BGH Beschluss v. - BLw 4/20

Landwirtschaftssache: Rücknahme einer Grundstücksverkehrsgenehmigung

Gesetze: § 7 Abs 3 GrdstVG, § 9 LwVfG, § 32 Abs 2 S 2 LwVfG, § 70 Abs 1 FamFG, § 70 Abs 2 S 2 FamFG, § 48 Abs 2 S 3 VwVfG, § 48 Abs 3 S 2 VwVfG

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 16 WLw 5/20 Beschlussvorgehend AG Neuruppin Az: 44 Lw 35/17

Gründe

A.

1Mit notarieller Urkunde vom verkauften 14 Gesellschaften eines Konzerns, darunter die Beteiligte zu 1, jeweils in ihrem Alleineigentum stehende landwirtschaftliche Grundstücke (insgesamt rund 2.262 ha) zu einzeln ausgewiesenen Kaufpreisen (insgesamt rund 26,7 Mio. €) an die ebenfalls konzernzugehörige und als landwirtschaftliches Unternehmen registrierte Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2. Die Vertragsparteien vereinbarten eine langfristige Rückverpachtung der Flächen an die jeweiligen Verkäuferinnen. Der Landkreis P.     (Beteiligter zu 3) erteilte im Juli 2015 die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Auf der Grundlage eines im August 2015 geschlossenen Vertrags übertrug die Alleingesellschafterin der Käuferin 94,9 % ihrer Geschäftsanteile auf eine konzernfremde Kapitalanlagegesellschaft. Die Beteiligte zu 2 wurde am als Eigentümerin der von der Beteiligten zu 1 verkauften Flächen in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom teilte der Beteiligte zu 3 den Beteiligten zu 1 und 2 mit, dass er die Rücknahme der erteilten Genehmigungen beabsichtige und die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorbereite. Gestützt auf den Versagungsgrund einer ungesunden Verteilung des Grund und Bodens erklärte der Beteiligte zu 3 sodann mit Bescheid vom für sechs Kaufgegenstände, darunter die von der Beteiligten zu 1 verkauften Flächen, die Rücknahme der erteilten sowie eventuell fingierter Genehmigungen und teilte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das gemeinnützige Siedlungsunternehmen mit.

2Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat auf den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf gerichtliche Entscheidung deren Einwendungen gegen die Rücknahme der Grundstückverkehrsgenehmigungen als unbegründet zurückgewiesen und die Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts hat das Verfahren in Bezug auf die durch das Siedlungsunternehmen und das Land Brandenburg gegen die Aufhebung der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erhobenen Beschwerden abgetrennt. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 hat er den Rücknahmebescheid betreffend die von der Beteiligten zu 1 verkauften Flächen aufgehoben und dem Beteiligten zu 3 die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit den zugelassenen Rechtsbeschwerden, deren Zurückweisung die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen, wollen der Beteiligte zu 3 und das ihm übergeordnete Ministerium (Beteiligter zu 4) insoweit die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

B.

3Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in einem (dieselbe Vertragsurkunde und Genehmigung sowie denselben Rücknahmebescheid betreffenden) Parallelverfahren in RdL 2021, 101 veröffentlicht ist (dazu Senat, Beschluss vom - BLw 5/20, juris), sieht die Genehmigungsbehörde als Verfahrensbeteiligte an. Zwar gebe § 32 Abs. 1 LwVG für das Verfahren wegen der Genehmigung einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung (§ 22 GrdstVG) vor, dass die Genehmigungsbehörde lediglich heranzuziehen sei. Um ein solches Verfahren handele es sich aber nicht, wenn - wie hier - gegen die Rücknahme einer erteilten Genehmigung vorgegangen werde. Da ein belastender Verwaltungsakt angefochten werde, seien die sachnäheren Vorgaben für die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO maßgeblich; nur so lasse sich die Bindungswirkung und die materielle Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung sicherstellen.

4In der Sache könne dahinstehen, ob die erteilte Genehmigung rechtswidrig gewesen sei und ob der Beteiligte zu 3 sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Grundsätzlich könne die privatrechtsgestaltende Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz zwar zurückgenommen werden. Auch sei es nicht zu beanstanden, dass sich die Rücknahme der Genehmigung auf einzelne Kaufgegenstände beschränke, weil das beurkundete Rechtsgeschäft als teilbar angesehen werden könne. Eine Rücknahme komme aber deshalb nicht in Betracht, weil seit der Eintragung der Erwerberin in das Grundbuch mehr als ein Jahr vergangen sei und das Rechtsgeschäft gemäß § 7 Abs. 3 GrdstVG als genehmigt gelte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diene die Genehmigungsfiktion dazu, nach dem Ablauf einer gewissen Zeit über die Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäftes und die Richtigkeit des Grundbuchs Gewissheit zu verschaffen und damit den Rechtsfrieden zu gewährleisten. § 7 Abs. 3 GrdstVG sei auch auf die Rücknahme einer zunächst erteilten Genehmigung in der Weise anzuwenden, dass ein Rücknahmebescheid - wenn nicht zuvor der Rechtsschein durch die in § 7 Abs. 3 GrdstVG vorgesehenen Möglichkeiten beseitigt worden sei - innerhalb einer Frist von einem Jahr ab Eintragung der genehmigten Rechtsänderung ergehen müsse.

C.

5I. Zulässig ist nach § 9 LwVG i.V.m. § 70 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FamFG nur die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4 (übergeordnete Behörde), nicht jedoch diejenige des Beteiligten zu 3 (Genehmigungsbehörde). Die Rechtsstellung der Behörden bei der gerichtlichen Überprüfung der Rücknahme einer Grundstückverkehrsgenehmigung beurteilt sich, anders als das Beschwerdegericht meint, insgesamt nach § 32 LwVG. Infolgedessen ist nur die der Genehmigungsbehörde übergeordnete Behörde berechtigt, die Rechtsbeschwerde zu erheben (§ 32 Abs. 2 Satz 2 LwVG), und ihr Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig. Zur näheren Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom in dem Parallelverfahren Bezug genommen (BLw 5/20, juris Rn. 4 ff.)

6II. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4 Erfolg. Die Begründung, mit der das Beschwerdegericht den Rücknahmebescheid aufgehoben hat, ist rechtsfehlerhaft.

71. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass Genehmigungen nach dem Grundstückverkehrsgesetz einer Rücknahme nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts grundsätzlich zugänglich sind (näher Senat, Beschluss vom - BLw 5/20, juris Rn. 14 ff.). Rechtlicher Überprüfung hält es auch stand, dass es die auf einzelne Kaufgegenstände beschränkte Genehmigungsrücknahme trotz des ursprünglich einheitlich gestellten Genehmigungsantrags und der einheitlich erteilten Genehmigung als zulässig ansieht, weil ungeachtet der Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Vertragsurkunde nach dem Willen der Vertragspartner kein einheitliches Rechtsgeschäft vorliege. Zur näheren Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom in dem Parallelverfahren verwiesen (BLw 5/20, juris Rn. 17 ff.).

82. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Beschwerdegerichts, die Rücknahme sei gemäß § 7 Abs. 3 GrdstVG ausgeschlossen. Besteht die auf Grund eines nicht genehmigten Rechtsgeschäfts vorgenommene Eintragung einer Rechtsänderung ein Jahr, so gilt dieser Bestimmung zufolge das Rechtsgeschäft als genehmigt, es sei denn, dass vor Ablauf dieser Frist ein Widerspruch im Grundbuch eingetragen oder ein Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs oder ein Antrag oder ein Ersuchen auf Eintragung eines Widerspruchs gestellt worden ist. Diese Norm ist auf eine rechtswidrig erteilte Genehmigung nicht anwendbar. Deren Rücknahme richtet sich vielmehr nach § 48 Abs. 3 VwVfG. Nach dem im Rahmen der Ermessenabwägung einzubeziehenden Rechtsgedanken des § 7 Abs. 3 GrdstVG ist die Rücknahme regelmäßig ausgeschlossen, wenn das Rücknahmeverfahren nicht innerhalb eines Jahres nach Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch eingeleitet worden ist; das gilt jedoch nicht, wenn die in § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG genannten Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich die Beteiligten nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Zur näheren Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom in dem Parallelverfahren verwiesen (BLw 5/20, juris Rn. 23 ff.). In dem vorliegenden Verfahren können sich aus § 7 Abs. 3 GrdstVG von vornherein keine Schranken für die Rücknahme ergeben. Das Beschwerdegericht übersieht nämlich, dass die Jahresfrist - anders als in dem Parallelverfahren BLw 5/20 - eingehalten ist. Seinen Feststellungen zufolge ist die Käuferin erst am in das Grundbuch eingetragen worden, die auf die Rücknahme bezogene Anhörung ist schon wenige Tage später mit Schreiben vom erfolgt, und der Rücknahmebescheid datiert vom .

D.

9I. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht im Sinne von § 9 LwVG, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG zur Endentscheidung reif. Allerdings bestehen keine Zweifel daran, dass die erteilte Genehmigung, wie in § 48 Abs. 3 VwVfG vorausgesetzt, rechtswidrig ist; auf den Beschluss des Senats in dem Parallelverfahren wird verwiesen (Beschluss vom - BLw 5/20, juris Rn. 36 ff.). Eine eigene Entscheidung ist dem Senat aber schon deshalb nicht möglich, weil das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft die auf die Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts bezogenen Beschwerden von den die Rücknahmeentscheidung betreffenden Rechtsmitteln abgetrennt hat. Da die Rücknahme und die (in der Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts enthaltene) Genehmigungsversagung denselben Verfahrensgegenstand betreffen, lagen die Voraussetzungen für eine Verfahrenstrennung gemäß § 9 LwVG i.V.m. § 20 FamFG nicht vor (vgl. dazu MüKoFamFG/Pabst, 3. Aufl., § 20 Rn. 16). Die Sache muss schon deshalb zurückverwiesen werden, weil eine Entscheidung nur einheitlich ergehen kann; wegen der Verfahrenstrennung fehlen bislang Feststellungen zu den Voraussetzungen der Ausübung des Vorkaufsrechts. Auf den Senatsbeschluss vom (BLw 5/20, juris Rn. 45 ff.) in dem Parallelverfahren wird Bezug genommen.

10II. Infolgedessen ist die Sache zurückzuverweisen. Das Beschwerdegericht wird das Verfahren erneut mit dem abgetrennten Beschwerdeverfahren zu verbinden haben. Für die dann zu treffende Sachentscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

111. Im Ausgangspunkt steht der Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über die Rücknahme der Genehmigung, nicht anders als bei der Erteilung der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz, kein richterlicher Überprüfung entzogener Einschätzungsspielraum zu; denn die Landwirtschaftsgerichte sind in einem Rechtsbehelfsverfahren nach § 22 Abs. 3 GrdstVG - im Unterschied zu den Befugnissen des Verwaltungsgerichts bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen (vgl. BVerwGE 11, 95, 99) - berechtigt, alle Entscheidungen zu treffen, die auch die Genehmigungsbehörde treffen kann (, NJW-RR 2011, 1522 Rn. 18).

122. a) Sollten dringend aufstockungsbedürftige und leistungsfähige Landwirte zu einem Erwerb der Flächen zu den Bedingungen des Kaufvertrags bereit und in der Lage gewesen sein, wäre allerdings ein Versagungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG gegeben; maßgeblich ist insoweit der in § 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG festgelegte Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts (vgl. Senat, Beschluss vom - BLw 32/05, NJW-RR 2006, 1245 Rn. 22; Beschluss vom - BLw 2/14, NJW-RR 2015, 553 Rn. 9). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen wäre dann nicht erkennbar, dass die Rücknahme und die damit verknüpfte modifizierte Genehmigungsversagung rechtswidrig sind. Hinsichtlich der Rücknahme können sich die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG auf Vertrauensschutz nicht berufen. Auf den Beschluss in dem Parallelverfahren wird verwiesen (Senat, Beschluss vom - BLw 5/20, juris Rn. 44, 59). Dass die Genehmigungsbehörde ihrerseits wegen unzureichender Amtsermittlung einen (weiteren) Grund für die Rechtswidrigkeit der Genehmigung gesetzt hat, ist unerheblich (vgl. Senat, Beschluss vom - BLw 5/20, juris Rn. 43). Wäre nämlich die geplante Weiterveräußerung an eine konzernfremde Kapitalanlagegesellschaft offengelegt worden, hätte ein Versagungsgrund offenkundig vorgelegen, ohne dass es weiterer behördlicher Ermittlungen bedurft hätte.

13b) Sollte ein Versagungsgrund gegeben sein, steht die Entscheidung über den Genehmigungsantrag - anders als die Beteiligte zu 1 und offenbar auch das Beschwerdegericht meinen - nicht im freien Ermessen der Behörde (vgl. auch OLG Stuttgart, RdL 1984, 70, 71; Netz, Grundstückverkehrsgesetz, 8. Aufl., Rn. 1981; Seutemann, RdL 2022, 166 ff.; aA OLG Köln, AUR 2021, 264, 265; Martinez in Düsing/Martinez, Agrarrecht, § 9 GrdstVG Rn. 4). Sind die Anforderungen an einen Versagungsgrund im Sinne von § 9 Abs. 1 GrdstVG erfüllt, so ist die Ermessensausübung vielmehr dahingehend intendiert, dass die Genehmigung (durch Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts) versagt werden muss bzw. nur mit Einschränkungen erteilt werden darf (vgl. zum intendierten Ermessen nur Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 40 Rn. 28 ff.); die Entscheidung wird durch das Ziel des Grundstückverkehrsgesetzes vorgegeben, das darin besteht, die Agrarstruktur der Bundesrepublik zu verbessern und land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu sichern (vgl. BVerfG 21, 73, 80 und die Überschrift des Gesetzes). Eine Erteilung der Genehmigung trotz bestehenden Versagungsgrundes kommt, wie die Beteiligte zu 4 zutreffend ausführt, nur unter den in § 9 Abs. 6 und 7 GrdstVG gesetzlich geregelten Voraussetzungen in Betracht. Deshalb sind die auf die langfristige Rückverpachtung der Flächen bezogenen Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die behördliche Entscheidung unbegründet. Dieser Gesichtspunkt macht die Erwerberin nicht zu einem Landwirt und kann einen Versagungsgrund nicht ausräumen (näher Senat, Beschluss vom - BLw 5/20, juris Rn. 40). Infolgedessen kann er sich weder bei der Versagung noch im Rahmen des hinsichtlich der Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumten Ermessens zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 auswirken.

E.

14Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 47, § 60 Abs. 1 und 3, § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.

Stresemann                  Brückner                     Göbel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:290422BBLW4.20.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-17810