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Online-Nachricht - Donnerstag, 07.07.2022

Einkommensteuer | Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens (BFH)

Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von ). Im Falle verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes werden bis zum entstandene Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, in welchem Umfang Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen besteuert werden. Streitig ist insbesondere, ob der gemeine Wert der veräußerten Anteile zum (Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 10 %) als Anschaffungskosten anzusetzen ist.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von , BFH/NV 1998, 691).

  • Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen. Der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht (u.a. betreffend die Aufstockung einer unwesentlichen Beteiligung, und , jeweils betreffend den Wertzuwachs vor Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht). Dies gilt auch für § 17 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung.

  • Verfassungsrechtlich gebotener Vertrauensschutz nach Maßgabe des (BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) setzt u.a. voraus, dass die bis zum entstandenen Wertsteigerungen im Falle einer Veräußerung nach dem auch im Zeitpunkt der Veräußerung nach der bis zum geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.

  • Ist das nicht der Fall, beruht die rückwirkende Verstrickung der Wertsteigerungen nicht auf der (dem Gesetzgeber zurechenbaren) Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle, sondern - wie im Streitfall - auf dem (der Sphäre des Steuerpflichtigen zurechenbaren) Hineinwachsen in die Wesentlichkeit; Vertrauensschutz ist insoweit nicht geboten.

  • Ist verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz geboten, werden die bis zum entstandenen Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert.

  • Verluste, die sich ergeben, wenn der gemeine Wert der Anteile am dem Veräußerungserlös gegenübergestellt wird, sind nicht steuerbar.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Mit der Entscheidung klärt der BFH eine bislang noch nicht entschiedene "Altlast". Die Frage, ob bei Eintritt in die Steuerverhaftung in der Folge der Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle durch das StEntlG 1999/2002/2002 und das StSenkG auch danach eintretende Wertminderungen als Verlust steuerlich beachtlich sind, war noch ungeklärt.

Nach Ansicht des BFH ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen. Der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerverhaftung ist nicht maßgeblich. Insoweit fehlt es an einer den Ansatz des gemeinen Werts ausdrücklich anordnenden Regelung (wie z.B. bei § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG für den Fall des Zuzugs in das Inland, vgl. dazu , BStBl II 2022, 172).

Diese Ansicht ist konsequent und folgt auch aus dem , 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl II 2011, 86. Denn der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet es, bis zum Eintritt die Steuerverhaftung entstandene Wertsteigerungen als nicht steuerbar zu belassen. Das Entstehen fiktiver Veräußerungsverluste aufgrund des Ansatzes des gemeinen Werts zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerverhaftung anstelle der tatsächlich aufgewandten Anschaffungskosten ist vom Vertrauensschutz nicht umfasst. Folgte man der gegenteiligen Auffassung, würden für Zwecke der Gewinnermittlung nach § 17 EStG Anschaffungskosten in einer Höhe berücksichtigt, die tatsächlich nicht aufgewandt worden sind. Dies widerspräche der ständigen BFH-Rechtsprechung, die vom Ansatz der tatsächlichen Anschaffungskosten ausgeht (vgl. u.a. , BStBl II 2021, 335 und , BFH/NV 2020, 867).

Der Ansatz der tatsächlich aufgewandten Anschaffungskosten erfolgt daher auch dann, wenn eine bislang steuerlich nicht verhaftete Beteiligung von unter 1% in die Steuerbarkeit nach § 17 EStG hineinwächst, weil in der Folge des Erwerbs von eigenen Anteilen oder der Einziehung von Anteilen sich die Beteiligungsquoten verschieben.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
SAAAJ-16972