Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikt: Einordnung von Amphetamin als "harte Droge"
Gesetze: § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 30a BtMG, § 46 StGB, § 337 StPO
Instanzenzug: LG München I Az: 8 KLs 370 Js 190888/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von neun Monaten der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3a) Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, dass er mit der „harten Droge Amphetamin“ Handel trieb (UA S. 15), und die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG verneint.
4Die insoweit vom Landgericht angestellte Erwägung, dass es sich bei Amphetamin um eine harte Droge handelt, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kommt der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von sogenannten harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sogenannten weichen Drogen wie Cannabis (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 323/18 Rn. 4; vom – 3 StR 586/17 Rn. 5 und vom – 3 StR 97/17 Rn. 13). Daran gemessen ist es verfehlt, Amphetamin als „harte“ Droge einzuordnen und dies strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 323/18 Rn. 4; vom – 3 StR 97/17 Rn. 13 und vom – 1 StR 72/16 Rn. 13).
5b) Auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Landgericht fehlerhaft zulasten des Angeklagten gewertet, dass es sich bei Amphetamin um eine „harte Droge“ handele (UA S. 16).
6c) Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler; denn der Senat kann aufgrund der zahlreichen Umstände, die das Landgericht zugunsten des Angeklagten gewertet hat, nicht ausschließen, dass sich die genannte Erwägung bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
72. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
83. Der Maßregelausspruch ist rechtsfehlerfrei begründet und kann bestehen bleiben. Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:190522B1STR83.22.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-21325