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Online-Nachricht - Donnerstag, 11.08.2022

Einkommensteuer | Berechnung von Überentnahmen bei Einnahmenüberschussrechnern (BFH)

Auch bei Steuerpflichtigen mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen. Überentnahmen sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Sätze 1 bis 5 des § 4 Abs. 4a EStG sinngemäß anzuwenden. Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Berechnung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG bei der sinngemäßen Anwendung der Regelungen auf Einnahmenüberschussrechner (Vorinstanz: ).

Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist periodenübergreifend angelegt. Dies folgt aus dem Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG („Überentnahmen“), insbesondere aber aus der Berechnungsvorschrift in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG.

  • So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr selbst keine Überentnahme zu verzeichnen ist, denn die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre beruhen (, BStBl II 2018, 744, Rz 28, , BStBl I 2018, 1207, Rz 14 bis 16, 18, 20).

  • Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 1 bis 5 EStG auf Steuerpflichtige, die ihren Gewinn im Wege der EÜR ermitteln (§ 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG).

  • Die Begrenzung der Überentnahme eines Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals des Klägers sieht das Gesetz nicht vor.

  • Eine solche Auslegung widerspräche dem Normzweck der sinngemäß anzuwendenden Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG und dem Zweck der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG als vereinfachter Gewinnermittlungsmethode.

  • Es widerspräche der Regelungsintention des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG, wenn für Zwecke der Ermittlung der Überentnahmen im Rahmen einer Kontrollrechnung auf das bilanzielle Eigenkapital des Betriebs, das sich in der betrieblichen Totalperiode bis zum betrachteten Gewinnermittlungszeitraum ergibt, abgestellt und der jeweils günstigere Betrag herangezogen werden müsste.

  • Der X. Senat des BFH hat dementsprechend bereits entschieden, dass eine Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG trotz eines positiven bilanziellen Eigenkapitals (positiven Kapitalkontos) des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum vorliegen und die Hinzurechnung auslösen kann (, Rz 21 ff).

  • Hieraus folgt auch, dass eine Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG nicht auf ein niedrigeres bilanzielles negatives Eigenkapital des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum zu begrenzen ist.

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Mit der Entscheidung vom - VIII R 38/18 hat der VIII. Senat des BFH geklärt, dass im Rahmen der entsprechenden Anwendung der Regelung zum Schuldzinsenabzugsverbot gemäß § 4 Abs. 4a EStG auf Einnahmen-Überschuss-Rechner die für die Ermittlung der hinzuzurechnenden Zinsen maßgeblichen Überentnahmen überperiodisch zu ermitteln sind. Dies hatte die Rechtsprechung des BFH zur Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 / § 5 Abs. 1 EStG bereits mehrfach entschieden. So lagen im Besprechungsfall Überentnahmen des Klägers und Revisionsklägers auch in solchen Streitjahren vor, in denen der Kläger isoliert betrachtet höhere Gewinne und Einlagen geleistet als Beträge entnommen hatte.

Außerdem entschied der VIII. Senat, dass auch im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG die Höhe einer überperiodisch ermittelten Überentnahme nicht mit dem negativen Eigenkapital des Steuerpflichtigen zum Ende des Gewinnermittlungszeitraums abzustimmen ist. Dies hatte bereits der X. Senat des , BFH/NV 2020, 858) für die Gewinnermittlung gemäß § 4 Absatz 1. EStG entschieden. Der Grund hierfür liegt darin, dass das ohne eine Hinzurechnung von Schuldzinsen entnahmefähige Eigenkapital im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG pauschalierend und typisierend zu ermitteln ist. Es besteht nur aus den Gewinnen, Einlagen und Entnahmen der nach dem beginnenden Wirtschaftsjahre.

Den pauschalierenden Charakter des entnahmefähigen Eigenkapitals für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG hatte die Rechtsprechung für Einnahmen-Überschuss-Rechner auch schon für das Merkmal des "Gewinns" i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG betont. Beim Einnahmenüberschussrechner ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG auf den Gewinn abzustellen, der sich nach § 4 Abs. 3 EStG ergibt. Führen die Gewinnermittlungsmethoden durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) und die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Hinblick auf § 4 Abs. 4a EStG zu unterschiedlich hohen Hinzurechnungsbeträgen, ist dies wegen der pauschalierenden und typisierenden Ermittlungstechnik des Gesetzes hinzunehmen.

Mit dieser Regelungskonzeption wäre es weder bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG noch mit derjenigen gemäß § 4 Abs. 3 EStG vereinbar, wenn die überperiodisch pauschaliert ermittelten Überentnahmen mit dem negativen Eigenkapital abgeglichen werden müssten, das sich aus der betrieblichen Totalperiode für einen bestimmten Gewinnermittlungsstichtag aus der Buchführung ergibt. Zudem spricht der Vereinfachungszweck, der der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zugrunde liegt, gegen ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, im Rahmen § 4 Abs. 4a EStG eine Eigenkapitalermittlung nach bilanziellen Grundsätzen zuzulassen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
EAAAJ-19602