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Online-Nachricht - Donnerstag, 11.08.2022

Körperschaftsteuer | Nacherhebung der Kapitalertragsteuer für eine offene Gewinnausschüttung in den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG (BFH)

Wird für eine offene Gewinnausschüttung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine bescheinigte Einlagenrückgewähr in Höhe von 0 € fingiert, überlagert die Fiktion bereits im Ausschüttungszeitpunkt den Umstand, dass nach der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG kein ausschüttbarer Gewinn verwendet wird (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Klägerin ist eine GmbH, deren Anteilseignerin die Stadt A ist. Gegenstand des Unternehmens sind Versorgungsbetriebe und Bäder. Im Jahr 2010 zahlte sie eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage an A, ohne eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG zu erstellen. Aus den Bilanzerläuterungen war ersichtlich, dass eine Ausschüttung erfolgt sein musste. Das FA vertrat die Auffassung, dass das steuerliche Einlagekonto unverändert festzustellen und Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung zu erheben sei. Die Klage wegen der gesonderten Feststellung des Einlagekontos wurde mit BFH-Beschluss v - I R 30/16 als unbegründet zurückgewiesen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 5.12.2018). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides für Kapitalertragsteuer, wobei die Sache zuständigkeitshalber an den VIII. Senat des BFH verwiesen wurde (Vorinstanz: ).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Das FA hat die Klägerin zu Recht im Wege des Nacherhebungsbescheids in Anspruch genommen. Die Klägerin war verpflichtet, für die Ausschüttung Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einzubehalten, abzuführen und anzumelden.

  • Wird für eine offene Gewinnausschüttung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine bescheinigte Einlagenrückgewähr in Höhe von 0 € fingiert, überlagert die Fiktion bereits im Ausschüttungszeitpunkt den Umstand, dass nach der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG kein ausschüttbarer Gewinn verwendet wird.

  • Greift die Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, entstehen die Kapitalertragsteuer und die damit verbundenen kapitalertragsteuerlichen Pflichten der steuerentrichtungspflichtigen Kapitalgesellschaft nicht erst mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids für das Einlagekonto als das die Fiktion auslösende Ereignis, sondern mit dem Zufluss der Ausschüttung.

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Bereits vor dem Urteil des VIII. Senats v. – VIII R 14/18 hatte der I. Senat des BFH mit Beschluss gemäß § 126a FGO v. - I R 30/16, BStBl II 2019, 283 für den Besprechungsfall bindend geklärt, dass für die Ausschüttung der klagenden GmbH (Klägerin und Revsionsklägerin) an die Stadt A keine Beträge des Einlagekontos als verwendet galten. Der gesonderte Feststellungsbescheid zum Einlagekonto für das Streitjahr 2010 mit den Beständen zum war unverändert zum fortgeschrieben, bestandskräftig geworden und für den BFH und die Beteiligten im Verfahren VIII R 14/18 bindend.

Im hier zu besprechenden Urteil des VIII. Senats ging es nur noch um die Frage der kapitalertragssteuerlichen Haftung der Klägerin, die das beklagte FA im Rahmen eines Nacherhebungsbescheids (§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG) geltend machte. Der VIII. Senat entschied, dass die kapitalertragsteuerlichen Pflichten zur Anmeldung, zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt der Ausschüttung der Klägerin an die Stadt A entstanden waren. Werde für eine offene Gewinnausschüttung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine bescheinigte Einlagenrückgewähr in Höhe von 0 € fingiert, überlagere die Fiktion bereits im Ausschüttungszeitpunkt den Umstand, dass bei rein materiell-rechtlicher Betrachtung nach der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG kein ausschüttbarer Gewinn verwendet werde. Greife die Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, entstehen die Kapitalertragsteuer und die damit verbundenen kapitalertragsteuerlichen Pflichten der steuerentrichtungspflichtigen Kapitalgesellschaft nicht erst mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids für das Einlagekonto als das die Fiktion auslösende Ereignis, sondern mit dem Zufluss der Ausschüttung.

Weitere wesentliche Aussage des VIII. Senats ist, dass für die Verschuldensprüfung und Exkulpation der Klägerin (vgl. § 44 Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 EStG) nicht nur der Kenntnisstand und die Einschätzung der Klägerin im Ausschüttungszeitpunkt relevant ist. Die Klägerin habe die gesetzliche Verschuldensvermutung nicht widerlegt, da sie nicht i.S. des § 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nachgewiesen habe, dass sie im Zeitraum von der Ausschüttung bis zum Erlass des Nacherhebungsbescheids die Pflicht zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags (sowie zu deren Einbehalt und Abführung) für die Ausschüttung an A durchgehend weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt habe. Zwar müsse sich die Klägerin im Zeitpunkt der Ausschüttung, zu dem nach den tatsächlichen Umständen des Streitfalls materiell-rechtlich kein ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden gewesen sei, eine Pflichtverletzung vorhalten. Die ausschüttende Kapitalgesellschaft (Klägerin) als Steuerentrichtungspflichtige treffen aber anknüpfend im Zusammenhang mit einer Ausschüttung, die sie für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr behandeln will, auch nach dem Ausschüttungszeitpunkt liegende Prüfungspflichten. Sie muss im Blick haben, dass ab dem Zufluss der Ausschüttung eine Einbehaltungs-, Abführungs- und Anmeldepflicht besteht, wenn sie die erforderliche Bescheinigung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG nicht rechtzeitig erteilt.

Nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH, der sich der VIII. Senat angeschlossen hat, muss sich die Kapitalgesellschaft spätestens anlässlich der Erstellung der Feststellungserklärung nach § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG mit dem Umfang ihrer Bescheinigungspflicht nach § 27 Abs. 3 und 4 KStG befassen, zumal in der Anlage WA zur Feststellungserklärung nach den ausgestellten Steuerbescheinigungen gefragt wird; sie muss im Zuge der Erstellung der Erklärung prüfen, ob sie ihren Anteilseignern eine notwendige Bescheinigung über die Verwendung des Einlagekontos zu erteilen hat. Es war aber weder vorgetragen noch vom FG festgestellt noch anderweitig erkennbar, dass die Organe der Klägerin bei Abgabe der Feststellungserklärung zum Einlagekonto überprüft haben, ob ihre Beurteilung, es liege wegen einer Einlagenrückgewähr kein anmeldepflichtiger Kapitalertrag vor, noch Bestand haben konnte. Aufgrund der unterbliebenen Prüfung war der Klägerin ein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Auch später, als der Bescheid zur gesonderten Feststellung des Einlagekontos auf den nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG am erging, in dem das Einlagekonto in derselben Höhe wie zum festgestellt wurde, und als sie im Betriebsprüfungsbericht ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer hingewiesen worden war, hätte die Klägerin ihre kapitalertragsteuerliche Beurteilung im Ausschüttungszeitpunkt überprüfen müssen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
RAAAJ-19615