BFH Beschluss v. - V B 126/06

Anforderungen an die Begründung einer Aufklärungsrüge

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Rahmen eines Franchise-Vertragsverhältnisses ein Einzelhandelsgeschäft sowie ein Reisebüro. Die Geschäftsräume hatte sie durch einen Untermietvertrag von ihrer Franchise-Geberin, einer GmbH, gemietet, die ihrerseits mit der Eigentümerin des Gebäudes (Eigentümerin) einen bis zum befristeten Mietvertrag abgeschlossen hatte, der eine Konkurrenzschutzklausel enthielt.

Durch Anwaltsvergleich vom vereinbarten die Eigentümerin und die GmbH, das bestehende Mietverhältnis zum aufzuheben. Die Klägerin verpflichtete sich in dem Vergleich, die gemieteten Räume bis dahin zu räumen und an die Eigentümerin herauszugeben. Die Eigentümerin sagte zu, wegen der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses einmalige Entschädigungen von 100 000 DM an die GmbH und von 200 000 DM an die Klägerin zu zahlen. Nach dem Wortlaut des Anwaltsvergleichs sollte die Zahlung von 200 000 DM an die Klägerin der Abgeltung der Nachteile und Verluste dienen, die durch die künftige teilweise Nichtausübung ihres Betriebs (Einzelhandelsgeschäft) entstehen. Die Klägerin trat die Hälfte der ihr danach gegen die Eigentümerin zustehenden Forderung an die GmbH zur Abgeltung ihrer dieser gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten ab.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nahm an, dass die Zahlung von 200 000 DM mit dem Nettobetrag Entgelt für den Verzicht der Klägerin auf die Wahrnehmung ihrer vertraglichen Rechte aus dem Untermietvertrag und somit für eine umsatzsteuerbare Leistung sei, und setzte dafür für das Jahr 2000 Umsatzsteuer in Höhe von 27 587 DM fest. Das FA beurteilte den nach Abzug der Umsatzsteuer verbleibenden Betrag von 172 413 DM als Betriebseinnahme und stellte mit dem Änderungsbescheid vom die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für 2000 auf 114 295 DM fest, darin enthalten außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 172 414 DM.

Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos. Zur Gewinnfeststellung vertrat das FA die Auffassung, entgegen der Ansicht der Klägerin liege kein steuerfreier Sanierungsgewinn vor. Die GmbH habe nicht auf eine ihr gegen die Klägerin zustehende Forderung verzichtet. Zur Umsatzsteuer hielt das FA an seiner bisherigen Beurteilung fest.

Im Klageverfahren wegen Gewinnfeststellung legte das FA in der Klageerwiderung unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV A 6 -S 2140- 8/03 (BStBl I 2003, 240) im Einzelnen dar, welche Voraussetzungen nach seiner Auffassung erfüllt sein müssten, damit ein zu einem Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen führender Sanierungsgewinn vorliege, und führte weiter aus, diese Voraussetzungen seien nach Aktenlage nicht gegeben. Die Klägerin habe keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ein Schuldenerlass durch deren Gläubiger ergebe. Dem Vorliegen eines Sanierungsgewinns stehe zudem die Einstellung des Unternehmens der Klägerin entgegen. Die Klägerin nahm dazu entgegen der Ankündigung im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, eines Steuerberaters, vom nicht Stellung.

Das Finanzgericht (FG) bat die Klägerin mit Schreiben vom , im Termin zur mündlichen Verhandlung, am , näher bezeichnete Angaben zur Entwicklung der Verbindlichkeiten ihres aufgegebenen Gewerbebetriebs, zur Verwendung der Entschädigungssumme von 200 000 DM und zu ihren Bilanzen zu machen. Dieses Schreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des bei den Akten befindlichen Sendeberichts durch Telefax übermittelt.

Das FA führte in der Klageerwiderung wegen Umsatzsteuer u.a. aus, es sei kein Schaden gegen den Willen der Klägerin eingetreten, da sie Partei des Anwaltsvergleichs gewesen sei. Sie selbst und die GmbH hätten gegenüber der Eigentümerin auf der Vertragserfüllung bestehen können. Darauf habe die Klägerin ebenso wie die GmbH verzichtet. Bei dem Betrag von 200 000 DM handle es sich nicht um einen Anspruch wegen Verletzung der mietvertraglichen Konkurrenzschutzklausel. Ein Vertragsbruch der Eigentümerin liege nicht vor, sondern sei von dieser durch den Abschluss des Anwaltsvergleichs vermieden worden. Ein echter, nicht der Umsatzsteuer unterliegender Schadensersatz sei somit nicht gegeben. Entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom äußerte sich die Klägerin auch dazu nicht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG, die sich aufgrund der vom FG beschlossenen Verfahrensverbindung sowohl auf die Gewinnfeststellung als auch auf die Umsatzsteuer bezog und zu der der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom geladen worden war, war die Klägerin weder vertreten noch persönlich anwesend, ohne sich zu entschuldigen.

Das FG wies die Klagen mit der Begründung ab, der Netto-Entschädigungsbetrag von 172 413 DM rechne zu den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2000. Es handle sich um Ersatz für entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Ein Sanierungsgewinn, der nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 zu einem Erlass nach § 227 der Abgabenordnung (AO) führen könne und durch das Betriebs-FA zu ermitteln sei, liege nicht vor. Es fehle bereits an einem Erlass von Schulden durch Gläubiger der Klägerin. Insbesondere habe die GmbH nicht auf die Begleichung ihrer Forderungen gegen die Klägerin verzichtet, sondern diese durch die mit der Klägerin getroffene Abtretungsvereinbarung realisiert. Die GmbH habe auch keine Sanierungsabsicht gehabt. Anhaltspunkte dafür, dass sonstige Gläubiger der Klägerin Schulden in Sanierungsabsicht erlassen hätten, bestünden ebenfalls nicht.

Auch der Umsatzsteuerbescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin habe aufgrund des Anwaltsvergleichs keine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Entschädigung oder Schadensersatzzahlung erhalten. Derartige Zahlungen seien nur dann kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn sie nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgten, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen habe. Im Anwaltsvergleich sei demgegenüber ein Leistungsaustausch vereinbart worden. Die der Klägerin zustehende Zahlung sei Gegenleistung für deren Verzicht auf die weitere Ausübung ihrer mietvertraglichen Rechte gewesen, ihre Verpflichtung zur vorzeitigen Rückgabe der gemieteten Räume sowie ihre Bereitschaft, ihr Einzelhandelsgeschäft in diesen Räumen nicht weiter auszuüben. Es sei nicht erkennbar, dass die Entschädigung für einen Schaden infolge eines Vertragsbruchs der Eigentümerin gewährt werden sollte. Die mietvertragliche Konkurrenzschutzklausel habe im Übrigen nicht gegenüber der Klägerin, sondern nur gegenüber der GmbH bestanden.

Die Klägerin legte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein, die sie auf Verfahrensmängel stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Sie macht zur Begründung geltend, das FG habe den Sachverhalt sowohl hinsichtlich der Gewinnfeststellung als auch der Umsatzsteuer pflichtwidrig nicht hinreichend aufgeklärt und sei von Sachverhaltsunterstellungen ausgegangen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

1. Eine —wie im Streitfall erhobene— Rüge, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, muss die Voraussetzungen des Verfahrensmangels darlegen. Das setzt insbesondere den substantiierten Vortrag darüber voraus, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern diese Tatsachen auf der Grundlage des —ggf. auch unrichtigen— materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können und warum der fachkundig, etwa durch einen Steuerberater, vertretene Kläger nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat. Zudem müssen die Beweismittel, die das FG hätte heranziehen sollen, konkret bezeichnet werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 56/06, BFH/NV 2007, 666; vom VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751, und vom III B 191/05, BFH/NV 2007, 1505, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BFH).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Gewinnfeststellung

Die Klägerin hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen, obwohl sie entgegen ihrer Ankündigung zu der Klageerwiderung des FA und zu den darin genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines Sanierungsgewinns nicht Stellung genommen, sich zu den vom FG mit Schreiben vom gestellten Fragen nicht geäußert, keine Beweisanträge gestellt und trotz ordnungsgemäßer Ladung an der mündlichen Verhandlung ohne Entschuldigung weder persönlich noch durch ihren Prozessbevollmächtigten teilgenommen hatte. Sie hat auch nicht ausgeführt, welche Beweismittel das FG hätte heranziehen sollen, welche bisher nicht bekannten konkreten Tatsachen eine Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern diese Tatsachen für die Entscheidung des FG aufgrund dessen materiell-rechtlicher Auffassung hätten maßgeblich sein können. Sie bringt in der Beschwerdebegründung insbesondere nicht vor, dass sich ihr Betriebsvermögen im Jahr 2000 durch den Erlass von Schulden erhöht habe, dass dies ggf. zu einer entsprechenden Erhöhung der für dieses Jahr festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb geführt habe und dass deshalb ein Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach Maßgabe des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240 zu gewähren sei oder in Betracht komme.

Mit ihren Einwendungen gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das FG macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel geltend; die Sachverhaltswürdigung gehört vielmehr zum materiellen Recht (BFH-Beschlüsse vom IX B 159/06, BFH/NV 2007, 1503; vom VIII B 249/05, BFH/NV 2007, 1465, und in BFH/NV 2007, 1505, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BFH).

b) Umsatzsteuer

Die Klägerin hat auch insoweit nicht dargetan, warum sich dem FG trotz ihrer nach der Klagebegründung fehlenden Mitwirkung im finanzgerichtlichen Verfahren eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen sollen, welche konkreten Zeugen das FG hätte vernehmen sollen, welche Tatsachen im Einzelnen eine Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern diese Tatsachen zu einer anderen Entscheidung des FG hätten führen können. Die Klägerin macht insbesondere selbst nicht geltend, dass ihr Unternehmen und ein Konkurrenzunternehmen in dem Mietobjekt nebeneinander bestanden hätten und ihr dadurch von der Eigentümerin zu ersetzende Schäden entstanden seien. Der Umstand, dass die Eigentümerin mit der GmbH und der Klägerin den Anwaltsvergleich geschlossen hat, um durch die vereinbarten Zahlungen die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mieträume zu erreichen, ist nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht als Vertragsbruch, sondern als eine der Umsatzsteuer unterliegende Vereinbarung eines Leistungsaustauschverhältnisses zu beurteilen.

3. Der V. Senat ist für die Entscheidung auch hinsichtlich der Gewinnfeststellung zuständig. Die Gewinnfeststellung gehört zwar nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH nicht zu seinem allgemeinen Zuständigkeitsbereich. Die Zuständigkeit des V. Senats ergibt sich jedoch aus Abschn. A Ergänzende Regelungen Teil I. Übergreifende Zuständigkeiten Nr. 1 und Nr. 3 des Geschäftsverteilungsplans, weil der Streitwert bei der Umsatzsteuer höher als bei der Gewinnfeststellung ist und hinsichtlich der Gewinnfeststellung nur unzulässige Verfahrensrügen erhoben worden sind.

Fundstelle(n):
UR 2008 S. 115 Nr. 3
DAAAC-57777