BMF - III C 4 - S 6400/19/10002 :002

Versicherungsteuer bei Garantien

Ihre Eingabe vom zum

Bezug: BStBl 2021 I S. 781

Bezug: BStBl 2021 II S. 461

Bezug:

Sehr geehrter Herr ...,

zu den in Ihrem Schreiben aufgeworfenen Fragen verweise ich im Wesentlichen auf die als Anlage beigefügten Erläuterungen zum BMF-Schreiben. Darin werden insbesondere

  • die Begriffe der „Entgeltlichkeit“ und des Vollwartungsvertrages erläutert,

  • die mit einem Produkt verbundene und im Kaufpreis mit abgegoltene Herstellergarantie von einer Garantie gegen gesondertes Entgelt abgegrenzt sowie

  • die im Versicherungsteuerrecht nicht mögliche Unterscheidbarkeit zwischen Geldleistung und Naturalleistung als Versicherungsleistung dargestellt, die im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGHs zum Versicherungsumsatz steht und zu entsprechenden Schlussfolgerungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des sog. Kombinationsmodells führt.

Ergänzend bemerke ich Folgendes:

Zu Pkt. 2. Ihres Schreiben - Sachleistung

Aus der Selbständigkeit eines gegen gesondertes Entgelt abgegebenen Garantieversprechens neben dem Verkauf der Ware, auf die sich die Garantie bezieht, und aus der einheitlichen Behandlung von Geldleistung und Naturalleistung im Versicherungsteuerrecht ergibt sich, dass auf Reparatur (Naturalleistung) gerichtete Garantieversprechen nicht anders behandelt können als solche, die auf Reparaturkostenersatz (Geldleistung) gerichtet sind. In beiden Fällen wird das den Käufer treffende Risiko übernommen, einen etwaigen (von den Garantiebedingungen gedeckten) Schaden auf eigene Kosten beseitigen lassen zu müssen.

Zu Pkt. 6. Ihres Schreibens - Abgrenzung zum EU-Recht

Aus der „Mapfre-Entscheidung“ des EuGHs lassen sich keine Rückschüsse ziehen, die den Regelungen des BMF-Schreibens entgegenstehen würden. Die Ausführungen in Rn. 36 des , dienen der Prüfung, ob zwischen dem Versicherten (Fahrzeugerwerber/Garantienehmer) und dem Versicherer die rechtliche Beziehung besteht, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich ist, um eine Leistung als „Versicherungsumsatz“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie ansehen zu können (vgl. Rn. 40 des Urteils). Zu der Frage der umsatzssteuerlichen Behandlung von Garantien, die vom Händler gewährt werden, hat der EuGH in dieser Entscheidung keine Ausführungen gemacht (vgl. Rn. 45, 46).

Der BFH hat sich in der dem BMF-Schreiben zu Grunde liegenden Entscheidung vom - XI R 16/17 - ausgiebig mit der Rechtsprechung des EuGH zum Versicherungsumsatz auseinandergesetzt, die Selbständigkeit eines gegen gesondertes Entgelt abgegebenen Garantieversprechens gegenüber dem Kaufvertrag herausgestellt sowie auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug genommen, wonach die Leistung, zu deren Erbringung im Versicherungsfall der Versicherer sich verpflichtet, nicht in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen muss, sondern auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen bestehen kann (BFH a. a. O., Rn. 38 m.w.N.).

Zu 5. Konzernunternehmen

Die Frage, von wem ein Händler Deckung für den Fall seiner Inanspruchnahme aus einem - gegen gesondertes Entgelt abgegebenen - Garantieversprechen erhält, ist für die Annahme eines Rückversicherungsverhältnisses irrelevant. Dies kann z. B. der Hersteller, eine mit dem Hersteller konzernmäßig verbundene andere Gesellschaft oder ein klassisches Versicherungsunternehmen. Voraussetzung ist stets, dass der Händler selbst gegenüber dem Kunden zu einer Garantieleistung (Geld- oder Naturalleistung) verpflichtet ist.

Zur Übergangsregelung

Abschließend kann ich Ihnen mitteilen, dass dem von mehreren Verbänden dargestellten Umstellungsaufwand bei garantiegewährenden Händlern durch eine letztmalige Verlängerung der Übergangsregelung des BMF-Schreibens bis zum Rechnung getragen worden ist.

Mit freundlichen Grüßen

...

Erläuterungen zum Garantiezusage eines Kfz-Händlers als Versicherungsleistung –

1. Zweck

Der entschieden, dass eine entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers, im Garantiefall eine Geldleistung zu erbringen, eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG darstellt, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist.

Im Fachschrifttum wurde daraufhin die Frage aufgeworfen, wie Sachverhalte zu beurteilen sind, in denen statt einer Geldleistung eine Reparatur versprochen wird, oder dem Kunden ein Wahlrecht zwischen einer Reparatur durch den Händler oder einem Reparaturkostenersatz gegenüber einem Versicherungsunternehmen eingeräumt wird. Diese Fragen beantwortet das BMF-Schreiben nunmehr umfänglich.

Das beschränkt sich dabei bewusst nicht auf die Wiedergabe des reinen Inhalts der diesen Fragestellungen zu Grunde liegenden BFH-Entscheidung vom , XI R 16/17, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch die zu dieser Thematik bereits ergangene Rechtsprechung des BFH. Die sich aus dieser Gesamtschau ergebenden zwingenden Schlussfolgerungen beziehen sich daher nicht nur auf den aktuell und konkret entschiedenen Einzelfall, sondern gelten allgemein und müssen daher auch auf von diesem Einzelfall abweichende Sachverhalte angewendet werden.

2. Schlussfolgerung

Im Versicherungsteuerrecht wird nicht unterschieden zwischen Versicherungsleistungen, die in einer Geldleistung (z. B. Reparaturkostenersatz) oder in eine Naturalleistung (z. B. Reparatur) bestehen. Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH zum Versicherungsumsatz, wonach die Leistung, zu deren Erbringung sich der Versicherer im Versicherungsfall verpflichtet, nicht in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen muss, sondern auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen bestehen kann. Hierauf hat auch der BFH in der besagten Entscheidung hingewiesen.

Dies führt zwingend zu der Schlussfolgerung, dass ein Garantieversprechen gegen gesondertes Entgelt, im Garantiefall eine Naturalleistung (Reparatur) zu erbringen, nicht anders behandelt werden kann als ein Garantieversprechen, im Garantiefall eine Geldleistung zu erbringen. Diese Schlussfolgerung zieht das BMF-Schreiben in Ziff. I. 1 a.

3. Folgen für das sog. Kombinationsmodell

Für das sogenannte Kombinationsmodell, bei dem dem Käufer/Garantienehmer im Garantiefall ein Wahlrecht eingeräumt wird, entweder die Reparatur durch seinen Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder die Reparatur bei einer anderen Werkstatt durchführen und sich die Kosten von einem Versicherungsunternehmen erstatten zu lassen (Reparaturkostenersatz), folgt hieraus, dass zwei voneinander unabhängige Versicherungsverhältnisse vorliegen, eines im Verhältnis zwischen Käufer und Händler, eines zwischen Händler und Versicherer. Kombiniert werden mithin zwei Versicherungsleistungen. Diese versicherungsteuerrechtliche Bewertung ist vorgreiflich und muss im Umsatzsteuerrecht im Hinblick auf die dortigen Steuerbefreiungsregelungen (§ 4 Nr. 10 Buchst. a und b UStG) nachvollzogen werden.

Demgegenüber ist die vom BFH im Jahre 2010 vertretene Auffassung, wonach es sich beim Kombinationsmodell um eine sonstige Leistung eigener Art i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG handele, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die - gem. § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie - Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers (Garantie) geprägt sei, als überholt anzusehen. Sie ist ersichtlich von der Ansicht geprägt, die „Einstandspflicht“ des Verkäufers/Garantiegebers sei gegenüber einer versicherungsvertraglichen Verpflichtung ein aliud.

In dem Urteil vom führt der BFH zutreffend aus, dass das vom Händler übernommene fremde Risiko bzw. Wagnis in den dem Käufer im Fall eines von der Garantie erfassten Defekts entstehenden Reparaturkosten besteht. Dieses Risiko hat der Händler insoweit übernommen, als dieser aufgrund der Garantie zu Kostenersatz verpflichtet ist. Dieses Risiko wird (vom Händler) aber auch in dem Fall übernommen, wenn der Händler aufgrund der Garantie zur Reparatur verpflichtet ist.

Gerade aus Sicht des Durchschnittskunden besteht der Wert einer Garantie darin, dass er im Garantiefall die mit einer notwendigen Reparatur verbundenen Kosten nicht zu tragen hat, er also keinen finanziellen Schaden erleidet. Ob diese Kostenentlastung durch eine Erstattung der Reparaturkosten (Geldleistung) oder mittels einer (kostenlosen) Reparatur durch den Garantiegeber (Naturalleistung) erreicht wird, ist für ihn nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es ihm darauf an, ob der Garantiegeber Reparaturkosten selbst zu erstatten hat oder ihm einen entsprechenden Anspruch gegen ein Versicherungsunternehmen mittels Versicherungsvertrag für fremde Rechnung verschafft.

4. Begriffsbestimmungen

a) Entgeltliches Garantieversprechen

Den Ausführungen der Entscheidung des ist zu entnehmen, dass mit dem Begriff eines entgeltlichen Garantieversprechens ein solches gemeint ist, für das der Garantiegeber ein gesondertes Entgelt verlangt. Der Händler schließt in diesem Fall zwei gesonderte Verträge ab, den Kaufvertrag und gegen gesondertes (zusätzliches) Entgelt die - auch nur optional zu erwerbende - Garantievereinbarung.

Hiervon abzugrenzen ist der Verkauf einer mit Garantie bereits ausgestatteten Ware, bei der die (Mehr-)Kosten der von vornherein eingeräumten Garantie im Verkaufspreis enthalten sind. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Ware ausschließlich „inklusive Garantie“ angeboten wird und dem Kunden keine Möglichkeit eröffnet wird, die Ware „ohne Garantie“ preiswerter zu erwerben.

b) Vollwartungsvertrag

Ein Vollwartungsvertrag ist ein Vertrag, bei dem der Händler oder ein Dritter verspricht, die Funktionalität der Ware während der insoweit vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit umfassend zu erhalten. Ein solcher Vertrag umfasst neben Wartungs- und Inspektionspflichten auch die Pflicht des Händlers, defekte oder vor einem Defekt stehende (Verschleiß-)Teile auszutauschen. Mit der regelmäßigen Inspektion und Wartung sowie dem rechtzeitigen Austausch von Teilen soll eine Störung/ein Ausfall verhindert werden. Gezahlt wird hierfür auf Basis eines eigenständigen Vertrages ein Pauschalpreis, mit dem die regelmäßige Inspektion, Wartung und auch Austauschteile abgegolten werden, wobei die dem Vollwartungsvertrag zu Grunde liegenden Entgeltvereinbarungen mit Anpassungsklauseln sowie mit Sonderregelungen für außergewöhnlich teure Reparaturen/Ersatzteile versehen sein können.

Mit der Vollwartung soll der Realisierung eines Risikos aktiv entgegengewirkt werden. Hauptgegenstand der Leistung ist die Risikominimierung. Es soll die Betriebsbereitschaft (z. B. einer Maschine oder einer Anlage) zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden. Eine im Rahmen oder aus Anlass des Abschlusses eines Vollwartungsvertrags vom Vollwartungsverpflichteten eingeräumte Garantie ist auf eine Beseitigung der Störung bzw. des Schadens gerichtet, der durch die Vollwartung gerade verhindert werden sollte.

c) Händlergarantien

Händlergarantien sind solche, für die der Händler gegenüber dem Kunden einzustehen hat.

d) Herstellergarantie

Herstellergarantien sind solche, für die der Hersteller gegenüber dem Erwerber einzustehen hat.

e) Verlängerung der Herstellergarantie gegen gesondertes Entgelt

Mit der vertraglichen Verlängerung der Herstellergarantie gegen gesondertes Entgelt wird ein Versicherungsverhältnis zwischen dem Kunden/Erwerber und dem Hersteller begründet. Versicherer ist der Hersteller.

Erfolgt die Garantie“verlängerung“ durch den Händler im eigenen Namen, wird der Händler Versicherer, denn Versicherer ist, wer dem Kunden zivilrechtlich aus der „verlängerten“ Garantie verpflichtet ist. Es handelt sich in einem solchen Fall nicht um eine Verlängerung der Herstellergarantie, sondern um eine eigenständige Garantie des Händlers, auch wenn der Inhalt der Garantie identisch ist.

5. Entfallender Vorsteuerabzug

Die im BMF-Schreiben unter Ziff. II dargestellten Folgen für den Vorsteuerabzug sind die zwingenden gesetzlichen Konsequenzen aus der geänderten Einordnung der Garantien als umsatzsteuerfreie Leistung. Vorsteuern, die im Zusammenhang mit diesen Ausgangsumsätzen stehen, sind nicht abzugsfähig. Allgemeingültige Regelungen hierzu ergeben sich insbesondere aus Abschn. 15.12, 15.16 und 15.17 Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Wenn eine direkte Zuordnung der Eingangsleistung zu bestimmten Ausgangsumsätzen möglich ist, sind die Vorsteuern abhängig von der Art des Ausgangsumsatzes in vollem Umfang abzugsfähig oder in vollem Umfang nicht abzugsfähig. Wenn die Eingangsumsätze sowohl mit zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen als auch mit den umsatzsteuerfreien Garantieleistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind sie nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Diese Aufteilung kann im Wege einer sachgerechten Schätzung, hilfsweise – wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist – nach dem Verhältnis der Umsätze erfolgen (§ 15 Abs. S. 2 und 3 UStG). Die gesetzlichen Erleichterungen bei der Aufteilung der Vorsteuern nach § 43 UStDV sind vorliegend nicht einschlägig.

6. Optionen für Händler

Die in dem o. g. BMF-Schreiben aufgezeigten versicherungsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Konsequenzen treten ein, wenn der Händler gegen gesondertes Entgelt Garantieversprechen im eigenen Namen abgibt.

Dem Bedarf des Kunden an Absicherung und einem Bedürfnis des Händlers, die Ware durch eine Garantie aufzuwerten, kann - mit dem Ziel, diese Konsequenzen und die damit einhergehenden Folgewirkungen zu vermeiden - aber auch auf andere Weise als durch ein Garantieversprechen des Händlers gegen gesondertes Entgelt entsprochen werden.

a) Verkauf einer mit Garantie ausgestatteter Ware

Siehe hierzu die Ausführungen unter 4.a).

b) Verschaffung oder Vermittlung von Versicherungsschutz eines Versicherungsunternehmens durch den Händler

Insbesondere Händler, die sich bisher gegen die Inanspruchnahme aus einem Garantieversprechen bei einem Versicherungsunternehmen „rück“versichert haben, könnten dazu übergehen,

  • entweder dem Kunden eine Versicherung mit einem Versicherungsunternehmen zu vermitteln, wobei eine direkte vertragliche Beziehung (nur) zwischen dem Kunden und dem Versicherungsunternehmen entsteht,

  • oder dem Kunden durch eine im eigenen Namen abgeschlossene Versicherung für fremde Rechnung (ggf. auch in Form eines Gruppenversicherungsvertrages) Versicherungsschutz als versicherter Person zu vermitteln.

    In beiden genannten Fällen treffen die versicherungsteuerrechtlichen Pflichten das Versicherungsunternehmen, das im Garantiefall die Kosten der Reparatur (inkl. Umsatzsteuer) zu übernehmen hat.

BMF v. - III C 4 - S 6400/19/10002 :002

Fundstelle(n):
BAAAJ-22363