OFD Frankfurt/M. - S 2770 A-55-St 55

Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts; "Kleine Organschaftsreform"

HMdF-Erlass vom - S 2770 A - 072 - II 41 -
HMdF-Erlass vom - S 2770 A - 072 - II 41 -

Bezug: BStBl 2006 I S. 12

Bezug:

Zu diversen Anwendungsfragen in Zusammenhang mit der sog. „kleinen Organschaftsreform“ nehme ich wie folgt Stellung:

1. Anwendung des § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 4 KStG

1.1 Allgemeines

Soweit die Handelsbilanz fehlerhafte Bilanzansätze enthält, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen eine Korrektur der Handelsbilanz erfordern, gilt der Gewinnabführungsvertrag unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3. S. 4 KStG als tatsächlich durchgeführt.

Das BMF hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Vereinfachungen zur Organschaft insbesondere dazu dienen sollen, die Möglichkeit zu eröffnen, im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete fehlerhafte Bilanzansätze, die auf die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags durchschlagen, sowie formelle Fehler des Gewinnabführungsvertrags künftig nachträglich zu korrigieren, so dass sie nicht mehr unweigerlich zu einem Wegfall der steuerlichen Organschaft führen. Ein Steuerpflichtiger hat danach immer die Möglichkeit, durch eine Korrektur - auch in laufender Rechnung - die steuerliche Anerkennung der Organschaft abzusichern.

Liegt ein entsprechender Fehler vor, bitte ich die Beanstandung schriftlich vorzunehmen und dabei ausdrücklich auf § 14 Abs.1 Nr. 3 S. 4 und 5 KStG hinzuweisen. Nach außen hin muss für den Steuerpflichtigen jedenfalls eine abschließende Willensbildung des Finanzamts erkennbar sein (z.B. im Rahmen eines Bp-Berichts).

1.2 Fehlerhafter Bilanzansatz, Anknüpfung an den subjektiven Fehlerbegriff und Korrekturpflicht

Ein fehlerhafter Bilanzansatz i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 1. HS KStG ist zunächst jegliche Art von Fehler, unabhängig davon, ob dieser gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) verstößt oder nicht.

Bei der Beurteilung, ob überhaupt ein Fehler vorliegt, kommt es auf die objektive Betrachtungsweise an, da darauf abgestellt wird, ob die Handelsbilanz der Organgesellschaft das objektiv zutreffende Ergebnis ausweist.

Davon zu unterscheiden ist die Anwendung der Durchführungsfiktion des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 KStG.

Um diese anwenden zu können, ist der subjektive Fehlerbegriff zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Bst. b KStG. Dieser besagt, dass für die Fehlerbeurteilung ein wirksam festgestellter handelsrechtlicher Jahresabschluss (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Bst. a KStG), dessen Fehlerhaftigkeit bei der Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen, maßgebend ist.

Weiterhin ist die Korrekturpflicht des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 Bst. c KStG zu erfüllen. Die Korrektur kann dabei in der Mehrzahl der Fälle in laufender Rechnung erfolgen, d. h. der fehlerhafte Abschluss muss nicht durch einen fehlerfreien ersetzt werden. Die gesetzlich vorgesehene zeitnahe Korrektur der fehlerhaften Bilanzansätze in der Handelsbilanz ist daher in der Regel nicht problematisch.

Zur Beurteilung, ob eine Korrekturpflicht in laufender Rechnung bzw. die Pflicht zur Rückwärtsberichtigung der Handelsbilanz besteht, ist es in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, die Kriterien der IDW RS HFA 6 (IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen) als Anhaltspunkte heranzuziehen.

Besteht Streit darüber, ob ein Fehler vorliegt, der zu einer Korrektur der Handelsbilanz zwingt, trägt der Steuerpflichtige das Risiko des Ausgangs eines Rechtsstreits.

Sofern ein Streitfall vorliegt, z. B. weil der Abschlussprüfer die Auffassung der Finanzverwaltung ausnahmsweise als so falsch empfindet, dass er eine Korrektur nicht befürworten möchte, kann dem Bestätigungsvermerk des Jahresabschlussprüfers keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Wäre dies grundsätzlich der Fall, könnten zu keiner Zeit fehlerhafte Bilanzansätze beanstandet werden. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 KStG würde in einem Umfang eingeschränkt werden, der dem Zweck der Regelung nicht entspricht. Die Arbeitshilfe der OFD Karlsruhe zur Verfügung vom – S 2770/52/2-St 221 steht dieser Aussage nicht entgegen. Sie bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Beurteilung des Wirtschaftsprüfers in der Mehrzahl der Fälle, in denen eine Korrektur der Handelsbilanz in Rede steht, gefolgt werden kann. Es ergibt sich hieraus keine Bindungswirkung.

Ein fehlerhafter Bilanzansatz ist auch bei anderen Verstößen gegen gesellschaftsrechtliche Regelungen anzunehmen, insb.

  • bei dem unterbliebenen Ausgleich vororganschaftlicher Verluste,

  • bei der Nichtbeachtung handelsrechtlicher Abführungssperren, auch wegen der Nichtbildung gesetzlich vorgeschriebener Rücklagen,

  • bei der unzulässigen Abführung vororganschaftlicher Gewinn- oder Kap-Rücklagen bei einer nicht eingegliederten Organgesellschaft,

  • bei der unzulässigen Abführung einer in organschaftlicher Zeit gebildeten und aufgelösten Kapitalrücklage,

  • bei der unzulässigen Vollabführung des Gewinns einer nicht i.S.d. §§ 319 ff. AktG eingegliederten Organgesellschaft an den Organträger unter Nichtbeachtung der Ansprüche außenstehender Anteilseigner auf Leistung einer Ausgleichszahlung.

1.3 Anwendung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 und 5 KStG bei Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB im Kontext eines IFRS-Konzernabschlusses

Die Fiktion des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG gilt nicht im Falle eines Bestätigungsvermerks zu einem nach IFRS-Vorschriften erstellten Konzernabschluss, in welchem aufgrund der Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB kein handelsrechtlicher Jahresabschluss einbezogen wurde.

Hintergrund dieser Auffassung ist eine Erörterung zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder zur Frage, ob zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG bei internationalen Konzernen ein nach IFRS-Normen erstellter Konzernabschluss genügt oder ob für die Organgesellschaft (OG) ein Abschluss nach HGB zwingend erforderlich sei, wenn für sie die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB in Anspruch genommen wird.

2. Änderung des fehlerhaften Datums in § 34 Absatz 10b Satz 2 KStG

§ 34 Abs. 10b KStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom (BGBl I 2013, 285) enthielt eine Frist, innerhalb derer Gewinnabführungsverträge an die Neuregelung des § 17 S. 2 Nr. 2 KStG zur Vereinbarung der Verlustübernahme angepasst werden können, ohne das die Änderung des Vertrages für Zwecke der steuerlichen Organschaft als Neuabschluss anzusehen ist oder sich allein daraus Auswirkungen auf die Anerkennung der steuerlichen Organschaft ergeben. Die Frist sollte die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 umfassen. Aufgrund der Formulierung „…steht dies der Anwendung der §§ 14 bis 16 für Veranlagungszeiträume, die vor dem enden, nicht entgegen…“, war der VZ 2014 in dem geschützten Zeitraum nicht enthalten. Die Jahreszahl wurde mit dem AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz vom (BGBl I 2013, 4318) durch die Angabe „ “ ersetzt.

3. Verlustübernahmeregelung in § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG; Anpassung von Alt-GAV, die keinen Verweis auf § 302 Abs. 4 AktG enthalten

Eine Anpassung des GAV ist dann erforderlich, wenn der Alt-GAV nicht den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 KStG a. F. entspricht (es wird bspw. nur auf Teile des § 302 AktG verwiesen oder nur der Wortlaut des § 302 Abs. 1 AktG wiedergegeben). Enthält der Alt-GAV jedoch eine umfassende Wortlautwiedergabe des § 302 AktG (ohne Abs. 2), ist der GAV sowohl in Altzeiträumen als auch künftig anzuerkennen, ohne dass es einer Anpassung des GAV bedarf, KStG 1977 § 34 Abs 10b S 1 u 2 2013-12-18 in der Fassung des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz vom (BGBl I 2013, 4318). Entsprechendes gilt für GAV mit der Formulierung „im Übrigen gilt § 302 AktG in vollem Umfang entsprechend“ (entspricht nicht dem in der Neufassung des § 17 KStG geforderten dynamischen Verweis auf die jeweils gültige Fassung des § 302 AktG).

Die Regelung in § 34 Absatz 10b Satz 2 KStG löst auch nicht die Notwendigkeit aus, Alt-GAV, die keinen Verweis auf die entsprechende Anwendung von § 302 Absatz 4 AktG enthalten, aber von der Billigkeitsregelung des BStBl I 2006, 12 (ofix: KStG/17/1) in der Vergangenheit steuerlich „geschützt“ waren, bis Ende 2014 wirksam anzupassen, um die weitere steuerliche Anerkennung dieser Verträge sicherzustellen. Eine vollständige Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen ist jedoch in diesen Fällen nur durch eine Änderung des Vertrages erreichbar, weil die Gerichte nicht an die Billigkeitsregelungen der Verwaltung gebunden sind. Steuerpflichtige, die eine entsprechende Anfrage an das Finanzamt richten, sollten deshalb der guten Ordnung halber darauf hingewiesen werden.

4. Anwendung des § 34 Absatz 10b Satz 4 KStG in der Fassung des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz vom (BGBl I 2013, 4318), wenn der Gewinnabführungsvertrag in seiner bisherigen Fassung bereits dem § 17 KStG a.F. entsprochen hat.

Nach § 34 Absatz 10b Satz 4 KStG gilt eine Änderung des Gewinnabführungsvertrags, die auf § 34 Absatz 10b Satz 2 KStG gestützt wird, nicht als Neuabschluss. Bei Unternehmen besteht die Sorge, dass diese Aussage dann nicht greifen könnte, wenn das Finanzamt der Meinung ist, eine Änderung nach § 34 Absatz 10b Satz 2 KStG sei gar nicht erforderlich gewesen, weil auch die bisherige Fassung dem § 17 KStG a.F. entsprach.

Diese Sorge ist – auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung – unbegründet.

OFD Frankfurt/M. v. - S 2770 A-55-St 55

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
RAAAJ-16887