Festtantieme als Vergütungsbestandteil des Gesellschafter-Geschäftsführers
Leitsatz
Eine dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zugesagte mehr als 50%ige Gewinnbeteiligung über eine Tantiemevergütung kann gesellschaftsrechtlich veranlasst sein und damit ganz oder teilweise als verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu beurteilen sein. Eine "Festtantieme", die wie der "Sockelbetrag" einer Mindesttantieme letztlich für eine angemessene Mindestausstattung des Geschäftsführers für den Fall eines Verlusts oder eines geringen Gewinns Sorge tragen soll, ist materiell-rechtlich als Festgehalt anzusehen und in die Prüfung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung einzubeziehen. Wird diese Vergütung neben einem monatlichen Gehalt versprochen, liegt in der besonderen Zahlungsmodalität (Fälligkeit mit der Feststellung des Jahresabschlusses) allein kein Hinweis auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist der Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen —vGA— (Vergütung für die Gesellschafter-Geschäftsführer).
Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, sind die zugleich als Geschäftsführer bestellten A und B (Beteiligung jeweils zu 50 v.H.). Nach den Anstellungsverträgen war für das Streitjahr 1995 ein Gehalt von jeweils 96 000 DM versprochen worden.
In einer Gesellschafterversammlung vom war zur Vergütung folgender Beschluss gefasst worden: „Die derzeit festgesetzten Geschäftsführergehälter von DM 8.000,00 bleiben bis auf weiteres bestehen. Für das Jahr 1995 wird eine Tantieme pro Gesellschafter-Geschäftsführer von DM 75.000,00 zusätzlich beschlossen”. „Tantiemen” waren bereits für die Vorjahre angefallen. So wurde am beschlossen, „für 1992 eine weitere Tantieme von 50.000,— DM je Gesellschafter zu zahlen, wenn der Gewinn vor Sonderabschreibungen DM 400.000,00 übersteigt"; am legte die Gesellschafterversammlung Folgendes fest: „Für das Jahr 1993 ff. beschließen die Gesellschafter, den Gesellschafter-Geschäftsführern eine Tantieme zu zahlen. Diese Tantieme beträgt genau wie im Vorjahr DM 50.000,— je Gesellschafter, abweichende Regelungen hiervon werden in einer weiteren Protokollierung einer Gesellschafterversammlung gegebenenfalls festgelegt.” Am wurde „die Tantieme für das Jahr 1994…wie im Vorjahr mit 50.000,— DM festgesetzt. Auch für das Jahr 1994 ist mithin eine Festtantieme von 50.000,00 DM an beide Gesellschafter zu zahlen”.
Der Jahresüberschuss für das Streitjahr beträgt 833 DM. Bei der Ermittlung des Jahresüberschusses war ein Betrag von 449 562 DM als Aufwand (Konto 4850: „ABSCHR.SACHANLAGEN/STL. SO-VORSCHR.”) berücksichtigt worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte bei der Veranlagung des Streitjahres unter Hinweis auf die „Tantiemeverpflichtung” eine Einkommenserhöhung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG— (vGA) in Höhe von 150 000 DM.
Das Sächsische Finanzgericht (FG) hat der Klage durch Urteil vom 4 K 1926/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 436) stattgegeben.
Mit der Revision macht das FA eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die angefochtenen Bescheide wurden während des Revisionsverfahrens (unter dem ) in der Weise geändert, dass die vGA („unangemessene Höhe der Tantieme”) auf einen Betrag von 70 403 DM herabgesetzt wurde.
II. 1. Gegenstand des Verfahrens sind die Änderungsbescheide vom , die gemäß § 127, § 68 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Revisionsverfahren übergeleitet worden sind. Der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das FG bedarf es nicht schon aus diesem Grunde gemäß § 127 FGO, da das FA mit den Änderungsbescheiden dem Klagebegehren weiter gehend stattgegeben hat und im Übrigen die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs unberührt geblieben sind (vgl. Dürr in Schwarz, FGO, § 127 Rz. 4 f., m.w.N.).
2. Das angefochtene Urteil ist jedoch gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die tatrichterlichen Feststellungen zur Angemessenheit der in Rede stehenden Geschäftsführervergütungen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kann eine Vergütung, die eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer leistet, ganz oder teilweise als vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes, zu beurteilen sein (z.B. Senatsurteil vom I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136, m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen einem Fremdgeschäftsführer der GmbH eine entsprechende Vergütung nicht versprochen hätte. In diesem Fall ist die getroffene Vergütungsregelung entweder vollen Umfangs oder zumindest zum Teil durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst worden.
b) Das FG hat die Vergütungsvereinbarung als „gewinnabhängige Tantieme” angesehen und die Frage der Angemessenheit der Vergütung nach der Regelvermutung geprüft, dass „eine mehr als 50%ige Gewinnbeteiligung über eine Tantiemevergütung gesellschaftsrechtlich veranlasst” sein kann, da diese den Grundgedanken einer „hälftigen Teilung des erwirtschafteten Erfolgs zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern” verlasse (Hinweis auf Senatsurteil in BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136, II.6. der Gründe; siehe auch Gosch KStG § 8 Rz. 1253 ff.). Bei dieser Prüfung hat es die Sonderabschreibungen zum Jahresüberschuss hinzugerechnet, da sie mit tatsächlichen wirtschaftlichen Wertverlusten nichts zu tun hätten und sich die vom Gesetzgeber beabsichtigte „Wohltat der Sonderabschreibung” bei den Geschäftsführergehältern nicht zum Nachteil auswirken dürfte.
c) Die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung obliegt grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz. Die Auslegung ist dann in der Revisionsinstanz bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Im Streitfall ist der erkennende Senat an die vom FG gefundene Auslegung der festgestellten vertraglichen Grundlage der Geschäftsführervergütung und die Qualifizierung der Vergütung als gewinnabhängige Tantieme nicht gebunden. Denn diese Auslegung steht mit dem —für die Auslegung maßgebenden— Wortlaut der Vereinbarung („Für das Jahr 1995 wird eine Tantieme pro Gesellschafter-Geschäftsführer von DM 75.000,00 zusätzlich beschlossen”) nicht im Einklang. Auch wenn die in der Gesellschafterversammlung vom beschlossene Grundlage der Zusatzvergütung („Gewinn vor Sonderabschreibungen über 400.000 DM”) herangezogen wird —die in den einzelnen Gesellschafterbeschlüssen für die Vergütung der Folgejahre nicht wiederholt und insbesondere im Vorjahr des Streitjahres auch nicht eingehalten worden war—, wird damit doch nur eine Bedingung für die Fälligkeit der Zusatzvergütung formuliert, keine gewinnabhängige („variable”) Vergütung. Die Parteien der Vergütungsvereinbarung sind vielmehr —wie auch im Gesellschafterbeschluss vom formuliert— von einer „Festtantieme” ausgegangen. Eine solche „Festtantieme”, die wie der „Sockelbetrag” einer Mindesttantieme letztlich für eine angemessene Mindestausstattung des Geschäftsführers für den Fall eines Verlusts oder eines geringen Gewinns Sorge tragen soll, ist nach der Rechtsprechung des Senats materiell-rechtlich als Festgehalt anzusehen (Senatsbeschluss vom I B 66-68/93, BFH/NV 1994, 660; Senatsurteil vom I R 69/01, BFHE 199, 315, BStBl II 2003, 329; Gosch, a.a.O., § 8 Rz. 1275). Wird diese Vergütung neben einem monatlichen Gehalt versprochen, liegt in der besonderen Zahlungsmodalität (Fälligkeit mit der Feststellung des Jahresabschlusses) allein kein Hinweis auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (Senatsbeschluss in BFH/NV 1994, 660).
d) Das FG hat eine allgemeine Prüfung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung (monatliche Vergütung einschließlich etwaiger Zusatzvergütungen; Festtantieme) nach Fremdvergleichsgesichtspunkten nicht vorgenommen. Eine solche Prüfung ist dem Revisionsgericht verwehrt.
3. Das Urteil des FG war daher aufzuheben. Das FG hat nach der Zurückverweisung Gelegenheit, Feststellungen zur Frage der Angemessenheit der Vergütung der Gesellschafter-Geschäftsführer zu treffen. Dabei wird es insbesondere die Ertragslage der Klägerin zu berücksichtigen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 3 Nr. 44
BB 2007 S. 3 Nr. 44
BFH/NV 2006 S. 1711 Nr. 9
EStB 2006 S. 329 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 33/2006 S. 2744
BAAAB-90502