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Haftung des Betriebsübernehmers
I. Definition der Haftung des Betriebsübernehmers
Hat der Veräußerer eines Betriebs bis zur Veräußerung nicht sämtliche Betriebssteuern abgeführt, so kann die Finanzbehörde in gewissem Umfang auch den Erwerber für die aufgelaufenen Steuern in Anspruch nehmen. Die Haftung ist begrenzt auf den Bestand des übernommenen Betriebs (§ 75 AO).
II. Der Haftungstatbestand des § 75 AO (materielles Haftungsrecht)
1. Unternehmen oder gesondert geführter Betrieb
Unternehmen ist jede organisatorische Zusammenfassung von persönlichen und sächlichen Mitteln zur Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks.
Der Begriff des Unternehmens in § 75 AO ist identisch mit dem Begriff des § 2 Abs. 1 UStG. Unter den Unternehmensbegriff fällt daher nicht nur ein Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG, sondern auch ein landwirtschaftlicher Betrieb und das Unternehmen eines Freiberuflers.
Darüber hinaus wird - wegen der Anknüpfung an den umsatzsteuerlichen Unternehmensbegriff - auch die Übereignung steuerpflichtig vermieteter oder verpachteter Grundstücke erfasst, selbst wenn es sich ertragsteuerlich um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt.
Ein gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn ein organisch geschlossener Teil des gesamten Unternehmens mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestattet und für sich allein lebensfähig ist).
Für eine Abgrenzung können herangezogen werden: räumliche Trennung vom Hauptunternehmen, eigene Verwaltung, eigenes Personal, eigene Buchführung, selbstständige Organisation, eigener Kundenstamm, ungleichartige Tätigkeit im Verhältnis zum Hauptunternehmen.
Gegenstand der Übertragung muss ein lebendes Unternehmen/lebender Betrieb sein. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse im Augenblick des Übergangs. Zu diesem Zeitpunkt muss das Unternehmen/der Betrieb so beschaffen sein, dass der Erwerber das Unternehmen/den Betrieb in der bisherigen Art ohne nennenswerte zusätzliche Aufwendungen fortführen kann. Es genügt die Möglichkeit der Fortführung, auf die tatsächliche Fortführung kommt es nicht an.
An einem lebenden Unternehmen/Betrieb fehlt es, wenn der Erwerber erhebliche Investitionen tätigen muss, um das Unternehmen/den Betrieb fortführen zu können.
2. Übereignung im Ganzen
Eine Übereignung liegt vor, wenn das Unternehmen oder der Betrieb dergestalt auf einen anderen übergegangen ist, dass der Erwerber in der Lage ist, wirtschaftlich wie ein Eigentümer darüber zu verfügen; der Begriff der Übereignung setzt nicht voraus, dass eine Eigentumsübertragung nach Privatrecht stattgefunden hat.
Die Übereignung erfolgt im Ganzen, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens/Betriebs übertragen werden.
Auch eine Übereignung in mehreren Akten ist eine Übertragung im Ganzen, wenn die einzelnen Teilakte in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und der Wille auf Erwerb des Unternehmens/Betriebs gerichtet ist. Erforderlich ist, dass zwischen den einzelnen Akten ein zeitlicher und funktioneller Zusammenhang besteht.
Die Gegenstände, die die wesentlichen Betriebsgrundlagen (im funktionellen Sinn) des Unternehmens/Betriebs ausmachen, müssen auf eine Person oder Personengruppe übertragen werden; Einzelveräußerungen an verschiedene Personen stellen keine Übereignung i.S.d. § 75 AO dar.
3. Erwerber
Erwerber des Unternehmens ist, wem die für das Unternehmen oder den Betrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter i.S.d. § 39 AO zuzurechnen sind. Gemäß § 39 AO ist dies der zivilrechtliche, vorrangig jedoch der wirtschaftliche Eigentümer.