Einkommensteuer | Wohnriester - Tilgung eines Darlehens i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (BFH)
Weder reine Zinszahlungen noch Sparleistungen sind als "Tilgung
eines Darlehens" i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden, wenn das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 € beträgt.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens" des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Das FG der ersten Instanz () vertrat die Auffassung, dass der Begriff der Tilgung sowohl die planmäßige wie auch die außerplanmäßige Rückzahlung von Schulden bezeichne die sich aus einem Tilgungs- und einem Zinsanteil zusammensetzten. Mangels gesetzlicher Definition beschränke sich die Tilgung eines Darlehens i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht auf die Zurückführung der eigentlichen Darlehensschuld.
Dem folgten die Richter des BFH nicht:
Jedenfalls bei reinen Zinszahlungen handelt es sich nicht um eine Tilgung i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Die Tilgung eines Darlehens verlangt bereits von seinem Wortsinn und allgemeinen Sprachgebrauch ein zumindest teilweises Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs des Gläubigers ( BStBl 2020 II S. 496, Rz 33).
Der Senat kann dem FG auch zivilrechtlich nicht darin folgen, dass dort auch eine reine Zinszahlung als Tilgung nicht nur einer Zinsschuld, sondern auch als Tilgung der Darlehensschuld angesehen wird.
Keine der vom FG angeführten zivilrechtlichen Regelungen "Tilgung der gesamten fälligen Schuld" (§ 497 Abs. 3 Satz 1 BGB), "Tilgung sämtlicher Schulden" (§ 366 Abs. 1 BGB) umfasst reine Zinszahlungen ohne gleichzeitige Tilgung der diese auslösenden Darlehensschuld.
Soweit § 367 Abs. 1 BGB den Begriff "Tilgung der ganzen Schuld" erwähnt und in diesem Zusammenhang von "Hauptleistung, Zinsen und Kosten" spricht, geht daraus jedenfalls eindeutig hervor, dass allein eine "Tilgung der Zinsschuld" nicht zugleich als "Tilgung der Hauptschuld" (d.h. hier: des Darlehens) anzusehen ist.
Vor allem können Zinszahlungen einkommensteuerrechtlich nicht unter den Begriff der "Tilgung eines Darlehens" subsumiert werden.
Dass Sparleistungen insbesondere auf einen Bausparvertrag nicht als "Tilgung eines Darlehens" i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angesehen werden können, hat der Senat bereits entschieden (, Rz 31 ff.).
Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:
Zinszahlungen für ein Darlehen führen nicht zur Tilgung der Restschuld - eigentlich Teil des Allgemeinwissens. Insoweit gilt auch für die Tilgung eines Darlehens i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nichts anderes. Dennoch musste der BFH dies aufgrund eines (unveröffentlichten) Urteils des FG klarstellen.
Weder der Wortsinn noch der allgemeine Sprachgebrauch lassen es zu, Zinszahlungen als Tilgungen anzusehen. Erst recht unterscheidet das Zivilrecht zwischen Zins und Tilgung. Aber auch im Einkommensteuerrecht, das für das Verständnis der Begriffe in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblich ist, finden sich keine Ausnahmen.
Neben diesen (reinen) Zinszahlungen sind auch Sparleistungen für Bausparverträge keine Tilgungen im Sinne dieser Norm (so schon , BStBl II 2020, 496, Rz 30, m.w.N.). Nur im Zusammenhang mit speziellen Altersvorsorgeverträgen (§ 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 AltZertG, etwa sog. Riester-Bausparverträge) werden Sparleistungen als Tilgungsleistungen fingiert (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Offen lässt der BFH im vorliegenden Urteil noch, ob Annuitätenraten, die sowohl einen Zins- wie Tilgungsanteil enthalten, als Tilgungen i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Seine Bedenken, dass diese nicht dem Normzweck entsprechen, da die Finanzierung allgemeiner Lebenshaltungskosten wirtschaftlich zur freien Entnahme führen könne, macht er sehr deutlich.
Entscheidend bleibt unabhängig davon, dass Tilgungen i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu erfolgen haben (, s. dazu Online-Nachricht v. 21.7.2022) und den gesetzlichen Mindestbetrag von 3.000 € erreichen müssen. Dies ist hier nicht der Fall gewesen. Dabei ist es mangels inhaltlicher Bindungswirkung des Gestattungsbescheides unerheblich, welches Darlehen des Zulageberechtigen, soweit es wohnungswirtschaftlichen Zwecken i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dient, getilgt wird.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
UAAAJ-17965