Einkommensteuer/Umwandlungssteuer | Keine Kapitalertragsteuerpflicht einer im Rückwirkungszeitraum beschlossenen und vollzogenen "offenen Gewinnausschüttung" in Einbringungsfällen (BFH)
§ 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG
2006 erfassen bei der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine
Kapitalgesellschaft auch den Fall einer im Rückwirkungszeitraum beschlossenen
und vollzogenen "offenen Gewinnausschüttung" der übernehmenden Gesellschaft an
den sein Einzelunternehmen einbringenden Gesellschafter (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist u.a., ob Kapitalertragsteuer anzumelden und abzuführen ist, wenn ein Einzelunternehmen, zu dessen Betriebsvermögen eine GmbH-Beteiligung gehört, rückwirkend in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird und während des Rückwirkungszeitraums eine Gewinnausschüttung aus der Beteiligung erfolgt, die an den (vormaligen) Einzelunternehmer weitergeleitet wird.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Die Befugnis des Steuerentrichtungspflichtigen zur Anfechtung der eigenen Kapitalertragsteuer-Anmeldung besteht unabhängig von seinem Recht, gemäß § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG deren Änderung zu beantragen, wenn er Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt hat, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestand.
§ 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG 2006 erfassen bei der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft auch den Fall einer im Rückwirkungszeitraum beschlossenen und vollzogenen "offenen Gewinnausschüttung" der übernehmenden Gesellschaft an den sein Einzelunternehmen einbringenden Gesellschafter.
Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:
Die erste Aussage des Besprechungsurteils betrifft die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft als steuerentrichtungspflichtige Schuldnerin einer Dividendenausschüttung (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Satz 3, 44 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2, 45a EStG; für den Zuflusstag § 44 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 EStG) die von ihr (zur Vermeidung einer Haftung gemäß § 44a Abs. 5 EStG) abgegebene Kapitalertragsteueranmeldung (§ 168 S. 1 AO) selbst anfechten darf, wenn Zweifel an der Steuerbarkeit der angemeldeten Ausschüttung bestehen oder ob die Kapitalgesellschaft in diesem Fall nur das in § 44b Abs. 5 EStG geregelte speziellere Erstattungsverfahren (Änderungsantrag zur Steueranmeldung, vgl. § 44b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG i.V.m. § 164 Abs. 2, 168 S. 1 AO) betreiben darf. Der Weg über den Änderungsantrag gemäß § 44b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG stünde der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung gegen die Steueranmeldung entgegen, da es sich um ein Verpflichtungsbegehren handelt.
Der VIII. Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des I. Senats des BFH davon aus, dass der ausschüttenden steuerentrichtungspflichtigen Kapitalgesellschaft auch die Anfechtung der eigenen Kapitalertragsteueranmeldung mit dem Ziel einer AdV-Gewährung eröffnet ist (vgl. BFH, Beschlüsse v. - I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489, und I B 76/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1491). Die ausschüttende GmbH kann durch die Anfechtung der Kapitalertragsteueranmeldung deren Aufhebung und die Erstattung der abgeführten Kapitalertragsteuer an sich erreichen.
Alternativ könnte auch der Dividendenempfänger als Gläubiger der Kapitalerträge und Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) die Kapitalertragsteueranmeldung der GmbH im Wege der Drittanfechtung anfechten. Dies ist jedoch in der Regel ineffektiv. Denn im Rahmen der Drittanfechtung ist nur zur prüfen, ob die ausschüttende GmbH nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG) zu Recht für Rechnung des Gläubigers Kapitalertragsteuer angemeldet und einbehalten hat. Eine materielle Vollprüfung der Steuerbarkeit der Dividende findet nur in der Veranlagung des Gläubigers statt (vgl. auch Schmidt/Levedag, EStG, 41. Aufl., § 45a Rz. 2). Wird über einen rechtsgrundlosen Steuerabzug gestritten, sind im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs die Rechtsschutzmöglichkeiten der ausschüttenden GmbH, die die Kapitalertragsteuer lediglich für Rechnung des Dividendenempfängers einbehalten muss und selbst nicht Schuldnerin der Kapitalertragsteuer ist, also umfassender als diejenigen des Gläubigers und Steuerschuldners der Kapitalertragsteuer.
Die zweite wichtige Aussage der Entscheidung betrifft die Steuerbarkeit einer im Rückwirkungszeitraum (am ) beschlossenen offenen Gewinnausschüttung als Dividende (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), wenn ein Einzelunternehmen gemäß § 20 UmwStG in eine GmbH eingebracht wird. Im Besprechungsfall hatte der Einzelunternehmer im Rückwirkungszeitraum vor der zivilrechtlichen Existenz der das Betriebsvermögen übernehmenden GmbH eine "offene Gewinnausschüttung" der künftigen GmbH an sich beschlossen. Es waren ihm die beschlossenen Dividendenbeträge vom Konto des Einzelunternehmens vor Entstehung der GmbH unter Einbehalt der Kapitalertragsteuer ausbezahlt worden. Der VIII. Senat hat geklärt, dass die beschlossene "offene Gewinnausschüttung" im Rückwirkungszeitraum nicht zu einem steuerbaren Kapitalertrag i.S. von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen kann. Sie ist nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG 2006 steuerlich als Entnahme aus dem im Rückwirkungszeitraum noch bestehenden Einzelunternehmen zu beurteilen.
Ungeachtet der durch § 20 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UmwStG 2006 bestimmten grundsätzlichen Einkommensermittlung auf Ebene der aufnehmenden Kapitalgesellschaft und des Anteilseigners ab dem Tag nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: ab dem ) werden nicht betrieblich veranlasste Zahlungen an den Anteilseigner der aufnehmenden Kapitalgesellschaft bis zum Ablauf des Rückwirkungszeitraums nicht als (verdeckte) Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) sowie beschlossene "offene Gewinnausschüttungen" nicht als Dividenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG), sondern als Entnahmen besteuert.
Die Sätze 2 und 3 des § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 enthalten besondere und vorrangige Einkommensermittlungsvorschriften. Die Entnahme mindert nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006 die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (§ 20 Abs. 3 UmwStG 2006). Ob bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine GmbH (hier: gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) vor der zivilrechtlichen Entstehung der GmbH ein zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss gefasst werden könnte, bedurfte wegen der vorrangigen steuerrechtlichen Einordnung der "Ausschüttung" als Entnahme in § 20 Abs. 5 UmwStG 2006 keiner Entscheidung .
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
TAAAJ-17358