Online-Nachricht - Donnerstag, 11.08.2022

Kindergeld | Berücksichtigung eines minderjährigen Kindes bei mehr als einjährigem Schulbesuch außerhalb des Gebietes der EU und des EWR (BFH)

Hält sich ein zunächst im Inland wohnhaftes minderjähriges Kind zu Ausbildungszwecken für mehr als ein Jahr außerhalb des Gebietes der EU und des EWR auf, behält es seinen Inlandswohnsitz in der Wohnung eines oder beider Elternteile nur dann bei, wenn ihm in dieser Wohnung zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume zur Verfügung stehen, es diese objektiv jederzeit nutzen kann und tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch nutzt. Eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes kommt dabei im Regelfall nur dann in Betracht, wenn das Kind diese Wohnung zumindest zum überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeiten tatsächlich nutzt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i. S. des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung kein Kindergeld gewährt.

Sachverhalt: Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum September 2015 bis einschließlich Mai 2017.

Der Kläger ist der Vater von zwei im Oktober 2006 und im August 2008 geborenen Kindern. Eltern und Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Die Familie lebte zunächst in Deutschland. Die Kinder besuchten den Kindergarten und zunächst auch die Grundschule in Deutschland. Damit die Kinder die arabische Sprache lernten, sollten sie im streitbefangenen Zeitraum bei ihren Großeltern im Ausland leben und dort zur Schule gehen. Anfang September 2015 reisten die Kinder aus Deutschland aus. Die Mutter der Kinder begleitete diese. Mutter und Kinder hielten sich in diesem Zeitraum größtenteils im Ausland auf, unterbrochen durch Aufenthalte in Deutschland.

Im September 2015 gab der Kläger die bisher mit der Familie bewohnte Wohnung auf und verzog in eine nur etwa 200 Meter entfernte Wohnung. Im Juni 2017 kehrten die Kinder nach Deutschland zurück und nahmen den Schulbesuch wieder auf. Die Familie zog im Juni 2017 in eine wiederum in unmittelbarer Nähe befindliche Wohnung ein.

Der Kläger beantragte Kindergeld, wobei er als Adresse der Kinder die Anschrift der Großeltern angab. Die Familienkasse lehnte die Anträge für den Zeitraum ab September 2015 unter Hinweis auf § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG ab, da der Wohnsitz der Kinder nicht in Deutschland, einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR liege.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt (z. B. und ; ). Auf die in den vorgenannten Entscheidungen dargelegten Rechtsgrundsätze wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Im , das das FG bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, hat der Senat diese Grundsätze in einem Fall präzisiert, in dem sich minderjährige Kinder ebenfalls zusammen mit einem Elternteil zum Zwecke des Schulbesuchs mehrjährig im außereuropäischen Ausland aufhielten. Dort ging der Senat davon aus, dass es bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände für eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes spricht, wenn ein minderjähriges Kind die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbringt.

  • Das FG hat einen inländischen Wohnsitz der Kinder des Klägers verneint. Die Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Kinder des Klägers im Streitzeitraum ihren Wohnsitz im Inland aufgegeben oder beibehalten haben.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
OAAAJ-19603