BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 4/16

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtungs- und Feststellungsklage eines Rechtsanwalts nach Aufhebung eines Rügebescheids ohne Begründung

Gesetze: § 43a Abs 3 BRAO, § 74 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Berlin Az: II AGH 4/14

Gründe

I.

1Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom erteilte die Beklagte dem Kläger eine Rüge, weil er in einem Verfahren vor dem Amtsgericht S.      - Nachlassgericht - gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 BRAO verstoßen habe. Auf den Einspruch des Klägers hob die Beklagte die Rüge mit Bescheid vom auf, ohne die Aufhebung der Rüge in dem Bescheid weiter zu begründen. Dem damaligen Beschwerdeführer wurde ein Bescheid mit Begründung erteilt. Mit seiner Klage begehrte der Kläger "1. den Bescheid vom aufzuheben, 2. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Beschluss vom mit einer Begründung zu versehen, 3. hiernach hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, den Beschluss vom mit einer Begründung zu versehen, 4. hiernach hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung aus § 74 V 2 Halbsatz 2 BRAO, den Beschluss vom mit einer Begründung zu versehen, verletzt hat." Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

4a) Klageanträge 1 und 2

5aa) Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage unzulässig ist, weil es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis fehlt.

6Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert. Ein berechtigtes Interesse daran, einen begründeten Bescheid zu erhalten, ist im Zulassungsantrag nicht dargetan, zumal der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine Ablichtung des dem früheren Beschwerdegegner erteilten Bescheids mit Begründung erhalten hat.

7bb) Klageanträge 3 und 4

8Es kann dahinstehen, ob der Anwaltsgerichtshof eine Begründungspflicht für auf einen Einspruch ergangene Entscheidungen, mit denen ein Rügebescheid aufgehoben wird, zutreffend verneint hat (so auch Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 74 Rn. 53; a.A. wohl Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 74 Rn. 56; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 55). Dem Kläger fehlt jedenfalls das erforderliche Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung.

9(1) Ein solches Feststellungsinteresse besteht zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Voraussetzung ist insoweit, dass die nahe liegende Möglichkeit besteht, dass ein im Wesentlichen vergleichbarer, nicht notwendig identischer Fall wieder eintreten und die Behörde auf ihn vergleichbar reagieren wird. Das ist hier nicht der Fall. In einem früheren Verfahren hat die Beklagte auf den Einspruch des Klägers einen Rügebescheid mit ausführlicher Begründung aufgehoben (Anlage ASt 2 zur Klagebegründung vom ). Im hiesigen Verfahren hat der Kläger im Prozessverlauf mit Zustimmung der Beklagten eine Ablichtung des dem früheren Beschwerdeführer übersandten begründeten Bescheids erhalten. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall eine Begründung des Aufhebungsbescheids nicht für erforderlich gehalten, weil der zugrunde liegende Sachverhalt unstreitig war und sie mit der Aufhebung der Rüge den rechtlichen Argumenten des Klägers gefolgt ist. Es ist nicht konkret zu erwarten, dass sich das Vorgehen der Beklagten gegenüber dem Kläger - Aufhebung einer Rüge ohne Begründung - wiederholen wird.

10(2) Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht aus einem Rehabilitationsinteresse des Klägers. Insoweit ist erforderlich, dass von der ursprünglich angegriffenen Maßnahme eine diskriminierende Wirkung ausgeht, die auch nach der Erledigung fortwirkt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, die Rüge ist aufgehoben und der Kläger damit rehabilitiert.

112. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 42/11 Rn. 25; vom - AnwZ (Brfg) 4/11 Rn. 12; vom - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709).

12Die Frage, ob ein im Einspruchsverfahren ergangener Bescheid, mit dem eine Rüge aufgehoben wird, zu begründen ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.

III.

13Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                             Roggenbuck                       Seiters

                    Braeuer                                   Merk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:060716BANWZ.BRFG.4.16.0

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2016 S. 2971
CAAAF-79002