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Online-Nachricht - Donnerstag, 07.07.2022

Einkommensteuer | Nachträgliche Geltendmachung des Wahlrechts auf einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG (BFH)

Die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs für eine zusätzliche Altersvorsorge gemäß § 10a EStG steht im Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Dieses Wahlrecht muss nicht zwingend durch Abgabe der Anlage AV zur Einkommensteuererklärung ausgeübt werden, sondern kann auch formlos geltend gemacht werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist u.a., ob für die Geltendmachung des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG ein Antrag in Form der Anlage AV erforderlich ist.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs für eine zusätzliche Altersvorsorge gemäß § 10a EStG steht im Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Allein die Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 10a EStG reichen für einen Sonderausgabenabzug nicht aus. Denn sonst bliebe unberücksichtigt, dass ein solcher belastende - vom Steuerpflichtigen nicht erwünschte - Folgewirkungen mit sich ziehen kann.

  • So kann es bspw. für den Steuerpflichtigen von Vorteil sein, Beträge aus einer Entgeltumwandlung oder andere Finanzierungsanteile zur betrieblichen Altersvorsorge bewusst nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei zu stellen und diese Beträge nicht nach § 10a EStG geltend zu machen.

  • Das Wahlrecht muss nicht zwingend durch Abgabe der Anlage AV zur Einkommensteuererklärung ausgeübt werden, sondern kann auch formlos durch einen schlichten Antrag des Steuerpflichtigen geltend gemacht werden.

  • Jedoch kommt eine Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO i.V.m. § 10a Abs. 5 Satz 2, § 10 Abs. 2a Satz 8 Nr. 1 EStG in der bis einschließlich des VZ 2016 geltenden Fassung nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG erstmals nach Eintritt der materiellen Bestandskraft begehrt.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Häufig lohnt es sich, neben den Zulagen für zertifizierte Altersvorsorgeverträge (sog. Riester-Rentenverträge) auch den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG zu beantragen. Allerdings handelt es sich insoweit um ein Wahlrecht, was der BFH klarstellt. Somit bedarf es für die in § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG konzipierte Günstigerprüfung mehr als nur das Vorliegen dieser eDaten beim Finanzamt. Denn der Abzug der Sonderausgaben nach § 10a EStG kann sich ggf. nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken. Neben der Rückzahlung der Steuerermäßigungen bei einer späteren schädlichen Verwendung (§ 93 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist etwa zu bedenken, dass im Rahmen von Entgeltumwandlungen Beträge bewusst nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei zu stellen und nicht als Sonderausgaben nach § 10a EStG geltend zu machen sind.

Dieses Wahlrecht kann, da gibt es verfahrensrechtlich keine Besonderheiten, nur solange ausgeübt werden, wie die Einkommensteuerfestsetzung noch nicht materiell bestandskräftig geworden ist. Im Regelfall ist der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG somit spätestens während des Einspruch- oder Klageverfahrens oder während der Geltung eines Vorbehalts der Nachprüfung geltend zu machen. Danach bedarf es für die Ausübung auch dieses Wahlrechts des Vorliegens einer bestandsdurchbrechenden Änderungsvorschrift (vgl. nur , BStBl II 2021, 92, Rz 19 zu § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Eine solche lag für den Streitzeitraum nicht vor. Für die Veranlagungszeiträume vor 2017 sind jedenfalls § 10a Abs. 5 Satz 2, § 10 Abs. 2a Satz 8 Nr. 1 EStG a.F. keine Änderungsvorschriften, wie sie § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO meint. Inwieweit ggf. § 175b Abs. 1 AO i.V.m. § 150 Abs. 7 Satz 2 AO, die seit dem gelten, nunmehr eine solche Korrektur möglich machen, dazu äußert sich der BFH nicht.

Unabhängig von der zweijährigen Festsetzungsfrist nach Zugang von eDaten i.S.d. § 93c AO, bedarf es jedenfalls auch dann der Ausübung des Wahlrechts. Diese liegt jedenfalls nicht schon darin, dass der Steuerpflichtige der Übermittlung der eDaten an die Finanzbehörden zugestimmt hat.

Will der Steuerpflichtige den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG geltend machen und "auf Nummer sicher gehen", hat er sein Wahlrecht also spätestens im Einspruchsverfahren auszuüben. Die Anlage AV muss er dabei nicht verwenden – sollte dies aber, um Rückfragen des Finanzamtes zu vermeiden.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
IAAAJ-16971