BAG Urteil v. - 6 AZR 475/21

Stufenzuordnung nach TV-L bei Einstellung

Leitsatz

Einschlägige Berufserfahrung iSv. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L kann bei Aufbaufallgruppen auch in einer niedrigeren Entgeltgruppe erlangt werden, wenn die höhere Bewertung der Tätigkeit nach der Wiedereinstellung aus der bloßen Erhöhung des Zeitanteils eines Arbeitsvorgangs resultiert.

Gesetze: § 16 Abs 2 S 2 TV-L, § 12 TV-L, § 16 Abs 3 S 1 TV-L

Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 9 Ca 1869/19 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 345/20 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Berufserfahrung, die die Klägerin während ihrer Vorbeschäftigung bei dem beklagten Freistaat erworben hat, im Rahmen der Stufenzuordnung bei ihrer erneuten Einstellung zu berücksichtigen ist.

2Die Klägerin ist seit dem ohne zeitliche Unterbrechung bei dem Beklagten als Sachbearbeiterin im Bereich Weiterbildung an der Technischen Universität D tätig.

3Bis zum lagen der Beschäftigung der Klägerin fünf jeweils befristete Arbeitsverträge zugrunde. Sie war in Teilzeit mit einem Anteil von zunächst 40 % und später 62,5 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt. Laut den Tätigkeitsbeschreibungen des Beklagten vom und vom waren der Klägerin bis zum folgende Tätigkeiten übertragen:

4Zum wurde die Klägerin unbefristet eingestellt. Die ihr nunmehr übertragene Tätigkeit verlangt eine „hochschuldidaktische Zusatzqualifikation“. Die Klägerin hat eine solche im Jahr 2015 erworben. Die vom Beklagten am erstellte „Tätigkeitsbeschreibung und -bewertung“ lautet wie folgt:

5Auf alle Arbeitsverhältnisse der Parteien fanden bzw. finden aufgrund vertraglicher Inbezugnahme die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach § 15 Abs. 1 TV-L erhalten die Beschäftigten monatlich ein Tabellenentgelt. Dessen Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, welche sich aus der Eingruppierung nach § 12 Abs. 1 TV-L iVm. der Entgeltordnung (Anlage A zum TV-L) ergibt, und der Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppe.

6Bis zum , dh. im Rahmen der befristeten Arbeitsverhältnisse, vergütete der Beklagte die Klägerin nach Entgeltgruppe 10 TV-L. Seit dem erhält die Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TV-L. Der Entgeltgruppe 11 TV-L unterfallen nach § 12 Abs. 1 TV-L iVm. Anlage A Teil I zum TV-L ua. Beschäftigte im Bürodienst, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 1 TV-L heraushebt. Demgegenüber sind in die Entgeltgruppe 10 TV-L Beschäftigte im Bürodienst eingruppiert, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 1 TV-L heraushebt. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die unter Nr. 1.1 bzw. Nr. 1 der Tätigkeitsbeschreibungen angeführte Tätigkeit „Konzeption der Weiterbildungsangebote und inhaltliche Vorgaben zu den zu vermittelnden Themen“ sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 1 TV-L heraushebt. Aufgrund des Anwachsens des Zeitanteils dieser Tätigkeit von 35 % auf 50 % der Gesamttätigkeit war die Klägerin demnach zum in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 4 TV-L).

7Die Stufenzuordnung bei einer Einstellung bestimmt sich nach § 16 TV-L. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

8Der Beklagte hält hinsichtlich der Stufenzuordnung der Klägerin ab dem die Stufe 1 der Entgeltgruppe 11 TV-L für zutreffend. Ab April 2018 erhielt die Klägerin dementsprechend eine Vergütung nach Stufe 2 dieser Entgeltgruppe. Seit April 2020 wird sie nach deren Stufe 3 vergütet. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, ihre in den befristeten Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung sei nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L anzurechnen. Dies führe zu einer Zuordnung zur Stufe 3 bereits ab dem .

9Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und einer solchen nach Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TV-L vom bis zum in unstreitiger Höhe verlangt. Zudem sei festzustellen, dass sie seit dem nach Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV-L zu vergüten sei.

10Die Klägerin hat behauptet, sie habe während ihrer befristeten Vorbeschäftigungen einschlägige Berufserfahrung erworben, welche ihr die Ausführung der ab dem vorzunehmenden Tätigkeiten ohne Einarbeitung ermöglicht habe. Die für die Zeit ihrer befristeten Beschäftigungen durch den Beklagten erstellten Tätigkeitsbeschreibungen stimmten mit der für die Zeit ab dem erstellten Tätigkeitsbeschreibung bis auf die unter Nr. 3 angeführte Tätigkeit inhaltlich überein. Lediglich die Zeitanteile seien geändert worden. Inhaltlich entspreche ihre nunmehrige Tätigkeit praktisch der bisherigen.

11Die Klägerin hat zusammengefasst zuletzt beantragt,

12Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe während ihrer befristeten Vorbeschäftigung keine einschlägige Berufserfahrung iSv. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L erworben. Die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten als einschlägige Berufserfahrung setze grundsätzlich voraus, dass die frühere Tätigkeit bezogen auf die Eingruppierung gleichwertig gewesen sei. Eine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gebe es nicht. Die Tätigkeit, die die Klägerin bis zum in der Entgeltgruppe 10 TV-L ausgeübt habe, entspreche ihrer Wertigkeit nach nicht der Tätigkeit, die sie seit dem in der Entgeltgruppe 11 TV-L zu verrichten habe.

13Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.

Gründe

14Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat seit dem einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TV-L und seit dem nach Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV-L. Sowohl die bezüglich der Entgeltdifferenzen für die Zeit vom bis zum erhobene Leistungsklage als auch die auf die Folgezeit bezogene Feststellungsklage sind daher begründet. Der nur für den nicht eingetretenen Fall des Unterliegens mit der Leistungsklage gestellte Hilfsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an.

151. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Regelungen des TV-L auf das mit Wirkung zum begründete Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Vereinbarung Anwendung finden und sich die Höhe der Vergütung der Klägerin demzufolge nach den tariflichen Vorgaben richtet. Die Klägerin ist aufgrund des geänderten Zuschnitts ihrer Tätigkeit seit ihrer unbefristeten Wiedereinstellung ebenfalls unstreitig nach Entgeltgruppe 11 TV-L zu vergüten (§ 12 Abs. 1 TV-L iVm. Anlage A Teil I zum TV-L).

162. Die allein streitbefangene Stufenzuordnung nach der Wiedereinstellung der Klägerin zum richtet sich nach § 16 Abs. 2 TV-L. Bei der Wiederbegründung eines Arbeitsverhältnisses handelt es sich um eine Einstellung im Sinne dieser Tarifnorm. Die Tarifvertragsparteien haben nicht zwischen Neueinstellungen und Wiedereinstellungen unterschieden (vgl. zu § 16 Abs. 2 TV-L:  - Rn. 17 ff.; - 6 AZR 1088/12 - Rn. 24; - 6 AZR 964/11 - Rn. 15 ff.; - 6 AZR 524/11 - Rn. 8 ff., BAGE 144, 263; zu § 16 Abs. 2 TVöD-AT (VKA):  - Rn. 35, BAGE 151, 263; - 6 AZR 382/09 - Rn. 17 ff.; zu § 16 Abs. 2 TVöD-V  - Rn. 11; vgl. auch Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L § 16 Stand Juli 2016 Rn. 19; Günther in Sponer/Steinherr TV-L § 16 Stand August 2015 Rn. 3; Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 3. Aufl. § 24 Rn. 24.8).

173. Die Klägerin war gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L bei ihrer Einstellung zum der Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 TV-L zugeordnet, weil sie in den vorangegangenen, mit dem Beklagten bestehenden befristeten Arbeitsverhältnissen seit dem einschlägige Berufserfahrung erworben hatte. Deren tariflich vorgeschriebene Anrechnung führt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L zur Zuordnung in Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 TV-L zum Zeitpunkt der Einstellung.

18a) Entgegen der Auffassung der Revision setzt das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung iSv. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L nicht kumulativ voraus, dass der Beschäftigte vor seiner erneuten Einstellung in derselben Entgeltgruppe eingruppiert war und wegen seiner Berufserfahrung keine Einarbeitungszeit benötigt. Für das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung ist vielmehr allein maßgeblich, ob die frühere Tätigkeit fachliche Anforderungen gestellt hat, welche den Entfall einer Einarbeitungszeit erwarten lassen. Das ist regelmäßig nicht nur dann der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird, sondern auch dann, wenn sie gleichartig war und zwischen früherer und nunmehriger Tätigkeit eine eingruppierungsrechtliche Gleichwertigkeit besteht. In beiden Konstellationen ist jedoch keine Identität der Eingruppierung erforderlich.

19aa) Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L ist einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. Der Beschäftigte muss also in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübende Tätigkeit erforderlich und prägend ist und ihm damit weiterhin zugutekommt (zu § 18 Abs. 3 TV-BA aF vgl.  - Rn. 19). Das ist nach dem hinter dem Stufensystem des TV-L stehenden Leistungsgedanken der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war ( - Rn. 18 mwN).

20bb) Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass der Senat wiederholt ausgeführt hat, dies setze grundsätzlich voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt habe, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspreche, die er nach seiner Einstellung auszuüben habe (vgl. bereits  - Rn. 23). Das Entgeltsystem des TV-L gehe davon aus, dass es keine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gibt. Nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien versetze die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Beschäftigten nur dann in die Lage, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, wenn die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdecke und deshalb einschlägig sei ( - Rn. 18 mwN).

21cc) Hieraus ist entgegen der Auffassung der Revision aber nicht zu schließen, dass einschlägige Berufserfahrung nur in derselben Entgeltgruppe erworben werden kann. Dies hat der Senat bereits klargestellt und hält daran fest.

22(1) Die Beurteilung, ob einschlägige Berufserfahrung vorliegt, bezieht sich stets auf die in Aussicht genommene Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber. Bei dieser Prüfung ist ein tätigkeitsbezogener Vergleich zwischen den in der Vergangenheit erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten mit den nach der Einstellung künftig zu bewältigenden Aufgaben erforderlich. Diese eigenständige Prüfung weist nur bezüglich der Wertigkeit der zu vergleichenden Tätigkeiten einen Bezug zum Eingruppierungsrecht auf. Im Übrigen ist Beurteilungsmaßstab allein der Vergleich der fachlichen Anforderungen der bisherigen und der nunmehr auszuübenden Tätigkeit ( - Rn. 32 mwN; BeckOK TV-L/Felix Stand TV-L § 16 Rn. 70d). Eine eingruppierungsrechtlich geprägte Betrachtung wird dem Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L, der den Entfall einer Einarbeitungszeit honoriert, nicht gerecht. Entscheidend ist, dass der Beschäftigte unmittelbar nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann ( - Rn. 35 mwN). Das Vorhandensein einschlägiger Berufserfahrung indiziert nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien bei typisierter Betrachtung, dass eine Einarbeitungszeit entfallen wird. Ob sich diese Erwartung tatsächlich erfüllt oder ob trotz der Berufserfahrung im Einzelfall tatsächlich eine (längere) Einarbeitung erforderlich ist, ist für die Stufenzuordnung ohne Belang. Die Rechtsfolge der Anrechnung wird allein durch das Vorliegen einer mindestens einjährigen einschlägigen Berufserfahrung als Tatbestandsvoraussetzung ausgelöst. Es kommt daher nicht auf die persönlichen Fähigkeiten des Beschäftigten, die trotz fehlender einschlägiger Berufserfahrung zu einer kurzen Einarbeitungszeit führen können, an (vgl.  - zu II 2 b cc der Gründe).

23(2) Im Gegensatz zum Eingruppierungsrecht ist die zeitliche Zusammensetzung der früheren Tätigkeit für das Stufenzuordnungsrecht nicht von entscheidender Bedeutung. Erhöht sich nur der Zeitanteil einer bereits zuvor ausgeübten Tätigkeit und führt das eingruppierungsrechtlich zu einer höheren Entgeltgruppe, liegt darum grundsätzlich einschlägige Berufserfahrung auch in der neuen Entgeltgruppe vor.

24(a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L ist die/der Beschäftigte in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist nach § 12 Abs. 1 Satz 4 TV-L der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

25(b) Für die Prüfung des Vorliegens einschlägiger Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung kommt es hingegen nicht darauf an, ob in der alten und neuen Entgeltgruppe zeitlich mindestens zur Hälfte gleichwertige Arbeitsvorgänge anfallen. Die Stufenzuordnung stellt nicht auf Arbeitsvorgänge ab. Auch ein zeitlicher Vergleich der Tätigkeitsbestandteile ist § 16 Abs. 2 TV-L grundsätzlich fremd (aA wohl Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L § 16 Stand Juli 2016 Rn. 43). So gibt § 16 Abs. 2 TV-L keinen zeitlichen Mindestbeschäftigungsumfang für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten vor ( - Rn. 20, BAGE 148, 1). Grundsätzlich können darum auch eine mit weniger als der Hälfte der regulären Arbeitszeit ausgeübte Vorbeschäftigung oder weniger als die Hälfte der bisherigen Tätigkeit einnehmende Aufgaben einschlägige Berufserfahrung iSv. § 16 Abs. 2 TV-L vermitteln. Es muss dann im Einzelfall beurteilt werden, ob der zeitliche Umfang der Vorbeschäftigung oder Aufgaben so gering war, dass der Erwerb einschlägiger Berufserfahrung nicht mehr angenommen werden kann, weil das volle Spektrum der Anforderungen der neuen Tätigkeit nicht abgebildet worden ist ( - Rn. 35 mwN; zur Teilzeitbeschäftigung vgl.  - Rn. 27 ff., aaO).

26(3) Dementsprechend kann bei Aufbaufallgruppen einschlägige Berufserfahrung auch in einer niedrigeren Entgeltgruppe erlangt werden, wenn die höhere Bewertung der neuen Tätigkeit allein daraus resultiert, dass der Zeitanteil eines Arbeitsvorgangs gestiegen ist. Aufbaufallgruppen liegen vor, wenn das Tätigkeitsmerkmal ein „Herausheben“ aus dem in Bezug genommenen Tätigkeitsmerkmal der niedrigeren Entgeltgruppe durch eine zusätzliche Anforderung ausdrücklich vorsieht ( - Rn. 37). Diese Anforderung kann sich auf den Anteil der Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals bezogen auf die Gesamttätigkeit beziehen. Steigert sich der Anteil zB von Tätigkeiten mit besonderer Schwierigkeit und Bedeutung, rechtfertigt dies - ggf. ab einem bestimmten zeitlichen Schwellenwert - eine höhere Eingruppierung. Dessen ungeachtet kann die Verrichtung solcher qualifizierten Tätigkeiten bereits in der niedrigeren Entgeltgruppe die einschlägige Berufserfahrung vermitteln, welche nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien eine Einarbeitungszeit in der höheren Entgeltgruppe entfallen lassen wird. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Zeitanteil der qualifizierten Tätigkeit bisher so gering war, dass er nicht die gesamte inhaltliche Breite der nunmehr geforderten Heraushebungstätigkeit abdeckte (sh.o. Rn. 25).

27(4) Dieses vom Eingruppierungsrecht gelöste Verständnis der einschlägigen Berufserfahrung gebietet auch der Umstand, dass nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L einschlägige Berufserfahrung auch in Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern erworben werden kann, die einem von den Bewertungsgrundsätzen des TV-L abweichenden Entgeltsystem unterfallen. Eine solche Vorbeschäftigung kann qualitativ dennoch im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdecken und deshalb einschlägig sein ( - Rn. 19; vgl. auch  - Rn. 22). Ebenso verhält es sich bei einer Änderung der Eingruppierungsregeln durch die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes.

28b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehe einer Zuordnung der Klägerin in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 TV-L ab dem entgegen, weil sie vorher in die Entgeltgruppe 10 TV-L eingruppiert war. Dies beruht auf einem Missverständnis der dargestellten Rechtsprechung. Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht aber richtig entschieden, wenn auch in vermeintlicher Divergenz zur Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 205/20 -).

29aa) Die Bewertung des Berufungsgerichts, ob einschlägige Berufserfahrung vorliegt, kann als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände in sich widerspruchsfrei berücksichtigt hat ( - Rn. 20).

30bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass sich die Tätigkeit der Klägerin seit dem gegenüber der Zeit davor inhaltlich im Wesentlichen nicht verändert habe. Die Klägerin sei nach wie vor als Sachbearbeiterin Weiterbildung im Sachgebiet 8.5 der Technischen Universität beschäftigt. Die höhere Vergütung aus der Entgeltgruppe 11 TV-L resultiere allein daraus, dass sich der zeitliche Anteil der Tätigkeiten, die sich nach übereinstimmender Ansicht der Parteien durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 1 TV-L herausheben, von 35 % auf 50 % erhöht habe. Allein die Veränderung der Zeitanteile der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten erfordere jedoch keine neue Einarbeitung. Die in der Vergangenheit von der Klägerin mit einem Zeitanteil von 35 % ausgeübte Tätigkeit im Bereich der Konzeption von Weiterbildungsangeboten vermittle die erforderliche einschlägige Berufserfahrung für die gleiche ab dem mit einem erhöhten Zeitanteil von 50 % auszuübende Tätigkeit. Der Beklagte habe auch nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin unmittelbar nach ihrer Einstellung zum ihre Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen konnte.

31cc) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision verfangen im Ergebnis nicht.

32(1) Wie dargelegt, steht die bis zum niedrigere Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 TV-L für sich genommen der Anrechnung der Berufserfahrung nicht entgegen. Die höhere Eingruppierung ab dem resultiert allein aus dem Umstand, dass der zeitliche Anteil der Tätigkeit zu Nr. 1 („Konzeption der Weiterbildungsangebote“) auf 50 % der Gesamttätigkeit erhöht und damit der für die Entgeltgruppe 11 der Anlage A Teil I zum TV-L erforderliche zeitliche Anteil des Hervorhebungsmerkmals erfüllt wurde. Wie dargelegt, kann die frühere Tätigkeit in einer solchen Aufbaufallgruppe, in der bereits das Heraushebungsmerkmal nicht nur mit einem unwesentlichen Zeitanteil erfüllt wurde, die einschlägige Berufserfahrung für die neue Tätigkeit vermitteln. Damit wird entgegen der Auffassung der Revision nicht bezogen auf andere Entgeltgruppen mit zweierlei Maß gemessen. Entscheidend ist immer der tätigkeitsbezogene Vergleich der vorherigen und der aktuellen Beschäftigung in ihrer Gesamtheit, nicht die Eingruppierung als solche.

33(2) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht diesbezüglich von einer im Wesentlichen unveränderten Tätigkeit ausgeht. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die zitierten Tätigkeitsbeschreibungen Unterschiede in den fachlichen Anforderungen ausweisen. Dies betrifft aber nur Änderungen im Detail. So wird seit dem die auf 50 % der Gesamtarbeitszeit angewachsene Tätigkeit „Konzeption der Weiterbildungsangebote“ zum Teil nunmehr auch in englischer Sprache verlangt und die Tätigkeit „fachlich-methodische Begleitung, Evaluation, Qualitätssicherung“ ist unter Nr. 3 mit einem Zeitanteil von 10 % neu hinzugekommen. Im Übrigen blieben die Tätigkeiten aber inhaltlich unverändert, auch wenn sie wie die Beratung der wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen zu Weiterbildungsmöglichkeiten (bisher Nr. 1.1, nunmehr Nr. 4) und die inhaltliche Koordination der Zusammenarbeit mit dem Hochschuldidaktik Zentrum Sachsen (bisher Nr. 2, nunmehr Nr. 5) in der Stellenbeschreibung eine neue Zuordnung erfahren haben. In der Gesamtschau ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass bei Einstellung der Klägerin zu erwarten war, dass sie wegen der lediglich geringfügigen Änderung ihrer Tätigkeiten ihre Arbeit ab dem vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit werde fortsetzen können. Dass dies tatsächlich der Fall war, ist - wie dargelegt - für die Stufenzuordnung ohne Bedeutung. Die Behauptung des Beklagten, dass sich aus dem in der aktuellen Stellenbeschreibung angeführten Merkmal der „hochschuldidaktischen Zusatzqualifikation“ geänderte inhaltliche Anforderungen ergeben, ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unbeachtlich. Dies hat der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht.

34(3) Der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen der befristeten Arbeitsverhältnisse in Teilzeit beschäftigt war, steht einer Anrechnung ihrer einschlägigen Berufserfahrung nicht entgegen. Dies wäre allenfalls bei einem sehr geringen Beschäftigungsumfang denkbar (vgl.  - Rn. 30, BAGE 148, 1). Bei einer Teilzeitquote von 40 bzw. 62,5 % kann hiervon nicht die Rede sein.

354. Der Feststellungsantrag ist folglich ebenfalls begründet. Der von der Klägerin zum in Anspruch genommene Aufstieg in die Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 TV-L gründet sich auf § 16 Abs. 3 TV-L. Bezogen auf einen Beginn der Stufenlaufzeit am ist die Stufenlaufzeit von drei Jahren in Stufe 3 erfüllt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Einstellung zum um eine sog. „horizontale Wiedereinstellung“ (vgl. hierzu  - Rn. 18 ff., BAGE 144, 263) oder um eine sog. „vertikale Wiedereinstellung“ (vgl. hierzu  - Rn. 42 ff.) handelt. Dies hätte nur Bedeutung für die nicht streitgegenständliche Frage der Anrechnung einer Restlaufzeit zum .

365. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:290622.U.6AZR475.21.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-22134