Oberfinanzdirektion Karlsruhe - S 7416

Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe

1. Übergang von der Eigenbewirtschaftung auf die Betriebsverpachtung

Auf die Umsätze aus der Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe kann die Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG nicht angewendet werden (Abschn. 264 Abs. 6 UStR). Mit Verpachtungsbeginn kommt es – abhängig von Gesamtumsatz des Verpächters – zu einem Wechsel der Besteuerungsform von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung oder zur Besteuerung nach § 19 Abs. 1 UStG.

Soweit die Pacht auf überlassene Grundstücke einschließlich aufstehender Gebäude oder auf standfeste Scheinbestandteile entfällt, sind die Pachteinnahmen gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei (vgl. auch Nr. 6). Dadurch wird eine zeitanteilige Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 und 6 UStG ausgelöst, wenn der Verpächter im Rahmen der Regelbesteuerung Vorsteuerbeträge aus (nachträglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen hat und der Zehnjahreszeitraum bei Verpachtungsbeginn noch nicht abgelaufen ist (vgl. BStBl 2005 I, S. 1065). Eine Vorsteuerberichtigung entfällt, wenn der Verpächter zulässigerweise auf die Steuerbefreiung der (anteiligen) Pacht verzichtet (§ 9 UStG).

Bei Erhaltungsaufwendungen an Pachtgebäuden, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 3 UStG zu prüfen, wenn der Verpächter die Aufwendungen nach dem im Rahmen der Regelbesteuerung getätigt hat (§ 27 Abs. 11 UStG).

Sofern die auf Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge im Rahmen der Durchschnittsatzbesteuerung angefallen und durch die Vorsteuerpauschale abgegolten worden sind, erfolgt die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nicht bei dem einzelnen Verpächter, sondern makroökonomisch bei der Ermittlung der Vorsteuerbelastung für die gesamte Landwirtschaft. Bei der Festlegung der Vorsteuerbelastungen für die Land- und Forstwirtschaft werden steuerfreie Verpachtungen (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) durch eine entsprechende Minderung der Bruttoanlageinvestitionen berücksichtigt.

Bei steuerpflichtigen Verpachtungen (§ 9 UStG) ist eine Anwendung des § 15a UStG zu Gunsten des Verpächters für den restlichen Berichtigungszeitraum zulässig, wenn die auf (nachträgliche) Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge des jeweiligen Wirtschaftsguts nachgewiesen werden (Abschn. 214 Abs. 6 UStR).

2. Verpachtung von lebensfähigen landwirtschaftlichen Teilbetrieben

Die Verpachtung eines lebensfähigen Teilbetriebs unterliegt der Regelbesteuerung ohne Rücksicht darauf, welchen Umfang der vom Verpächter zurückbehaltene Teil hat. Ab Verpachtungsbeginn erstreckt sich die Durchschnittsatzbesteuerung nur noch auf den eigenbewirtschafteten Unternehmensteil (§ 24 Abs. 3 UStG; bestätigt zur Verpachtung der Landwirtschaft bei fortbestehendem Forstbetrieb durch BStBl 2002 II, S. 555 und zu Betriebsteilungen durch BStBl 2005 II, S. 896 und vom , BStBl 2006 II, S. 212). Die Frage, ob diese Grundsätze auch anzuwenden sind, wenn die Betriebsteilung zur Einhaltung der Tierhaltungsgrenzen des § 24 Abs. 2 UStG im eigenbewirtschafteten Unternehmensteil erfolgt, hat der BFH dem BStBl 2004 II, S. 530 zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Zur Verpachtung einzelner Wirtschaftsgüter vgl. BStBl 2005 I, S. 1065 sowie S 7410 Karte 3.

3. Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebs nach vorangegangener Verpachtung

Die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs nach Ablauf der Pachtzeit ist kein Umsatz, der unter die Durchschnittsatzbesteuerung des § 24 Abs. 1 UStG fällt. Da es sich dabei regelmäßig um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG handelt, ist beim erwerbenden Unternehmer (z.B. bisherigen Pächter) für den restlichen Berichtigungszeitraum die Vorsteuerüberwachung fortzuführen (§ 15a Abs. 10 UStG). Wendet der erwerbende Unternehmer im verbleibenden Berichtigungszeitraum die Durchschnittsatzbesteuerung an, ist mangels konkreter Vorsteuerabzugsberechtigung (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG) eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen.

4. Wirtschaftsüberlassungsverträge

Überlässt ein Betriebsinhaber einem Angehörigen seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgrund eines sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrages, so sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für den Hofeigentümer – mit Ausnahme des Umstands, dass er keine Pachteinnahmen, sondern Unterhaltsleistungen vom Nutzungsberechtigten erhält – dieselben Rechtsfolgen abzuleiten, wie sie für die Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe gelten; der Nutzungsberechtigte ist im Ergebnis einem Pächter gleichzustellen (Urteile vom , BStBl 1976 II, S. 335 und vom , BB, S. 1048).

5. „Eiserne Verpachtung”

Hingabe und Rückgabe des „eisernen Inventars” stellen keine Lieferung dar. Ein sich bei der Rückgabe ergebender Mehrwert, den der Verpächter auszugleichen hat, ist Entgelt für eine sonstige Leistung des Pächters.

6. Aufteilung eines einheitlichen Pachtentgelts

Die pauschalen Aufteilungsgrundsätze zur Verteilung der Einheitswerte nach § 49 Bewertungsgesetz sind unter Berücksichtigung des Strukturwandels für eine sachgerechte Aufteilung des Pachtentgelts für Zwecke der Umsatzsteuer nicht geeignet. Bei der Aufteilung des Pachtentgelts in den steuerfreien Teil für die Verpachtung des Grundstücks (Grund und Boden, Gebäude, Gebäudeteile, standfeste Scheinbestandteile, Außenanlagen) sowie in den steuerpflichtigen Teil für die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen (z.B. Getreidesilos, Güllebehälter) sind die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls maßgebend. Dabei ist auf eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten sachgerechte Aufteilung zu achten.

7. Höhe des Entgelts für die Verpachtungsleistung

Zahlungen, die der Pächter zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Verpächters leistet (z.B. Grundsteuer, Zinsen, Versicherungsbeiträge), sind Teil des Entgelts für die Verpachtungsleistung (§ 10 Abs. 1 UStG).

8. Behandlung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden

Bei Baumaßnahmen des Pächters eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sind die Grundsätze zum Bauen auf fremdem Grund und Boden anzuwenden (vgl. BStBl 1986 I, S. 432). Bleibt der Pächter bis zum Ende des Pachtvertrags wirtschaftlicher Eigentümer eines von ihm errichteten Bauwerks und findet unmittelbar darauf die Hofübergabe an den Pächter statt, so ist keine Lieferung des Bauwerks an den Verpächter anzunehmen. Das Bauwerk auf fremdem Grund und Boden nimmt dann am Leistungsaustausch der Hofübergabe (Geschäftsveräußerung) nicht teil.

9. Besteuerung von Umsätzen nach Übergang zur Betriebs- und Teilbetriebsverpachtung

Wird die land- und forstwirtschaftliche Erzeugertätigkeit eingestellt oder der Betrieb veräußert, fallen nachlaufende Umsätze (z.B. Verkäufe der Ernte, Weinvorräte) nicht mehr in die Durchschnittssatzbesteuerung. Auch mit dem Übergang zur Hofverpachtung endet die Anwendung des § 24 UStG.

Umsätze, die nach Einstellung der Erzeugertätigkeit, nach Betriebsveräußerung oder nach Beginn der Betriebsverpachtung ausgeführt werden, fallen auch dann in die Kleinunternehmerbesteuerung oder in die Regelbesteuerung, wenn die Waren innerhalb der Durchschnittssatzbesteuerung erzeugt worden sind. Fallen solche Umsätze in die Regelbesteuerung ist § 15a UStG anzuwenden. Nach Tz. 56 des (BStBl 2005 I, S. 1068) kann der zu berichtigende Steuerbetrag aus Vereinfachungsgründen in Höhe der Durchschnittssätze des § 24 Abs. 1 UStG geschätzt werden (begrenzt auf die Höhe der geschuldeten Umsatzsteuer).

Beispiel

A verpachtet seinen Weinbaubetrieb (§ 24 UStG) ab . Am verkauft A für jeweils netto 10.000 € noch vorhandene Traubenmaische und den Weinvorrat. A schuldet für die Lieferung der Traubenmaische 700 € und für die Lieferung des Weins 1.600 € Umsatzsteuer. Die Schätzung der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Anlehnung an die Vorsteuerpauschale von 9 % ergibt beim Wein eine Zahllast von 700 €. Bei der Traubenmaische (Vorsteuerpauschale von 9 %) ergibt sich eine Zahllast von 0 €, da die Schätzung auf den Steuersatz von 7 % begrenzt ist.

10. Übergang zur Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG

Soweit im Rahmen der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs lebendes und totes Inventar mitverpachtet wird, ist die Verpachtung des Inventars grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Wenn der nach § 19 Abs. 1 UStG maßgebende Umsatz (steuerpflichtige Pachtanteile und übrige Umsätze, z.B. aus der Verpachtung des Jagdrechts) den Betrag von 17.500 € jährlich nicht übersteigt, kann die Kleinunternehmerregelung angewendet werden, d.h. die an sich geschuldete Umsatzsteuer wird nicht erhoben. Bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG kann dabei zu Beginn der Verpachtung auf den Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres abgestellt werden. Beginnt die Verpachtung zur Jahresmitte, so werden aus Vereinfachungsgründen die vor der Verpachtung erzielten Umsätze, die unter die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG fallen, bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes des laufenden Jahres nicht berücksichtigt. § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG ist sinngemäß anzuwenden. Bei Teilbetriebsverpachtungen (vgl. Nr. 2) ist der Umsatz des weiterhin nach § 24 UStG versteuernden Unternehmensteils dagegen anzusetzen und zu schätzen (vgl. S 7410 Karte 4), wenn der Unternehmer diese Umsätze nicht aufzeichnet (§§ 13a EStG, 67 UStDV).

Bei der Ermittlung der Umsatzgrenzen nach § 19 Abs. 1 UStG ist vom Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG abzüglich der darin enthaltenden Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auszugehen. Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG ist die Summe der steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (einschließlich unentgeltliche Wertabgaben) vermindert um die in § 19 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UStG bezeichneten steuerfreien Umsätze. Eine Kürzung um sonstige Leistungen, die mit Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ausgeführt werden, ist nicht zulässig.

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Fundstelle(n):
DAAAB-92600