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Online-Nachricht - Donnerstag, 21.07.2022

Einkommensteuer | Wohnriester - "unmittelbare" Verwendung des geförderten Kapitals in Fällen der Darlehenstilgung (BFH)

Auch im Fall der Verwendung des geförderten Altersvorsorgekapitals zur Tilgung eines Darlehens nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auszahlung des geförderten Kapitals und der Darlehenstilgung bestehen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden.

Sachverhalt: Streitig ist, ob das Merkmal der Unmittelbarkeit des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch auf die Variante der Tilgung eines ungeförderten Wohnbaudarlehens anzuwenden ist.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig: Nur in Bezug auf die erste Tatbestandsvariante ("für die Anschaffung") steht sprachlich zweifelsfrei fest, dass die Verwendung insoweit "unmittelbar" sein muss. Der Wortlaut der Norm lässt sowohl die Auslegung zu, dass sich das Adjektiv "unmittelbar" - als "vor die Klammer gezogen"- auf alle drei Tatbestandsvarianten gleichermaßen beziehen soll, als auch eine Auslegung, wonach das Unmittelbarkeitserfordernis nur für die ersten beiden Varianten - eventuell auch nur für die erste Variante - gelten soll.

  • Auch eine systematische Auslegung unter Heranziehung anderer Regelungen innerhalb des § 92a EStG oder innerhalb des EStG führt nicht zu eindeutigen Ergebnissen.

  • Jedoch verlangt der Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber angeordneten Förderunschädlichkeit der Verwendung von Altersvorsorgekapital für bestimmte Darlehenstilgungen, dass nicht nur in Anschaffungs- und Herstellungsfällen, sondern auch im Fall der Tilgung von Anschaffungs- oder Herstellungsdarlehen das geförderte Kapital "unmittelbar" für den jeweils begünstigten wohnungswirtschaftlichen Zweck verwendet wird.

  • Mit der alternativ zur Kapitalverwendung für die Anschaffung oder Herstellung des Wohneigentums begünstigten Tilgung eines zur Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung aufgenommenen Darlehens wollte der Gesetzgeber zur Entschuldung des Zulageberechtigten beitragen.

  • So soll durch die Ablösung von Darlehen, deren Mittel der Finanzierung des Erwerbs von Wohnei-gentum dienten, ein Beitrag zum "mietfreien Wohnen im Alter" geleistet werden (BT-Drucks 16/8869, S. 16 f.). Diese Form der wohnungswirtschaftlichen Verwendung soll es dem Zulageberechtigten ermöglichen, die Zins- und Tilgungskosten aus der selbstgenutzten Wohnimmobilie zu senken.

  • Die Tilgungsvariante ist nach ihrem Normzweck aufs Engste mit der Anschaffungs- oder Herstellungsvariante verknüpft. Denn begünstigt sind nur Tilgungen eines "zu diesem Zweck" -also zum Zweck der Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung einer selbstgenutzten Wohnung aufgenommenen Darlehens.

  • Daher muss das Unmittelbarkeitserfordernis gleichermaßen für die Tilgungsvariante gelten, da andernfalls eine zweckwidrige Verwendung, insbesondere durch die zwischenzeitliche Möglichkeit der Begleichung allgemeiner Lebenshaltungskosten, möglich wäre.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Während das Kapital aus einem Altersvorsorgevertrag nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Altersvorsorge-Eigenheimbetrag – sog. Wohnriester) nur in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung bis zum Beginn der Auszahlungsphase entnommen werden kann, war bislang nicht klar, ob diese Unmittelbarkeit auch im Zusammenhang mit der Tilgung von Darlehen für diese Anschaffungs- oder Herstellungsvorgänge gilt. Die Finanzverwaltung hat dies zwar immer vertreten, gleichzeitig aber den zeitlichen Zusammenhang recht großzügig gestaltet. Wenn auch zunächst vom Wortlaut her auf Anschaffungs- oder Herstellungsfälle beschränkt, geht sie davon aus, dass eine zeitliche Unmittelbarkeit bei § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG noch vorliegt, wenn der Altersvorsorge-Eigenheimbetrag sechs Monate vor bzw. bis zu zwölf Monate nach der Auszahlung entsprechend verwendet wird. Dies gilt nach den derzeit verwendeten Gestattungsbescheiden auch für den Fall der Tilgung.

Anders als das , EFG 2021, 847) verlangt auch der BFH einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Auszahlung des geförderten Kapitals aus dem Altersvorsorgevertrag und der Tilgung der zur Anschaffung bzw. Herstellung aufgenommenen Darlehen. Dies begründet er damit, dass ansonsten dem Zweck der in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geregelten Entnahmemöglichkeit nicht genüge getan wird. Denn durch diese Art der Kapitalverwendung solle ein Beitrag zum "mietfreien Wohnen im Alter" geleistet werden. Deshalb sei sicherzustellen, dass das entnommene geförderte Altersvorsorgekapital nicht anderweitig, etwa zur zwischenzeitlichen Begleichung allgemeiner Lebenshaltungskosten, verwendet werden könne.

Um dies sicherzustellen, wäre ein deutlich geringerer Zeitraum von maximal 30 Tagen, wie im Fall des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F., angemessen. Der BFH weist jedoch nur auf die offensichtliche Parallele zur alten Finanzierung mittels geförderter Lebensversicherungen hin. Im konkreten Fall musste er dies nicht entscheiden, da selbst die weite Sicht der Finanzverwaltung dazu führte, dass der Rückforderungsbescheid rechtmäßig ergangen war.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
WAAAJ-17960