BGH Urteil v. - AnwZ (Brfg) 21/21

Widerruf der Syndikusrechtsanwaltszulassung: Bindungswirkung eines Zulassungsbescheides für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung

Gesetze: § 46 BRAO, § 6 Abs 1 SGB 6

Instanzenzug: Az: AnwZ (Brfg) 21/21 Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Berlin Az: I AGH 2/20

Tatbestand

1Der Beigeladene, der am einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit der H.           GmbH (im Folgenden: H-GmbH) geschlossen hatte, beantragte bei der Beklagten am die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, welche ihm mit Bescheid vom erteilt wurde. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Zulassungsbescheids an. Am wurde dem Beigeladenen die Zulassungsurkunde zugestellt.

2Mit Schreiben vom verzichtete der Beigeladene auf seine Rechte aus der Zulassung „mit Ablauf des “, da er zum in ein Anstellungsverhältnis mit einer anderen GmbH wechseln wollte. Daraufhin widerrief die Beklagte die Zulassung mit Bescheid vom „zum “ (Tag des Eingangs der Verzichtserklärung bei der Beklagten).

3Gesellschafter der H-GmbH waren die Hi.       GmbH (mit einem Gesellschaftsanteil von 90,31 %) und die vom Beigeladenen zu 100 % gehaltene G.           UG (mit einem Gesellschaftsanteil von 9,69 %). Mit Beschluss vom hatten die Gesellschafter ihre Einwilligung zum Abschluss eines auf denselben Tag datierten Änderungsvertrags zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom erteilt. Mit dieser Änderung, die rückwirkend zum gelten sollte, wurde eine Bestimmung eingefügt, wonach der Geschäftsführer keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen. Zudem wurde festgelegt, dass dem Geschäftsführer gegenüber keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen und er fachlich eigenverantwortlich arbeitet.

4Die Klägerin, Trägerin der Rentenversicherung, ist der Auffassung, der Beklagte habe nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden dürfen. Sie hat gegen den Bescheid vom , ihr zugestellt am , am Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid rechtswidrig war. Die Beklagte hat beantragt, die Klage als unzulässig zu verwerfen.

5Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Er ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei, da sich der Zulassungsbescheid bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen, spätestens aber durch den Widerruf der Beklagten erledigt habe. Daher habe es bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung an der durch § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO angeordneten Bindungswirkung des Zulassungsbescheids gefehlt.

6Gegen die Verwerfung der Klage als unzulässig wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung. Durch den Widerrufsbescheid vom sei weder die Klagebefugnis noch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom entfallen. Der Zulassungsbescheid erledige sich nicht bereits durch eine Verzichtserklärung, sondern erst durch den Widerrufsbescheid der Rechtsanwaltskammer. Die Zulassung könne entsprechend § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, so dass auch die Regelungswirkung des Verwaltungsakts nur für die Zukunft entfalle, aber für die Vergangenheit weiterbestehe. Wenn der streitgegenständliche Bescheid bestandskräftig würde, würde der Beigeladene gemäß § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO rückwirkend zum Mitglied der Beklagten. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wäre er - auf der Grundlage des Zulassungsbescheids in der Gestalt des Widerrufsbescheids - ab dem bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses am von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.

7Die Anfechtungsklage sei auch begründet. Als Geschäftsführer im Sinne des § 6 GmbHG habe der Beigeladene kein Arbeitsverhältnis mit der H-GmbH gehabt. Aus dem Wortlaut des § 46 BRAO und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich nur für Tätigkeiten erteilt werden könne, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt würden.

8Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene im Sinne des § 46 Abs. 3 und 4 BRAO fachlich unabhängig tätig gewesen sei und die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt vertraglich und tatsächlich gewährleistet gewesen sei. Denn dafür müsse nicht nur der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, sondern auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH eine Regelung zur Weisungsfreiheit bei anwaltlichen Tätigkeiten enthalten.

9Es stehe auch nicht fest, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO bezeichneten Tätigkeiten und Merkmale das Anstellungsverhältnis des Beigeladenen geprägt hätten. Dafür müsse die anwaltliche Tätigkeit mindestens 65 % der Gesamttätigkeit ausmachen. Nach Angaben von Herrn K.      (Vertreter des Hauptgesellschafters der H-GmbH und Geschäftsführer der H-GmbH) hätten anwaltliche Tätigkeiten „jedenfalls mehr als 60 % der Gesamtarbeitszeit“ ausgemacht. Der Beigeladene habe als Geschäftsführer der H-GmbH und diverser Tochterunternehmen kraft Gesetzes jedoch viele Aufgaben wahrzunehmen, die keinen juristischen Bezug hätten, zumindest aber keinen Anlass für eine anwaltliche Betätigung geboten hätten. Zwei Veröffentlichungen im Internet ließen deutlich erkennen, dass der Beigeladene in erster Linie unternehmerisch tätig gewesen sei. Es fehle daher an einer hinreichend konkreten Beschreibung der Gesamttätigkeit, aus der sich nachvollziehbar ergebe, wie sich die anwaltlichen und nichtanwaltlichen Tätigkeiten prozentual verteilt hätten.

10Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom - I AGH 2/20 - den Bescheid der Rechtsanwaltskammer Berlin vom aufzuheben.

11Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom (I AGH 2/20) zurückzuweisen.

12Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

13Nach Ansicht der Beklagten fehlt der Klägerin für die Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem Zulassungswiderruf habe sich der Zulassungsbescheid auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt und sei damit unwirksam geworden. Der Zulassungsbescheid könne daher nicht mehr in Bestandskraft erwachsen, so dass auch die in § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO geregelte Bindungswirkung nicht eintreten könne.

14Die Klage sei zudem unbegründet. Der Beigeladene habe sich in einem Arbeitsverhältnis mit der H-GmbH befunden. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag enthalte alle wesentlichen Bestandteile eines typischen Arbeitsvertrags und sei unbefristet und somit nicht unter der Bedingung, dass der Beigeladene Geschäftsführer bleibe, abgeschlossen worden.

15Die fachliche Unabhängigkeit sei gewährleistet. Mit dem Beschluss vom zur Änderungsvereinbarung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags hätten sich die Gesellschafter der H-GmbH hinsichtlich der fachlichen Weisungsfreiheit des Beigeladenen gebunden und damit die Regelung in § 37 Abs. 1 GmbHG abbedungen.

16Das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen sei durch syndikusanwaltliche Aufgaben geprägt gewesen. Der Tätigkeitsbeschreibung seien nur solche zu entnehmen; Herr K.        habe bekräftigt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen allein im anwaltlichen Bereich liege. Die Beklagte gehe davon aus, dass jedenfalls 60 % der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit für eine Prägung des Arbeitsverhältnisses genügten, und habe auf dieser Grundlage ergänzend um Einreichung einer Erklärung zur konkreten zeitlichen Einbindung der organschaftlichen Tätigkeiten gebeten. Die Bestätigung von Herrn K.       , wonach die syndikusanwaltlichen Tätigkeiten jedenfalls mehr als 60 % der Gesamtarbeitszeit ausmachten, bezeichne bei objektiver Betrachtung einen Rahmen von 61 % bis 100 %.

17Ergänzend wird auf das Urteil des Anwaltsgerichtshofs, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Bezug genommen.

Gründe

I.

18Die aufgrund der Zulassung durch den Senat nach § 112e Satz 1 BRAO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 und 6 VwGO zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. In der Sache ist der Bescheid der Beklagten vom aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

191. Die Klage ist zulässig. Weder durch den Verzicht des Beigeladenen noch durch den Widerruf der Beklagten hat sich der Bescheid der Beklagten vom vollumfänglich erledigt. Sowohl die Klagebefugnis als auch das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bestehen daher weiterhin.

20Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Bereits aus der Wendung „solange und soweit“ ergibt sich, dass in sachlicher und zeitlicher Hinsicht Einschränkungen möglich sind (vgl. Schoch/Schneider/Goldhammer, Verwaltungsrecht, Stand: August 2021, § 43 VwVfG Rn. 95 und 131). Gemäß § 46b Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. und 2 BRAO können sowohl die Rücknahme als auch der Widerruf der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 2; Weyland/Vossebürger, BRAO, 10. Aufl., § 14 Rn. 6), was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Zulassung für die Vergangenheit weiterhin rechtswirksam ist. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, NVwZ 2009, 122 Rn. 13; vgl. Sodan/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 250).

21a) Dass sich der Zulassungsbescheid nicht bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen erledigt hat, ergibt sich daraus, dass die Zulassung gemäß § 46b Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO zu widerrufen ist, wenn der Syndikusrechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich verzichtet hat.

22Dies zeigt, dass erst durch den Widerruf die Rechtswirkungen der Zulassung enden sollten (vgl. Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 56/15, NJW-RR 2017, 249 Rn. 26 f.; BVerwG, MMR 2009, 785 Rn. 18; BVerwG, NVwZ 2012, 1547 Rn. 19; vgl. auch BT-Drucks. 3/120, S. 62). Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dem Urteil des Senats vom (AnwZ (Brfg) 56/15, aaO), nichts Anderes entnehmen. Soweit der Senat davon ausging, dass sich die Befugnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung bereits dann erledigt, wenn der Rechtsanwalt auf sie verzichtet, und es daher eines Widerrufs der Rechtsanwaltskammer nicht bedarf, hat er dies ausdrücklich darauf gestützt, dass § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO keine dem § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO entsprechende Regelung enthält (Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 56/15, aaO Rn. 13 und 26 f.).

23Im Übrigen wollte der Beigeladene im Hinblick auf seine Geschäftsführertätigkeit bei der H-GmbH nicht mit Wirkung für die Vergangenheit für die Zulassung verzichten, weil er ausdrücklich erklärte, dass sein Verzicht erst mit der Beendigung seiner Tätigkeit bei dieser GmbH wirksam sein sollte. Der Verzicht könnte daher nur zu einer Erledigung ab diesem Zeitpunkt führen.

24b) Auch durch den Widerruf der Beklagten hat sich die Zulassung nicht im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der H-GmbH erledigt. Der Widerruf sollte seinem Inhalt nach nur dazu führen, dass die Wirkungen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ab dem - und somit jedenfalls nach Beendigung der Tätigkeit des Beigeladenen für die H-GmbH - nicht mehr bestehen sollten.

25In Bezug auf die Klägerin käme dem Verwaltungsakt, wenn er bestandskräftig würde, noch eine Bindungswirkung für den Zeitraum vom bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses des Beigeladenen am zu. Die - separat zu beantragende und zu erteilende - Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 SGB VI durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gilt immer nur für eine bestimmte Tätigkeit. Die Befreiung für diese Tätigkeit erlischt ipso iure unabhängig vom Fortbestand einer diesbezüglichen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt mit der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses (vgl. Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 49/19, NJW 2020, 2190 Rn. 17). Der Zulassungsbescheid stellte mit seiner Bestandskraft für diesen Zeitraum die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin vorzunehmende Befreiung des Beigeladenen von der Rentenversicherungspflicht dar. Die Klägerin als Trägerin der Sozialversicherung ist daher insoweit beschwert, als die getroffene Zulassungsentscheidung im Umfang der Bindungswirkung unmittelbar Auswirkungen auf die Befreiungsentscheidung und damit die Rentenversicherungspflicht hätte (vgl. BT-Drucks. 18/5201, S. 34).

262. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass er aufzuheben ist (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.

28Unabhängig von der vom Senat bislang nicht entschiedenen Frage, ob die Zulassung des Beigeladenen bereits deshalb zu versagen wäre, weil sein Anstellungsverhältnis als GmbH-Geschäftsführer kein Arbeitsvertrag, sondern ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichteter freier Dienstvertrag war (vgl. hierzu Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 17/20, NJW 2021, 629 Rn. 8), kann die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt nicht erfolgen, weil die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen entgegen § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO vertraglich nicht gewährleistet war.

29Als Geschäftsführer einer GmbH hat der Beigeladene gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Danach hat er grundsätzlich Weisungen der Gesellschafterversammlung - sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie - zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 17/20, NJW 2021, 629 Rn. 11 mwN und Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 37/20, AnwBl Online 2022, 106 Rn. 19). Ein nur dienstvertraglich vereinbartes Weisungsverbot reicht hingegen nicht aus (vgl. ausführlich hierzu Senat, Urteil vom , aaO Rn. 12 ff.).

30a) Bereits aus diesem Grund genügen die in den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag durch Änderungsvertrag vom eingefügten Regelungen nicht, um die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen zu gewährleisten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Anordnung der rückwirkenden Geltung dieser Regelungen dem Erfordernis in § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO entsprach, die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten.

31b) Dass der Gesellschaftsvertrag der H-GmbH eine Aufhebung der gesellschafts- bzw. organrechtlichen Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen oder eine sonstige Regelung zur Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit enthielt, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich eine solche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit des Beigeladenen auch nicht daraus, dass die Gesellschafter dem Änderungsvertrag zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zugestimmt haben.

32Aus dem Umstand, dass die Gesellschafter einen solchen Beschluss gefasst haben, kann dies nicht hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung (sog. Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG; , BGHZ 222, 32 Rn. 18 mwN). Schon aus diesem Grund mussten die Gesellschafter einen Beschluss über den Änderungsvertrag fassen.

33Auch dem Beschluss selbst sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit ihm auch der Gesellschaftsvertrag geändert werden sollte. Als Überschrift des Beschlusstextes war fettgedruckt angegeben „Abschluss des Änderungsvertrags zum Geschäftsführeranstellungsvertrag vom mit [dem Beigeladenen]“. Der Beschlusstext beschäftigt sich nur mit dem Inhalt und der Unterzeichnung des Änderungsvertrags. Zudem verzichteten die Gesellschafter auf „sämtliche gesetzlichen und/oder gesellschaftsvertraglichen Form- und Fristerfordernisse hinsichtlich der Einberufung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung“, was ebenfalls darauf hindeutet, dass der Beschluss nur dazu diente, die Änderung des Anstellungsvertrags durchführen zu können.

II.

34Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:130522UANWZ.BRFG.21.21.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2022 S. 14 Nr. 41
NJW 2022 S. 9 Nr. 38
NJW-RR 2022 S. 1354 Nr. 19
GAAAJ-21868