BGH Urteil v. - 6 StR 441/21

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben

Gesetze: § 30a Abs 2 Nr 1 Alt 1 BtMG, § 26 StGB

Instanzenzug: Az: 6 KLs 9/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in fünf Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Bestimmung eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hat es ihn freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision greift die Staatsanwaltschaft das Urteil an, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.

21. Das Landgericht hat, soweit hier relevant, Folgendes festgestellt:

3Im Zeitraum von Ende Oktober/Anfang November 2020 bis zum überließ der zur Tatzeit 23-jährige Angeklagte dem damals 14-jährigen Zeugen M.    in drei Fällen jeweils ein bis zwei Gramm Amphetamin zum Selbstkostenpreis und schenkte ihm in zwei weiteren Fällen ein Gramm Amphetamin bzw. ein Gramm Marihuana. Unter anderem lieferte er ihm am (einem Sonntag) einer Vereinbarung vom entsprechend zwei „Steine“ mit 1,5 Gramm Amphetamin (Tat 3 des Verurteilungssachverhalts).

4Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem fragte der Angeklagte den Zeugen M.    , ob er für ihn Drogen verkaufen wolle. Am erkundigte er sich bei ihm „offensichtlich in diesem Zusammenhang“ per WhatsApp, ob er ein „paar Leute gefragt“ habe.

5M.    fragte mehrere Bekannte, ob sie Interesse an Betäubungsmitteln hätten. Zwischen ihm und diesen kam es in der Folge zu weiteren Gesprächen, jedoch „nie zu einem konkreten Angebot oder einer Vereinbarung unter Angabe von Art, Menge und Preis eines Betäubungsmittels“. Am erkundigte sich M.     bei seinem WhatsApp-Kontakt „L.   “, ob er „wen kenne, der gerade Zeug brauche“, und teilte dann mit, mittlerweile alles zu haben, was er brauche, „von Weed über Tilidin bis Koks“. Am schrieb er seinem Kontakt „T.    “: „Soll ich von R.    noch was zu ziehn holen bis Freitag?“, „Hab Sonntag noch zwei Steine von letztens“, „von R.   “ sowie „Kennst du noch wen, der was zu ziehen hat.“ Nachdem der Chatpartner geantwortet hatte, er müsse „gucken“, antwortete M.     „Oder weed“ „für die Tage“.       Am fragte er seinen Kontakt „E.   “, wieviel er wolle, nachdem ihm dieser mitgeteilt hatte, dass er probieren wolle, „eine Line zu ziehen“.

6Der Angeklagte hatte von M.   s Bemühungen keine Kenntnis. Er wusste weder, dass M.     anderen Personen Betäubungsmittel anbot, noch welchen Inhalt die Gespräche hatten. Eine Weitergabe von Betäubungsmitteln durch M.    an Dritte fand nicht statt.

72. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass eine Straftat nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG nicht verübt sei. Der Angeklagte habe M.    keine Angebote zu etwaigen Tatvorteilen gemacht. Hinsichtlich einer Handelstätigkeit durch diesen sei keine Konkretisierung in Bezug auf Preis, Menge und Art des Betäubungsmittels erfolgt. Im Blick auf die Vagheit der Absprachen liege auch kein untauglicher Versuch des Bestimmens zum Handeltreiben vor. Gleiches gelte für den Tatbestand des Bestimmens eines Minderjährigen zur Förderung des Handeltreibens. Insoweit ermangele es ebenfalls einer hinreichend konkretisierten und individualisierten bzw. geplanten Tat.

83. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat ein zu enges Verständnis des Merkmals des „Bestimmens“ im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG sowie des Begriffs des Handeltreibens zugrunde gelegt. Insoweit enthält zudem die Beweiswürdigung – auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs – durchgreifende Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten; sie ist lückenhaft.

9a) Auf der Grundlage der Feststellungen erfüllt das Verhalten des Angeklagten das Merkmal des „Bestimmens“ im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG. Nach den zu § 26 StGB entwickelten, allgemeingültigen Grundsätzen ist unter „Bestimmen“ die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz bezeichneten Verhalten bringt (vgl. , BGHSt 45, 373, 374; vom       – 3 StR 482/17, NJ 2018, 251). Der dafür erforderliche „kommunikative Akt“    (vgl. , aaO; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30a Rn. 49 mwN) war mit der Frage des Angeklagten gegeben, ob M.    für ihn Drogen verkaufen wolle, und wurde mit der Nachfrage vom nochmals bekräftigt. Der Angeklagte wollte erreichen, dass M.    in der Folge Absatzbemühungen gegenüber seinen Bekannten in der Drogenszene entwickle.

10Die dem Zeugen M.    angesonnenen Taten waren nach den Umständen des hier zu beurteilenden Sachverhalts (vgl. zum Maßstab , BGHSt 34, 63, 67) auch hinreichend individualisiert. Zwar fehlten Vorgaben betreffend Preis, Menge und Art der zu verkaufenden Betäubungsmittel. M.    wusste jedoch aus vorhergehenden Übergaben, über welche Betäubungsmittel der Angeklagte verfügte (Amphetamin, Marihuana), und kannte, wie die Feststellungen zu Tat 1 des Verurteilungssachverhalts erweisen, zumindest hinsichtlich des Amphetamins die Einkaufspreise, was ihn zu Absprachen mit etwaigen Interessenten befähigte.

11Dass keine spezifischen Vereinbarungen über Gewinne und eine Entlohnung des Zeugen M.    getroffen wurden, steht gleichfalls nicht entgegen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit Drogenverkäufen Gewinne erzielt werden sollen und ein für den Drogenhandel Angeworbener für die Begehung der Straftaten vom Anstifter Vorteile erhält. Dementsprechend hatte der Zeuge M.    nach seiner von der Strafkammer insgesamt als glaubhaft erachteten Aussage „die Vorstellung, dass er einen kleinen Teil davon bekommen oder sich durch den Verkauf Geld hinzuverdienen könne“. Ausdrücklicher Abreden bedurfte es hierfür nicht. Der Akt des Bestimmens ist auch in konkludenter Form möglich (vgl. Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 30a Rn. 33).

12b) Das Landgericht hat sich zudem nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die aufgrund der Einwirkung des Angeklagten durchgeführten Absatzbemühungen gegenüber mehreren Bekannten bereits ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG darstellen. Namentlich setzt es sich – was die Revision zutreffend beanstandet – nicht mit dem Umstand auseinander, dass M.    nach den Feststellungen zu den Verurteilungssachverhalten jedenfalls im Zeitpunkt seines Kontakts mit „T.    “ am über Betäubungsmittel verfügte bzw. diese sicher erwartete. Danach rechnete M.    für den Folgetag mit einer Lieferung von zwei „Steinen“ Amphetamin durch „R.   “, mithin den Angeklagten, die er dann auch erhielt. Es drängt sich auf, dass gerade diese zwei Steine Gegenstand der Kommunikation mit „T.   “ waren. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass vollendetes Handeltreiben vorliegen kann, wenn sich der Täter bei sicher erwartetem Erhalt von Betäubungsmitteln um einen Abnehmer für diese bemüht; Verhandlungen über Menge und Preis mit dem Kaufinteressenten sind dann nicht erforderlich (vgl. , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19; Weber, aaO, § 29 Rn. 398 f. mwN).

134. Die Sache bedarf danach betreffend den Freispruchssachverhalt neuer Verhandlung und Entscheidung. Das gilt auch für die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum zugehörigen äußeren Tatgeschehen. Denn der freigesprochene Angeklagte hatte keine Möglichkeit, diese mit einem Rechtsmittel anzugreifen. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Gesamtfreiheitsstrafe Bestand. Im Falle einer Verurteilung wird das neue Tatgericht diese aufzulösen und mit der festgesetzten Strafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben.

Das Urteil des Senats vom wird auf Seite 2 dahin berichtigt, dass als Vertreter des Generalbundesanwalts Staatsanwalt           an der Hauptverhandlung teilgenommen hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:180522U6STR441.21.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-19025