BGH Beschluss v. - 2 StR 151/21

Strafverfolgungsverjährung: Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist durch Durchsuchungsanordnungen in einem Verfahren wegen einer Vielzahl von Taten

Gesetze: § 78c Abs 1 S 1 Nr 4 StGB

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/17 KLs 15/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen, gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen, versuchten Betruges sowie Erschleichens eines Aufenthaltstitels zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 174.361,54 € sowie die Einziehung von sieben EC-Karten und zwei AOK-Gesundheitskarten angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II.3 der Urteilsgründe (§ 206a Abs. 1 StPO) und hierdurch bedingt zur Korrektur des Schuldspruchs. Diese Verurteilung wegen Betruges kann nicht bestehen bleiben, weil Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.

3a) Die Verjährungsfrist für Taten nach § 263 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Sie begann mit der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 31/19, juris Rn. 6; , NStZ-RR 2018, 211, 212, jew. mwN), mithin hier mit dem vollständigen Zufluss der unter Nutzung einer falschen Personalie und mittels unzutreffenden Angaben gegenüber einem Finanzinstitut in F.    erschlichenen Darlehnsvaluta am ; sie endete demnach spätestens am (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 275/10, juris Rn. 3 mwN).

4b) Die erste Handlung, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechen konnte, war die Erhebung der Anklage am (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB). Zu diesem Zeitpunkt war diese Tat verjährt. Weder der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom noch die polizeiliche Vernehmung des Angeklagten vom haben eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 1, Alt. 1 StGB bewirkt, weil die Tat II.3 der Urteilsgründe nicht Gegenstand des Beschlusses bzw. der Vernehmung war.

5aa) Wird in einem Verfahren wegen einer Vielzahl von Taten ermittelt, so erstreckt sich die Unterbrechungswirkung grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, es sei denn, dass der – insoweit maßgebliche – Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist. Für die Bestimmung des Verfolgungswillens ist der Zweck der (richterlichen) Untersuchungsmaßnahme maßgeblich (, NStZ 2000, 427; , NStZ 2007, 213, 215; , NStZ-RR 2021, 312, 313). Ergibt sich der Verfolgungswille nicht bereits aus dem Wortlaut der Untersuchungsanordnung, ist auf den Sach- und Verfahrenszusammenhang abzustellen (vgl. , aaO; , NStZ 2001, 191, 192) und in Zweifelsfällen der Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 75/20, NStZ 2021, 222, 223; vom – 1 StR 127/21, juris Rn. 23). Es entspricht einem praktischen Bedürfnis und ist prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn der Tatverdacht in den Durchsuchungsbeschlüssen weit gefasst wird. Dementsprechend genügt es für die Darstellung der Verdachtslage, dass die Taten unter zusammenfassend kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind, falls die Maßnahme wegen einer Vielzahl von Taten im prozessualen Sinne erfolgt, deren Einzelheiten die Ermittlungen noch klären müssen (vgl. , aaO; , NStZ-RR 2021, 312 mwN).

6bb) Hieran gemessen vermochte der Durchsuchungsbeschluss vom eine Unterbrechung der Verjährung nicht herbeizuführen.

7(1) Darin wurde dem Angeklagten vorgeworfen, ausländische Personen bei deren illegalem Aufenthalt im Bundesgebiet gegen Entgelt unterstützt zu haben. Er habe sich echte britische Reisepässe beschafft und auf die Namen der Passinhaber diverse Konten bei verschiedenen Kreditinstituten eröffnet. In der Folge hätten die illegal aufhältlichen Personen mit Hilfe der vom Angeklagten zur Verfügung gestellten falschen Identität eine Arbeitsstelle gefunden, wobei das Arbeitsentgelt auf ein vom Angeklagten zuvor eröffnetes Konto geflossen sei. Hiervon habe er nur einen Teil an diese ausgekehrt und 30 – 40 % als Gegenleistung für seine Hilfe einbehalten. Im Rahmen einer zuvor erfolgten polizeilichen Durchsuchung beim Angeklagten seien bereits 13 echte britische Reisepässe sowie Passkopien sichergestellt worden. Nachdem der Angeklagte eine Woche nach dieser früheren Wohnungsdurchsuchung bei einer weiteren Bank eine neue EC-Karte beantragt habe, bestehe der Verdacht, dass er sein „Geschäftsmodell“ fortführe. Ferner habe er unter Verwendung falscher Angaben nach einer ersten Durchsuchung am bei der Bundesagentur für Arbeit für seine Person Arbeitslosengeld beantragt. Zudem war der Staatsanwaltschaft bekannt, dass der Angeklagte im Dezember 2014 anlässlich einer Polizeikontrolle einen auf eine andere Person ausgestellten britischen Reisepass wahrheitswidrig als eigenen ausgegeben und diesen zuvor für die Aufnahme einer Beschäftigung verwendet hatte.

8(2) Danach sollte der Angeklagte nur wegen seines Geschäftsmodells der Unterstützung illegal aufhältlicher Personen, nicht aber wegen einer mindestens eineinhalb Jahre früher begangen Betrugstat zum Nachteil eines Finanzinstituts verfolgt werden. Der Durchsuchungsbeschluss enthält weder ein Indiz, dass über den formulierten Tatvorwurf hinaus gegen den Angeklagten auch in Fällen des Kreditbetruges ermittelt werden sollte, noch eine zusammenfassende, möglicherweise weitere (Betrugs-)Taten erfassende Beschreibung der Tatmodalitäten eines Kreditbetruges. Auch dem Verfahrens- und Sachzusammenhang sind unter Heranziehung des Akteninhalts keine Anhaltspunkte für einen weiteren, dahingehenden Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft zu entnehmen.

9c) Entsprechendes gilt für die anlässlich der ersten Durchsuchung am erfolgte Vernehmung des Angeklagten, die ebenfalls nur die entgeltliche Verwendung der britischen Identitäten zur Arbeitsaufnahme durch Ausländer zum Gegenstand hatte.

10d) Die Verfahrenseinstellung bedingt die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Abänderung des Schuldspruchs, wobei gesetzliche Regelbeispiele nicht Gegenstand der Urteilsformel sind (vgl. , juris Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN). Der Senat hat auf Antrag des Generalbundesanwalts in diesem Fall im Hinblick auf den Anfragebeschluss des 3. Senats vom (3 StR 474/19), zu dem sich der Senat bisher nicht positioniert hat, von einer Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO).

112. Die weitere Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen haben der Strafausspruch sowie die Einziehungsentscheidung nur teilweise Bestand. Auch die weitere Einziehung von sieben näher bezeichneten EC- sowie von zwei Gesundheitskarten erweist sich als rechtsfehlerhaft.

12a) Die Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.7 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe unterfallen der Aufhebung.

13aa) Das Landgericht hat die wegen versuchten Betruges im Fall II.2 der Urteilsgründe zugemessene Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 15 € dem Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnommen. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat es abgelehnt, weil „der Angeklagte mit der Abgabe des Antrags auf Gewährung von Arbeitslosengeld I alles aus seiner Sicht zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan“ habe. Hieraus folge „eine große Nähe zum Schadenseintritt bzw. eine große Gefahr der Vermögensschädigung“, „welche nur durch die Vorkehrungsmaßnahmen der Polizei verhindert“ worden sei. Nach den Feststellungen hatte diese den Angeklagten sowohl bei der Abholung der seitens des Arbeitgebers ausgefüllten Arbeitsbescheinigung als auch bei der Abgabe dieser Bescheinigung bei der Bundesagentur für Arbeit observiert. Letztere war vor der Antragstellung durch den Angeklagten über den Täuschungsversuch durch die Polizei informiert.

14(1) Die Strafrahmenwahl bei einem Versuch ist unter Berücksichtigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (st. Rspr.; vgl. etwa , juris Rn. 3 mwN).

15(2) Gemessen daran lässt die Begründung der Strafkammer besorgen, dass diese die vollständige polizeiliche Überwachung, mithin einen versuchsbezogenen Umstand von wesentlich milderndem Gewicht, nicht hinreichend in den Blick genommen hat. Aufgrund der polizeilichen Überwachung sowie der vorherigen Information der Bundesagentur für Arbeit konnte der Betrugsversuch nicht zum Erfolg führen. Er wies weder eine besondere „Nähe zum Schadenseintritt“ auf, noch bestand eine „große Gefahr der Vermögensschädigung“. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne den Rechtsfehler eine Strafrahmenverschiebung angenommen und eine mildere Einzelstrafe ausgesprochen hätte.

16bb) Im Fall II.7 der Urteilsgründe hat die Strafkammer in ihre Strafzumessung strafmildernde Umstände mit zu geringem und strafschärfende Gesichtspunkte mit zu großem Gewicht eingestellt. Sie hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass „die Tat mehr als vier Jahre“ zurückliege, obwohl diese nach den Feststellungen bereits sechs Jahre zurücklag. Zu seinen Lasten hat sie gewertet, dass die Schleusungshandlungen sich über ein Jahr erstreckten, während diese nur vom bis zum , mithin sechs Monate, andauerten. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Wertung auf eine geringere Einzelstrafe erkannt hätte.

17cc) Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.7 der Urteilsgründe entzieht – neben dem Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.3 der Urteilsgründe − der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen bleiben von den Wertungsfehlern unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

18b) Die auf § 73 Abs. 1, § 73c StGB gestützte Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen II.5 (37.487,55 €), II.8 (15.113,37 €) und II.9 (22.609,59 €) der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Darüber hinaus besteht in den Fällen II.1, II.4, II.6, II.7, II.10 und II.12 der Urteilsgründe eine gesamtschuldnerische Haftung, soweit der Angeklagte in diesen Fällen einen Teil des Arbeitsentgelts an die unter falscher Identität erwerbstätigen Ausländer weiterleitete.

19aa) Die Strafkammer ist im Ansatz zwar zutreffend davon ausgegangen, dass in diesen Fällen der Wert der vom Angeklagten jeweils betrügerisch erlangten Darlehensbeträge von 39.800 € (Fall II.5 der Urteilsgründe), 15.000 € (Fall II.8 der Urteilsgründe) und 25.000 € (Fall II.9 der Urteilsgründe) als Tatertrag der Einziehung unterfiel, wobei dieser nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB begrenzt sei, soweit der Rückzahlungsanspruch auf den Darlehensbetrag erloschen sei. Sie hat den Einziehungsbetrag jedoch rechtsfehlerhaft ermittelt, weil sie ihrer Berechnung die jeweils noch offenen Darlehenssummen einschließlich Zinsen und Verzugsschäden, im Fall II.9 der Urteilsgründe zudem einschließlich nicht näher bezeichneter Kosten, zugrunde gelegt und hiervon die geleisteten Darlehnsraten in Abzug gebracht hat. Sie hat nicht bedacht, dass nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB nur der Wert des Gegenstandes der Einziehung unterliegt, den der Täter durch oder für die Tat tatsächlich erlangt hat (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 mwN, wistra 2018, 471). Dabei dürfen weder Darlehenszinsen noch Verzugsschäden und auch keine – nicht näher festgestellten − Kosten berücksichtigt werden, da diese dem Angeklagten nicht zugeflossen sind (vgl. LK-StGB/Lohse, 13. Aufl., § 73 Rn. 22; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 8; Reh, wistra 2018, 414, 415 ff.; vgl. auch Senat, Beschluss vom – 2 StR 251/18). Welcher Anteil der Darlehnsrate auf die Darlehenstilgung entfiel, lassen die Urteilsgründe indes offen, so dass dem Senat nicht die Prüfung möglich ist, in welcher Höhe der Darlehnsbetrag erloschen ist. Dies führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung in diesen drei Fällen.

20bb) In den Fällen II.1, II.4, II.6, II.7, II.10 und II.12 der Urteilsgründe hat das Landgericht nicht bedacht, dass bei diesen Taten eine gesamtschuldnerische Haftung der Geschleusten in der Höhe hinzutritt, in der der Angeklagte das von ihm erlangte Arbeitsentgelt an diese weiterleitete.

21(1) Im Fall 1 der Urteilsgründe erlangte der Angeklagte nach den Feststellungen das vom gesondert verfolgten A.   erwirtschaftete Arbeitsentgelt in Höhe von 60.533,49 €, wovon er 40.076,57 € an diesen übergab. Die damit bewirkte Mitverfügungsgewalt beruhte auf dessen Haupttat, bei der ihn der Angeklagte durch seine Schleusertätigkeit unterstützte; dies begründet die gesamtschuldnerische Haftung. A.    war Negativstaater, der über einen gültigen Reisepass sowie ein Schengen-Visum verfügte und im Bundesgebiet unerlaubt einer Erwerbstätigkeit nachging; seine Strafbarkeit folgt damit aus § 95 Abs. 1a AufenthG idF vom (BGBl. I S. 1722). Der Vermögenszufluss aus dem Erwerbseinkommen beruhte auf der illegalen Beschäftigung und damit auf der tatbestandsmäßigen Handlung zu der der Angeklagte Hilfe leistete (vgl. , juris Rn. 4).

22(2) In den Fällen II.4, II.6, II.7, II.10 und II.12 der Urteilsgründe hat der Senat zur Vermeidung jedweder Beschwer des Angeklagten ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet, soweit die Geschleusten Mitverfügungsgewalt am ausgezahlten Arbeitslohn erlangten. Auch in diesen Fällen nicht auszuschließen, dass der Vermögenszufluss bei dem Angeklagten auf derselben Tat wie bei den Geschleusten beruhte.

23(a) Allerdings beruht die Strafbarkeit der Geschleusten, die nicht über ein Schengen-Visum oder einen Pass beziehungsweise Aufenthaltstitel verfügten, bei diesen Taten – anders als im Fall II.1 der Urteilsgründe – lediglich auf § 95 Abs. 1 Nr. 1 und/oder § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und knüpft damit alleine an den Umstand des illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet an, was deren gesamtschuldnerische Haftung nicht zu begründen vermag, da ihr Vermögenszufluss erst durch die hiervon unabhängige illegale Arbeitsaufnahme bewirkt wurde (vgl. , aaO).

24(b) Nach den Feststellungen liegt jedoch eine Strafbarkeit der jeweils Geschleusten nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Nr. 2b SchwarzArbG idF vom (BGBl. I S. 2258) nicht fern, sodass der Vermögenszufluss bei diesen auf deren illegaler Beschäftigung gegen Entgelt beruhte. Die gesamtschuldnerische Haftung mit dem Angeklagten folgt dabei daraus, dass dieser durch seine Schleuserhandlungen zugleich Beihilfe zu § 11 Abs. 1 Nr. 2b SchwarzArbG geleistet hat. Dies führt – ausgehend von den weitergeleiteten Beträgen – zu einer weiteren gesamtschuldnerischen Haftung in Höhe von 20.230,42 € (2.700 € im Fall II.4 der Urteilsgründe, 5.596,99 € im Fall II.6 der Urteilsgründe, 8.573,43 € im Fall II.7 der Urteilsgründe, 2.600 € im Fall II.10 der Urteilsgründe und 760 € im Fall II.12 der Urteilsgründe).

25(c) Der Anordnung der Gesamtschuld steht nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung des Angeklagten in ihrer Abschlussverfügung nach § 154a Abs. 1 StPO in diesen Fällen auf die ausgeurteilten Schleusungsdelikte nach § 96 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG beschränkt hat. Der prozessual wirkende Verzicht auf Strafverfolgung entzieht der für die Gesamtschuld maßgeblichen materiellen Rechtslage nicht die Grundlage (vgl. SK-StPO/Weßlau/Dieters, 5. Aufl., § 154a Rn. 45; vgl. auch , NStZ 2013, 401).

26(d) Nach dem Wegfall der Einziehungsentscheidung im Fall II.3 der Urteilsgründe und der Aufhebung der Einziehungsentscheidung in den Fällen II.5, II.8 und II.9 der Urteilsgründe in Höhe von 89.804,76 € verbleibt bei den Taten II.1, II.4, II.6, II.7, II.10 und II.12 der Urteilsgründe ein Einziehungsbetrag in Höhe von insgesamt 84.690,15 €, wobei in Höhe von 60.306,99 € eine gesamtschuldnerische Haftung besteht, die der Senat in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO angeordnet hat (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 12/18, juris Rn. 3).

27c) Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich die auf § 74 Abs. 1 StGB gestützte Einziehung der sieben echten EC- sowie der beiden AOK-Gesundheitskarten, da diese nach den Feststellungen jeweils nicht auf den Angeklagten ausgestellt waren. Der Einziehung als Tatmittel können nur Gegenstände unterliegen, die dem Verurteilten zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen, § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB. Auch insoweit bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob – was nahe liegt − eine auf § 74b Abs. 1, Alt. 2 Nr. 2 StGB gestützte Sicherungseinziehung in Betracht kommt. Die Feststellungen sind auch hier von dem Wertungsfehler nicht betroffen und könnten auch insoweit bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:300322B2STR151.21.0

Fundstelle(n):
wistra 2022 S. 432 Nr. 10
SAAAJ-19042