OFD Niedersachsen - S 2223 - 324 - St 235 S 0185 - 7 - St 245 S 7100 - 674 - St 171 G 1412 - 27 - St 251

Steuerliche Behandlung der Tafeln und der Unternehmer, die Lebensmittel unentgeltlich abgeben

I. Allgemeines

Tafeln sammeln Lebensmittel ein, die nach den gesetzlichen Bestimmungen noch verwertbar sind, aber im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können (z. B. Lebensmittel kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums, Backwaren vom Vortag oder Fehlproduktionen). Die Tafeln erhalten die Lebensmittel unentgeltlich und geben sie an bedürftige Menschen ab. Die Bedürftigkeit ermittelt jede Tafel unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten in Anlehnung an § 53 AO. Die Tafeln geben die Lebensmittel unentgeltlich oder gegen einen geringen Kostenbeitrag ab. Sie können auch Artikel des täglichen Bedarfs ausgeben. Der Schwerpunkt muss aber auf dem Sammeln und Ausgeben von Lebensmitteln liegen.

Der Name Tafel ist als eingetragenes Markenzeichen durch den Bundesverband Deutsche Tafel e. V. geschützt. Tafeln haben die Rechtsform eines Vereins oder werden in Trägerschaft z. B. des DRK, der AWO oder einer Kirche betrieben. Eine Tafel kann Mitglied im Bundesverband Deutsche Tafel e. V. sein. Der Bundesverband Deutsche Tafel e. V. ist Mitglied des paritätischen Gesamtverbandes.

II. Körperschaftsteuer/Gemeinnützigkeit

1. Beurteilung der Tafeln

Durch ihre Tätigkeit, Lebensmittel (u. U. auch in geringerem Umfang Artikel des täglichen Bedarfs) unentgeltlich an Bedürftige (§ 53 AO) abzugeben, erfüllen die Tafeln gemeinnützige Zwecke i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO (Förderung des Wohlfahrtswesens) sowie mildtätige Zwecke i. S. d. § 53 AO.

Sie sind bei Vorliegen der übrigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 52 ff. AO gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit.

Geben die Tafeln Lebensmittel gegen einen Kostenbeitrag ab, begründen sie damit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser ist als Zweckbetrieb unter den Voraussetzungen des § 66 AO (Einrichtung der Wohlfahrtspflege) ebenfalls von der Körperschaftsteuer befreit.

2. Nachweispflicht

Eine Voraussetzung des § 66 AO ist, dass die Leistungen der Körperschaft in besonderem Maße, d. h. zu mindestens 2/3, den in § 53 AO genannten Personen zugute kommen. Dies ist grundsätzlich entsprechend nachzuweisen.

Eine Körperschaft kann sich aber gemäß § 53 Nr. 2 Satz 8 AO unter bestimmten Voraussetzungen von der Nachweispflicht befreien lassen, und zwar dann, wenn aufgrund der besonderen Art der gewährten Unterstützungsleistung sichergestellt ist, dass nur wirtschaftlich hilfebedürftige Personen i. S. d. § 53 AO unterstützt werden. Davon ist bei den Tafeln im Regelfall auszugehen. Die besonderen Gegebenheiten vor Ort sowie Inhalte und Bewerbungen des konkreten Leistungsangebots sind zu berücksichtigen (AEAO zu § 53 Nr. 12).

Bei Einrichtungen, bei denen es grundsätzlich vorstellbar ist, dass vergleichbare Leistungen sowohl an bedürftige als auch an nicht bedürftige Personen erbracht werden, ist dies nicht der Fall. Sie müssen sich hinsichtlich der persönlichen Hilfsbedürftigkeit i. S. d. § 53 Nr. 1 AO davon überzeugen und auch dokumentieren, dass derartige Umstände vorliegen. Der Nachweis einer wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit i. S. d. § 53 Nr. 2 AO ist gemäß AEAO zu § 53 Nr. 10 in Form einer Berechnung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge sowie einer Berechnung des Vermögens zu erbringen. Aus Vereinfachungsgründen kann auf diesen Nachweis verzichtet werden, wenn die Leistungsempfänger Leistungen nach dem SGB II, SGB XII, WoGG, § 27a BVG oder nach § 6a BKGG beziehen. In diesem Fall ist eine Ablichtung des Leistungsbescheides oder der Bescheinigung des Sozialleistungsträgers über den Leistungsbezug aufzubewahren (AEAO zu § 53 Nr. 11).

III. Umsatzsteuer

1. Beurteilung der Tafeln

Geben Tafeln Lebensmittel gegen einen Kostenbeitrag ab, führen sie Lieferungen gegen Entgelt aus. Die Lieferungen sind steuerbar. Entscheidungsunerheblich ist, dass das Entgelt nicht dem Wert der Lebensmittel entspricht (Abschnitt 1.1 Abs. 1 Satz 9 UStAE) und dass die Tafeln nicht die Absicht haben, Gewinn zu erzielen (Abschnitt 2.3 Abs. 8 Satz 2 UStAE).

Die Umsätze einer Tafel können umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 18 UStG sein. Betreibt ein in § 23 UStDV genannter Verband eine Tafel, liegt grundsätzlich eine begünstigte Leistung vor. Eine mittelbare Mitgliedschaft in einem amtlich anerkannten Wohlfahrtsverband reicht aus. Das ist der Fall, wenn eine Tafel Mitglied des Bundesverbandes Deutsche Tafel e. V. ist. Denn dieser ist Mitglied des Paritätischen Gesamtverbandes. Ob die weiteren Voraussetzungen nach § 4 Nr. 18 Buchstaben a – c UStG erfüllt sind, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

Steuerpflichtige Lieferungen der Tafeln sind – soweit § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht erfüllt ist – nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Eine Tafel erfüllt gemeinnützige und mildtätige Zwecke und führt ihre Lieferungen im Rahmen eines Zweckbetriebes nach § 66 AO aus (s. Körperschaftsteuer/Gemeinnützigkeit sowie Abschn. 12.9 Abs. 9 UStAE).

Geben Tafeln die Lebensmittel unentgeltlich ab, unterliegt die Abgabe nicht der Umsatzsteuer. Die Abgabe ist keine unentgeltliche Wertabgabe i. S. d. § 3 Abs. 1b UStG, weil den Tafeln aus dem Erwerb der Lebensmittel kein Vorsteuerabzug zugestanden hat.

Erreichen die Umsätze einer Tafel nicht die Grenze von § 19 Abs. 1 UStG, wird die Umsatzsteuer nicht erhoben.

2. Beurteilung der Unternehmer, die Lebensmittel abgeben

Die unentgeltliche Abgabe der Lebensmittel durch Unternehmer an eine Tafel ist einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt (§ 3 Abs. 1b UStG). Bemessungsgrundlage ist der fiktive Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Abgabe (Abschn. 10.6 Abs. 1 Sätze 1 – 3 UStAE). Da die Lebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder Frischwaren wie Obst und Gemüse nicht mehr verkäuflich sind, wird der fiktive Einkaufspreis gegen 0 EUR tendieren .

IV. Gewerbesteuer

Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, sind nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Dieser Wortlaut stimmt mit dem des § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 KStG überein. Die Ausführungen zur Körperschaftsteuer gelten daher entsprechend für die Gewerbesteuer.

V. Spendenabzug

Entscheidungserheblich ist, ob die Lebensmittel im Zeitpunkt der Abgabe an die Tafeln noch einen gewissen Wert (Wiederbeschaffungspreis, momentaner Einkaufspreis beim Großhändler oder Hersteller) haben oder aber bereits wertlos sind.

Im Regelfall geben Unternehmer Lebensmittel an die Tafeln ab, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können (s. Allgemeines), also Waren, die nicht mehr in den normalen Verkauf gelangen. Es handelt sich dabei um für den jeweiligen Unternehmer wertlos gewordene Ware (Schwund, Verderb). Hinsichtlich der Beurteilung, ob es sich bei diesen Warenabgaben um Spenden der Unternehmer handelt, ist zunächst von Sachspenden auszugehen, die aus einem Betriebsvermögen heraus zu steuerbegünstigten Zwecken zugewendet werden. Derartige Entnahmen sind im Rahmen der jeweiligen Gewinnermittlungen grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. § 10b Abs. 3 Satz 2 EStG. Von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber mit dem sog. „Buchwertprivileg” des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG eine Ausnahme geschaffen. Der Unternehmer hat in diesen Fällen also ein Wahlrecht.

Die Tafel hat, wenn sie eine Zuwendungsbestätigung ausstellt, darin unter Berücksichtigung der für Sachspenden geltenden Regeln dementsprechend entweder den Teilwert oder den Buchwert anzusetzen.

Dieses Karteiblatt erscheint in der USt-Kartei, KSt-Kartei, GewSt-Kartei und ESt-Kartei.

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Fundstelle(n):
DStR 2016 S. 2710 Nr. 46
CAAAF-68670