Online-Nachricht - Donnerstag, 11.11.2021

Erbschaftsteuer | Keine Erbschaftsteuerpause (BFH)

Die Regelungen des ErbStG i.d.F. des WBG 2009 betreffend den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz sind über den hinaus weiter anwendbar (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem die Fortgeltung des verfassungswidrigen Erbschaftsteuergesetzes angeordnet und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum eine Neuregelung zu schaffen. Während des Gesetzgebungsverfahrens kam es zu Verzögerungen. Die Neuregelung wurde erst am mit Wirkung zum verkündet.

Sachverhalt: Die Klägerin ist Alleinerbin nach ihrer am verstorbenen Tante. Der erbschaftsteuerpflichtige Erwerb bestand aus Privatvermögen. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, dass am Stichtag, dem , kein mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang stehendes Erbschaftsteuergesetz mehr existiert habe, sodass der Erwerb nicht der Erbschaftsteuer unterliege. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (). (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 1.2.2019)

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Stellt das BVerfG die Verfassungswidrigkeit einer Norm fest, führt dies nicht zwangsläufig zur Nichtanwendbarkeit der Norm. Maßgeblich ist der Tenor der Entscheidung des BVerfG.

  • Entscheidet das BVerfG, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar und der Gesetzgeber bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Neuregelung verpflichtet ist (vgl. ), sind die verfassungswidrigen Regelungen entsprechend der Tenorierung unabhängig vom Fristlauf für den Gesetzgeber bis zu der tatsächlichen Neuregelung anwendbar.

  • Die Regelungen des ErbStG waren im Hinblick auf den Erwerb von Privatvermögen sowie den zugrunde zu legenden Steuersatz über den hinaus anwendbar, ohne durch eine spätere rückwirkende Regelung ersetzt zu werden.

  • Die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG ergibt sich jedenfalls daraus, dass das BVerfG angeordnet hat, das bisherige Recht bleibe bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Diese Regelung stellt eine unbefristete Fortgeltungsanordnung dar. Die Frist bezieht sich lediglich auf die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Neuregelung zu schaffen und ändert an der Wirksamkeit der Fortgeltungsanordnung auch dann nichts, falls die Neuregelung pflichtwidrig nicht oder verspätet geschaffen wird.

  • Eine Aussetzung des Verfahrens i. V. mit einer Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG kommt nicht in Betracht. Insbesondere ist die im Streitfall vorgenommene Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht stand in der Vergangenheit häufig auf dem Prüfstand des BVerfG – meist nach Vorlagen des II. Senats des BFH. Zuletzt hatte das () entschieden, dass die Vorschriften für die Steuerbegünstigung des Betriebsvermögens mit Art. 3 Abs. 1 GG zwar unvereinbar seien, das bisherige Recht jedoch bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar sei. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum zu treffen. Nach einem langwierigen Gesetzgebungsprozess wurde das ErbStG erst im November 2016 rückwirkend zum neu geregelt. Streitig war nun, ob zwischen dem und der Verabschiedung des Gesetzes im November 2016 eine „Steuerpause“ bei der Erbschaftsteuer eingetreten ist.

Der BFH hat dies verneint. Die Regelungen des ErbStG waren seiner Ansicht nach im Hinblick auf den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz auch über den hinaus weiter anwendbar. Sie seien durch die rückwirkende Regelung der Steuerbegünstigung des Betriebsvermögens nicht geändert worden. Das BVerfG habe angeordnet, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar bleibe (sog. unbefristete Fortgeltungsanordnung). Die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Neuregelung zu schaffen, ändere daran nichts. Eine erneute Vorlage an das BVerfG lehnte der BFH ab. Insbesondere sei die im Streitfall vorgenommene Besteuerung des Privatvermögens nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
CAAAH-94412