BFH Urteil v. - IX R 2/05 BStBl 2007 II S. 941

Aufwendungen für ein Schadstoff-Gutachten als Werbungskosten

Leitsatz

Aufwendungen für ein Schadstoff-Gutachten, das der Feststellung der durch einen Mieter verursachten Untergrund- und Boden-Verunreinigungen dient, können als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1EStG § 21 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2005, 873) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Das zunächst bis 1953 als Firmensitz einer Bauunternehmung dienende Grundstück der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie der Beigeladenen und Revisionskläger (Beigeladene) wurde danach als betriebseigener Bauhof genutzt. Im Anschluss daran erfolgten ab 1969 Vermietungen an einen Kraftfahrzeug-Zubehörhandel mit Werkstatt und an ein Geschäft für Kleinkrafträder, Rasenmäher und Sägen, das auch Reparaturen durchführte. Die Mieter nutzten „auch die auf dem Grundstück befindliche Tankstelle, wodurch das Grundstück teilweise mit Öl und Benzin verunreinigt worden” war.

Anfang 1993 war vorsorglich ein Schadstoff-Gutachten in Auftrag gegeben worden, das unter Berücksichtigung von Bebauung und Nutzungsgeschichte das Geschäftsgrundstück auf mögliche Kontaminationen des Bodens und der Bausubstanz untersuchen sollte. Das Gutachten wurde im Juni 1993 erstellt; die Kosten in Höhe von ca. 50 000 DM bezahlte die Klägerin im Februar 1994.

Im Oktober 1994 kündigte der letzte Mieter das bestehende Mietverhältnis zu Ende Januar 1995. Seit Februar 1995 hat das Gebäude —bis zu dessen Verkauf— leer gestanden; allerdings bemühte sich die Klägerin noch in den Jahren 1995 und 1996, das Geschäftsgrundstück nach durchzuführender Sanierung mit vollständiger Neubebauung über einen Makler langfristig zu vermieten. Mit Vertrag vom Januar 2000 wurde das Objekt schließlich veräußert.

Die in der Feststellungserklärung 1994 (Streitjahr) als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für das Schadstoff-Gutachten erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht an.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage insoweit ab. Es war der Ansicht, eine direkte Veranlassung aus dem Mietverhältnis (Mietminderung, angedrohte Kündigung wegen Bodenverunreinigung, avisierter Schadensersatzprozess gegen Mieter) habe jedenfalls nicht bestanden. Zudem könne dies letztlich offen bleiben, da Aufwendungen für den Grund und Boden als sofort abzugsfähige Werbungskosten ausschieden.

Mit der Revision rügen die Klägerin und die Beigeladenen die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 i.V.m. § 21 des EinkommensteuergesetzesEStG—).

Sie beantragen sinngemäß,

das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung vom jeweils betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung 1994 aufzuheben und den Feststellungsbescheid 1994 vom dahingehend zu ändern, dass weitere 50 158,86 DM (= 25 645,82 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt unter Verweis auf die Ansicht des FG,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst durch Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat die Aufwendungen für das Schadstoffgutachten zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Revisionskläger berücksichtigt; insoweit sind § 9 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 EStG verletzt.

1. a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. , BFHE 177, 50, BStBl II 1995, 534; vom IX R 24/98, BFH/NV 2002, 904, m.w.N.). Eine „direkte” oder unmittelbare Veranlassung ist entgegen der Ansicht des FG nicht erforderlich, eine mittelbare Veranlassung genügt (h.M.: z.B. Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 8; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz B 194; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 9 Rz 152).

b) Als Werbungskosten abziehbar sind grundsätzlich auch Aufwendungen, die den Grund und Boden betreffen; denn bei der Vermietung von Gebäuden gehört die damit verbundene Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens zum Einkünftetatbestand des § 21 Abs. 1 EStG (vgl. , BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842; vom IX R 99/93, BFHE 179, 96, BStBl II 1996, 89; vom IX R 55/94, BFH/NV 1997, 178, jeweils zu Erschließungskosten). Voraussetzung ist aber, dass die Aufwendungen nicht als (nachträgliche) Anschaffungskosten auf den Grund und Boden anzusehen sind, dass also das Grundstück (der Grund und Boden) —wie im Streitfall— durch die Maßnahme nicht in seiner Substanz oder seinem Wesen verändert wird; nicht entscheidend ist, ob die Maßnahme zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt hat (vgl. vorstehende BFH-Urteile sowie , BStBl II 1991, 448, BFH/NV 1991, 29).

2. Diesen Grundsätzen entspricht das FG-Urteil nicht; es ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Die Aufwendungen für das Schadstoff-Gutachten sind als Werbungskosten bei der Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1994 anzusetzen.

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), die durch das Schadstoffgutachten belegt sind, ist von durch die nutzenden Mieter bedingten Untergrund- und Boden-Verunreinigungen durch Kontamination auszugehen. Damit war der erforderliche wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang i.S. von § 9 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 EStG zur Vermietungstätigkeit der Revisionskläger —auch ohne „Mietminderung, angedrohter Kündigung oder avisiertem Schadensersatzprozess"— gegeben. Nicht entscheidend ist hingegen die vom FG angenommene, mögliche Wertveränderung des Grund und Bodens.

Die nutzungsbedingte Veranlassung der Aufwendungen wurde auch nicht durch die spätere, erst Anfang 2000 erfolgte Grundstücksveräußerung verdrängt oder überlagert (vgl. dazu , BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465; vom IX R 34/03, BFHE 208, 232, BStBl II 2005, 343, m.w.N.). Denn neben der möglichen Veräußerung des Grundstücks war —nach den tatsächlichen Feststellungen des FG— angesichts der projektierten vollständigen Sanierung des Objekts jedenfalls in den beiden Folgejahren auch das ernsthafte und nachhaltige Bemühen um seine Vermietung und damit eine (Mit-)Veranlassung durch die (beabsichtigte) Nutzung der Immobilie gegeben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 941
BB 2007 S. 2502 Nr. 46
BFH/NV 2007 S. 2403 Nr. 12
BStBl II 2007 S. 941 Nr. 19
DB 2007 S. 2459 Nr. 45
DStR 2007 S. 2007 Nr. 45
DStRE 2007 S. 1532 Nr. 23
DStZ 2007 S. 799 Nr. 24
EStB 2007 S. 442 Nr. 12
FR 2008 S. 232 Nr. 5
HFR 2008 S. 36 Nr. 1
NJW 2008 S. 176 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 46/2007 S. 4045
SJ 2007 S. 4 Nr. 24
StB 2007 S. 442 Nr. 12
StBW 2007 S. 2 Nr. 23
StBp. 2007 S. 377 Nr. 12
WPg 2008 S. 41 Nr. 1
BAAAC-61890