Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Einreichung eines fristgerecht eingelegten Einspruchs beim „falschen” Finanzamt
Weiterleitung des Einspruchs auf dem Postweg und Eintreffen des Einspruchs beim „richtigen” Finanzamt erst nach Ablauf der
Einspruchsfrist
Leitsatz
1. Für die Behörden besteht grundsätzlich die Verpflichtung, leicht und einwandfrei als fehlgeleitete fristwahrende Einspruchsschreiben
erkennbare Schriftstücke im Zuge des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Behörde weiterzuleiten;
hat die unzuständige Behörde die Übermittlung schuldhaft verzögert oder überhaupt unterlassen, kommt im Falle willkürlichen,
offenkundig nachlässigen und nachgewiesenen Fehlverhaltens der Behörde die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
in Betracht.
2. Hat der Bevollmächtigte einen Einspruch beim „falschen” Finanzamt eingelegt, ist dieses Finanzamt in dem Zeitpunkt, in
dem erkannt wird, dass ein fristgebundener Schriftsatz irrtümlich eingereicht wurde, nicht zuletzt im Hinblick auf die zunehmende
Digitalisierung der Kommunikation zwischen den Bürgern, Behörden und Gerichten verpflichtet, unter Einsatz zeitgemäßer Kommunikationsmittel
dafür Sorge zu tragen, dass eine möglicherweise noch laufende Frist eingehalten werden kann. Hierzu muss entweder der Rechtsbehelfsführer
bzw. dessen Vertreter umgehend, d. h. in dem Zeitpunkt, in dem das Versehen bekannt wird, telefonisch, per Fax oder per E-Mail
darauf hingewiesen werden, dass er einen fristgebundenen Schriftsatz bei der falschen Behörde eingereicht hat, um diesem Gelegenheit
zu geben, den Fehler – soweit noch möglich – selbst zu korrigieren, oder aber das Einspruchsschreiben muss umgehend per Fax,
eingescannt als Email oder über das besondere elektronische Behördenpostfach (BeBPo) an das „richtige” Finnazamt weitergeleitet
werden.
3. Wurde der innerhalb der Einspruchsfrist beim „falschen” Finanzamt eingelegte Einspruch auf dem Postweg an das zutreffende
Finanzamt weitergeschickt und ist er dort erst nach Fristablauf angekommen, so ist auf Antrag – bei Erfüllung der weiteren
Voraussetzungen des § 110 AO – Wiedereinsetzung zu gewähren.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): KÖSDI 2022 S. 22926 Nr. 10 DAAAI-61076
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Online-Dokument
FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 07.12.2021 - 1 K 539/21
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