurteil muß aber, wenn es auf die wörtliche Wiedergabe des Antrags verzichtet, wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. Daher sind die Berufungsanträge entweder wörtlich oder zumindest sinngemäß in das Berufungsurteil aufzunehmen (, BGH-Report 2003, 629, z.V.b. in BGHZ 154, 99; Urt. v. - V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1291; Urt. v. - XII ZR 303/02, NJW 2003, 3352, 3353, z.V.b. in BGHZ; Urt. v. - VI ZR 438/02, NJW 2004, 293, 294). Es kann dahinstehen, ob die Angabe, das Amtsgericht habe "dem Kläger den Anspruch ... zugesprochen" in Verbindung mit der Mitteilung, daß die Beklagte Berufung eingelegt habe, dem genügt.

b) Auch enthält das Berufungsurteil entgegen § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Denn es nimmt lediglich auf die Begründung Bezug, mit der das Amtsgericht einen Anspruch des Klägers bejaht hat. Die tatbestandlichen Darstellungen in den Gründen des Berufungsurteils müssen aber ausreichen, um eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Das ist nicht der Fall, wenn entsprechende Darstellungen in einem Berufungsurteil fehlen oder derart widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind, daß sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (, aaO; Urt. v. - V ZR 392/02, aaO).

III.

In der neuen Berufungsverhandlung wird das Landgericht auch Gelegenheit haben, sich mit den Argumenten der Revisionsbegründung und der Revisionserwiderung auseinanderzusetzen.

Für die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens hat der Senat von der Möglichkeit des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2004 S. 389 Nr. 4
DB 2004 S. 1665 Nr. 31
DStR 2004 S. 1397 Nr. 33
INF 2004 S. 450 Nr. 12
KÖSDI 2004 S. 14276 Nr. 8
EAAAC-00357

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja