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Online-Nachricht - Donnerstag, 04.08.2022

Verfahrensrecht | Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch Einräumung von Filmverwertungsrechten (BFH)

Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Filmproduktionsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Komplementärin ist die A-Verwaltungs-GmbH, Kommanditisten sind B und C. Im Jahr 2007 übertrug die Klägerin als Eigentümerin und Lizenzgeberin die Verwertungsrechte an dem Kinofilm X an die niederländische Firma F.

Das Filmprojekt X scheiterte. Die Klägerin beschloss, einen Ersatzfilm zu produzieren. Hierzu wurden die bestehenden Verträge angepasst. Auch bezüglich dieses Ersatzfilms war die Klägerin alleinige und ausschließliche Eigentümerin aller Rechte. Die Klägerin räumte der F in einem Filmvertriebsvertrag für einen Zeitraum von 42 Jahren die umfassenden, alleinigen, exklusiven und unwiderruflichen Verwertungsrechte an diesem Ersatzfilm ein. Im Gegenzug sollte F der Klägerin zum einen jährliche fixe Zahlungen leisten. Ergänzend hierzu sollte der Klägerin eine zusätzliche Gewinnbeteiligung zustehen.

Der Filmvertriebsvertrag enthielt im Zusammenhang mit seinem Auslaufen verschiedene Endschaftsregelungen. So war die Möglichkeit einer einvernehmlichen Laufzeitverlängerung vorgesehen. Falls die Vertragslaufzeit nicht verlängert werden sollte, wurde F eine Kaufoption eingeräumt. Als Optionspreis war u.a. ein Marktwertzuschlag vereinbart, wonach die Klägerin mit 25 % an einem höheren Marktwert des Films, der sich aus dem Differenzbetrag zwischen dem geschätzten Marktwert des Films und dem Kaufoptionspreis ergibt, zu beteiligen ist. Eine Verkaufsoption der Klägerin bestand nur in den Fällen der Auflösung, Liquidation oder Insolvenz der F bzw. in Fällen von Vertragsstörungen oder -verletzungen.

Sollte die Vertragslaufzeit nicht verlängert und auch F die Kaufoption nicht ausüben, sollte der Klägerin das Recht zustehen, von der F die Gewährung eines zinslosen Darlehens verlangen können (Darlehensoption). Bei Ausübung der Darlehensoption wäre die Klägerin dazu verpflichtet gewesen, den Film zu vermarkten oder anderweitig zu verwerten, um das Darlehens an F zurückzuzahlen.

Im Rahmen einer für das Streitjahr 2009 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Filmvertriebsvereinbarung habe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F geführt. Daraufhin behandelte die Betriebsprüfung die gesamten Lizenzzahlungen als einheitlichen Kaufpreis und aktivierte die Kaufpreisforderung der Klägerin zum Zeitpunkt der Ablieferung des Films mit ihrem Barwert. Die hiergegen gerichtete klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (zur erstinstanzlichen Entscheidung, s. Feldgen, ).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Einem Nutzungsberechtigten kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein.

  • Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist.

  • Hieran fehlt es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin an Wertsteigerungen der Filmrechte beteiligt ist.

  • Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden.

  • Dies folgt insbesondere daraus, dass eine hinlänglich verlässliche Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertriebsvertrags regelmäßig nicht möglich ist.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Wirtschaftsgüter sind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).

Im Besprechungsfall hatte sich der BFH mit der Frage zu befassen, inwieweit auch bei einem Filmverwertungsrecht als immateriellem Wirtschaftsgut eine Zurechnung beim Nutzungsberechtigten nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums in Betracht kommt. Auch hier gilt, dass die Frage, ob der zivilrechtliche Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausgeschlossen wird, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist.

Dabei besteht bei Filmrechten die Besonderheit, dass keine hinlänglich verlässliche ex ante-Einschätzung ihrer Wertentwicklung möglich ist. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Filmvertriebsvertrags ist für die Vertragsbeteiligten regelmäßig nicht absehbar, ob der vertragsgegenständliche Film erfolgreich sein wird. Die Bewertung der Konditionen einer Kaufoption und die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Ausübung dieses Rechts sind nur bedingt möglich. Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können deshalb nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden.

Letztlich kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass dem Nutzungsberechtigten zwar nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein kann, dies aber nur dann in Betracht kommt, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin von Wertsteigerungen der Filmrechte profitiert.

Im Besprechungsfall hat der BFH die Gesamtwürdigung des FG, das wirtschaftliches Eigentum des Nutzungsberechtigten an dem streitbefangenen Filmverwertungsrecht verneint hatte, eingehend untersucht und das vom FG gefundene Ergebnis revisionsrechtlich nicht beanstandet.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
EAAAJ-18990