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Online-Nachricht - Donnerstag, 21.07.2022

Umsatzsteuer | Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einem Blockheizkraftwerk (BFH)

Entstehen Selbstkosten i. S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die AA Stromerzeugung GbR als sog. Innengesellschaft gegründet. Gesellschafter sind neben dem Kläger, seine Ehefrau sowie sein Sohn. Gegenstand des Unternehmens ist die Stromerzeugung aus Biomasse in einem Blockheizkraftwerk ohne Fremdbezug zur Verteilung. Die durch die Stromproduktion in dieser KWK-Anlage ebenfalls entstehende Abwärme wurde zum Teil auch u.a. zur Versorgung des privaten Wohnhauses, des vom Kläger und seiner Ehefrau betriebenen Hühnermaststalls und des Wärmenetzes der Gemeinde verwendet.

Streitig ist, wie - mangels eines Einkaufspreises für Wärme - die Selbstkosten des Betreibers der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (Biogasanlage) für die Bemessungsgrundlage der Entnahme von Wärme für den Eigenbedarf und die (kostenlose) Lieferung von Wärme an Dritte für die durch die Stromproduktion anfallende Abwärme zu ermitteln sind und ob die Ermittlung der Selbstkosten im Verhältnis der erzeugten Mengen an elektrischer und thermischer Energien in der einheitlichen Messgröße kWh (sog. energetische Aufteilungsmethode) oder nach dem Verhältnis der Marktpreise der produzierten Strom- und Wärmemenge (objektbezogener Umsatzschlüssel) erfolgt.

Der BFH hat die Revision des Klägers als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Das FG hat gegen § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG verstoßen, indem es zu Unrecht den durchschnittlichen Fernwärmepreis anstelle anteiliger Selbstkosten als Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wertabgaben angesetzt und die Aufteilung der Selbstkosten nach der "energetischen Methode" vorgenommen hat.

  • Vorliegend ist die Entscheidung des FG, dass kein Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand ermittelt werden konnte, weil der Kläger nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen war, sondern die von ihm produzierte Wärme lediglich an die Gemeinde abgab, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach scheidet der durchschnittliche Fernwärmepreis als Bemessungsgrundlage eines Einkaufspreises aus. Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Wärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" i. S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie für den Unternehmer zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme.

  • Die Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bestimmt sich deshalb im Streitfall nach den (anteiligen) Selbstkosten, wenn der Kläger einen Gegenstand (hier: die Biogasanlage) für unterschiedliche Zwecke (hier: die entgeltliche Stromlieferung und die unentgeltliche Zuwendung von Wärme) verwendete, ohne dass eine Anbindung an das Fernwärmenetz bestand. Maßgeblich sind somit die Selbstkosten für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage.

  • Entstehen Selbstkosten i. S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen.

  • Müssen aufgrund einer unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk die Selbstkosten auf den Strom und die Wärme aufgeteilt werden, hat die Aufteilung im Regelfall nicht nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh), sondern nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) zu erfolgen (entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE).

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil ist ein weiterer Mosaikstein in der Reihe von Urteilen des BFH zu Blockheizkraftwerken (; ; , und ). Einige Fragen sind damit geklärt, andere bleiben noch offen.

Klar ist, dass bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern vorrangig der Einkaufspreis, ggf. ein fiktiver Einkaufspreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Die Selbstkosten sind daher nur dann als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wenn ein Einkaufspreis für den entnommenen oder für einen gleichartigen Gegenstand am Markt nicht zu ermitteln ist. Ob der durchschnittliche Fernwärmepreis oder ggf. auch der Wärmepreis eines kommunalen "Nahwärmenetzes" als Einkaufspreis angesetzt werden kann, hängt dabei davon ab, ob der Unternehmer an das (Fern-)Wärmenetz angeschlossen ist. Denn nur dann ist die „Fremdwärme“ für ihn ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme.

Ist das – wie im Urteilsfall – nicht der Fall, gelangt man zu der interessanten Frage, wie die Selbstkosten in einem solchen Fall zu ermitteln sind. Entstehen Selbstkosten i. S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese dem Urteil V R 34/20 zufolge entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, wobei insbesondere eine Aufteilung nach Umsätzen (sog. Marktpreismethode) in Betracht kommt.

Noch nicht so ganz geklärt ist, was es mit dem „unversteuerten Selbstverbrauch“ auf sich hat. Dieses Kriterium hat durch das „Mitteldeutsche Hartstein-Industrie“ Eingang in die Diskussion gefunden und ist vom BFH im Folgeurteil vom - XI R 26/20 (XI R 28/17) übernommen worden. Allerdings betraf der Fall Mitteldeutsche Hartstein-Industrie einen anders gelagerten Sachverhalt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
CAAAJ-17984