BGH Urteil v. - AnwZ (Brfg) 46/21

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Tätigkeit als "Case Manager" für die juristische Betreuung von Schiedsverfahren zwischen dritten Schiedsparteien

Gesetze: § 46 Abs 1 S 1 Nr 3 BRAO, § 46 Abs 5 S 1 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 14/19 Urteil

Tatbestand

1Der Beigeladene ist aufgrund Arbeitsvertrags vom seit dem bei der D.                                     e. V. (D.  ; im Folgenden auch: Arbeitgeberin) tätig. Die D.  befasst sich satzungsgemäß mit der Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere durch - kostenpflichtige - Bereitstellung eines institutionellen Schiedsgerichts einschließlich einer Schiedsgerichtsordnung zur Vorbereitung, Unterstützung und Administrierung von Schiedsgerichtsverfahren.

2Aufgabe des als "Case Manager" eingestellten Beigeladenen ist die Betreuung von Schiedsverfahren oder sonstigen Verfahren nach den Verfahrensordnungen der D.  sowie die Mitwirkung bei der Organisation von Veranstaltungen und an Publikationen und Vorträgen seiner Arbeitgeberin. Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitgeberin vom ist das Case Management Team unter anderem zuständig für die Administration laufender Verfahren nach den D.  -Verfahrensordnungen und die Beratung zur Aufnahme von Schiedsvereinbarungen in Verträgen.

3Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom als Syndikusrechtsanwalt zu und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an. Gegen den ihr am zugestellten Zulassungsbescheid hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben.

4Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Beigeladene sei auch in Rechtsangelegenheiten Dritter, nämlich der Schiedsvertragsparteien tätig; das Tatbestandsmerkmal des § 46 Abs. 5 BRAO sei daher nicht erfüllt.

5Sie hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom aufzuheben.

6Die Beklagte und der Beigeladene haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

7Der Anwaltsgerichtshof hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung der Generalsekretärin der D.  , Frau Dr. M.   , und der Klage stattgegeben, da der Bescheid der Beklagten vom rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Der Beigeladene werde nämlich jedenfalls nicht ausschließlich in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig.

8In ihrer vom Anwaltsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die D.  die Schiedsverfahren der Schiedsvertragsparteien eigenverantwortlich durchführe, weshalb der Beigeladene in Angelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig werde.

9Sie beantragt,

das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

12Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

13Ergänzend wird auf das Urteil des Anwaltsgerichtshofs, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Bezug genommen, zudem auf die Befragung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Gründe

14Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 1 und 2 BRAO, § 124a Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

15Die Klägerin ist klagebefugt. Der Umstand, dass sie im Jahr 2018 keine Einwände gegen die Zulassung einer anderen Angestellten der D.  als Syndikusrechtsanwältin erhoben hat, steht dem nicht entgegen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. etwa BVerfG, GRUR 2001, 266, 270; BverwGE 92, 153, 157; BFHE 258, 124 Rn. 37). Abgesehen davon hat der Senat ( AnwZ (Brfg) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 20) zeitlich nach der hier streitbefangenen Zulassungsentscheidung ausgesprochen, dass zumindest in der Phase nach Einführung eines neuen Rechtsinstituts - hier des Syndikusrechtsanwalts - eine Verwirkung der Klagebefugnis der Klägerin nicht darauf gestützt werden kann, dass dieser in einer zunächst überhaupt als Problemfall zu identifizierenden, überdies komplexen Rechtsfrage anfänglich keine einheitliche Sachbehandlung gelingt. Zudem wurde erst im Laufe des Jahres 2018 deutlich, dass der Bundesgerichtshof Rechtsangelegenheiten der Kunden des Arbeitgebers nicht zu den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zählte, auch wenn sich der Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden zu entsprechenden Dienstleistungen verpflichtet hatte (Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff.).

II.

16Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof die Klage auch für begründet erachtet. Die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

17Jedenfalls im Bereich der juristischen Betreuung von Schiedsverfahren, selbst wenn sich diese streng auf verfahrensrechtliche Aspekte beschränkt, wird der Beigeladene in Angelegenheiten von Kunden seiner Arbeitgeberin und nicht in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig; es fehlt somit an der Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Letztgenannte Vorschrift beschränkt die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts auf eine Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.

181. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei § 46 Abs. 5 BRAO um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung handelt (Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 24; vom - AnwZ (Brfg) 60/19, juris Rn. 11; Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 71/18, NJW-RR 2020, 443 Rn. 10; jeweils mwN).

192. Ob der Beigeladene in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig wird oder in Angelegenheiten deren Kunden, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit des Beigeladenen, nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen (Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27; vgl. auch AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 [zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO]; vom - AnwZ (Brfg) 1/18, juris Rn. 16 f.). Daher ist nicht maßgeblich, dass der Beigeladene seine Tätigkeit aufgrund des Schiedsorganisationsvertrags zwischen seiner Arbeitgeberin und den Parteien einer Schiedsvereinbarung erbringt, sondern vielmehr, dass sich seine Tätigkeit auf das Rechtsverhältnis der Schiedsparteien zueinander auswirkt.

20a) Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, verleiht das Zivilprozessrecht den Parteien eines schiedsrichterlichen Verfahrens die Rechtsmacht, im Rahmen ihrer verfahrensrechtlichen Privatautonomie (BeckOK ZPO/Wilske/Markert, Stand: Dezember 2021, § 1042 Rn. 17; MüKoZPO/Münch, 6. Aufl., § 1042 Rn. 8; Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 1042 Rn. 1, 33; Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl., § 1042 Rn. 1) Regelungen zum Ablauf des Schiedsverfahrens entweder eigenständig oder durch Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung zu treffen (§§ 1025 ff., insbesondere § 1029 Abs. 1, § 1035 Abs. 1, § 1042 Abs. 3 ZPO). Für den vorliegend nicht gegebenen Fall, dass die Schiedsparteien das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis eigenständig regeln würden, ergäbe sich - mangels Beteiligung Dritter - unzweifelhaft deren Tätigwerden in eigenen Rechtsangelegenheiten. Nichts anderes kann indessen gelten, wenn sich die Parteien - wie hier - kraft vertraglicher Vereinbarung der Dienstleistung einer dritten Person oder Organisation bedienen, die das Schiedsverhältnis unter Anwendung einer ihrerseits zur Verfügung gestellten schiedsrichterlichen Verfahrensordnung administriert. Dass die Auffassung, das Schiedsverfahren werde durch die Beauftragung des Dritten zu dessen Rechtsangelegenheit, nicht zutreffen kann, folgt bereits aus der Möglichkeit der Schiedsparteien, die vertragliche Beauftragung des Dritten durch Kündigung oder gemäß § 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sogar das gesamte Schiedsverfahren jederzeit wieder zu beenden.

21b) Die auf Verfahrensfragen bezogene juristische Betreuung eines Schiedsverfahrens durch einen Case Manager der D.  betrifft ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung vom neben anderem etwa die Auslegung von Normen der D.  -Schiedsgerichtsordnung betreffend Formen und Fristen. Dass die aus dem jeweiligen Auslegungsergebnis abzuleitenden Rechtsfolgen unmittelbar die Parteien des Schiedsverfahrens und nicht die D.  treffen, liegt auf der Hand. Nichts anderes gilt, sofern sich der Beigeladene - wie es bei seiner Anhörung in der Verhandlung vor dem Senat angeklungen ist - auch zu den sich im Schiedsverfahren stellenden materiellen Rechtsfragen äußert.

22c) Irrelevant ist, dass die D.  zur Betreuung des Schiedsverfahrens durch den Schiedsorganisationsvertrag schuldrechtlich verpflichtet ist. Die schuldrechtliche Übernahme einer Dienstleistungsverpflichtung macht die Erbringung der Dienstleistung nicht zu einer Rechtsangelegenheit der Arbeitgeberin (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 29 ff.; AnwZ (Brfg) 71/18, aaO Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 11/20, aaO Rn. 19; jeweils mwN).

23Da der Beigeladene somit auch in Rechtsangelegenheiten der Kunden seiner Arbeitgeberin tätig ist, ist ihm die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen. Auf den Umfang dieser Tätigkeit kommt es nicht an, wie der Senat mit Urteil vom (AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24) entschieden hat.

243. Dass der Gesetzgeber die einschlägigen Regelungen des § 46 BRAO durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom (BGBl. I 2021, 2363) verschiedenen Änderungen zugeführt hat, ist unerheblich. Die Änderungen treten erst zum in Kraft. Anlass, das bisherige Recht im Sinne der Neuregelung auszulegen, besteht nicht.

III.

25Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:130522UANWZ.BRFG.46.21.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2022 S. 14 Nr. 34
NJW 2022 S. 9 Nr. 32
NJW-RR 2022 S. 1139 Nr. 16
TAAAJ-21414