Online-Nachricht - Mittwoch, 06.07.2022

Solidaritätszuschlag | Festsetzung ab dem VZ 2020 verfassungsgemäß (FG)

Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags ab dem VZ 2020 ist weiterhin verfassungsgemäß (; Revision anhängig, BFH-Az. IX R 9/22).

Sachverhalt: Streitig ist, ob die ab 2020 fortgeltende Erhebung des Solidaritätszuschlags für VZ beginnend ab trotz des in 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verfassungsgemäß ist.

Hierzu führten die Richter des FG Baden-Württemberg weiter aus:

  • Entgegen der Auffassung des beklagten FA ist die Klage zulässig, obwohl hinsichtlich der Frage, ob der Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß sei, die Festsetzung vorläufig ergangen ist. Die beim BVerfG anhängigen Verfahren (Az. 2 BvR 1505/20, 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19) können nach Auffassung des FG Baden-Württemberg unzulässig sein bzw. unterscheiden sich vom Streitfall.

  • Das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 1505/20 richtet sich unmittelbar gegen die gesetzliche Neuregelung des Solidaritätszuschlags. Der Rechtsweg ist im Gegensatz zum Streitfall nicht ausgeschöpft worden. Die Verfahren 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19 betreffen weder VZ nach dem Auslaufen des Solidarpakts II noch die streitgegenständliche Gesetzesfassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags (RückfSolZG) ab VZ 2021. Diese eröffnet im Vergleich zu den vorherigen Gesetzesfassungen neue Streitfragen.

  • Allerdings ist die Klage unbegründet: Die Ergänzungsabgabe beschränkt sich auf Mehrbelastungen des Bundes. Die Gestaltungsfreiheit ermöglicht die Wahl zwischen einer Ergänzungsabgabe und einer Steuererhöhung, solange die dem Bund und den Ländern zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt werden. Die kassenmäßigen Steuereinnahmen sowie die Höhe des Solidaritätszuschlags belegen jedoch ein angemessenes Verhältnis.

  • Entgegen den Ausführungen der Kläger muss eine Ergänzungsabgabe weder befristet noch nur für einen kurzen Zeitraum erhoben werden. Dies gilt im Streitfall auch, obwohl eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden kann, wenn sich die für die Einführung maßgebenden Verhältnisse grundlegend ändern.

  • Denn der wiedervereinigungsbedingte zusätzliche Finanzierungsbedarf des Bundes, z.B. im Bereich der Rentenversicherung, besteht fort. Außerdem hat der Gesetzgeber die konkrete fiskalische Ausnahmelage hinreichend deutlich erkennbar gemacht.

  • Eine genaue Bezeichnung der zu finanzierenden Aufgaben in der Gesetzesbegründung, d.h. die Angabe einer detaillierten Zweckbestimmung, ist nicht erforderlich. Neue Aufgaben können hinzukommen, so z.B. die Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der Ausnahmesituation infolge des Ukraine-Konflikts.

  • Dieser besondere Finanzbedarf kann zu berücksichtigen sein. Im Haushaltsplan kann eine entsprechende Feststellung erfolgen.

  • Auch die konkrete Ausgestaltung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags ab dem VZ 2021 ist verfassungsgemäß. Freigrenzen und eine „sog. Milderungszone“ sind unter Beachtung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und der zulässigen Verfolgung von Förderungs- und Lenkungszwecken aus sozialen Gründen zulässig.

  • Diese Maßnahmen mit stärkerer Besteuerung höherer Einkommen entsprechen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Sie stellen nach der Gesetzesbegründung zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar.

  • Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigeren Einkommen haben eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d.h. sie sind typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben.

  • Im Übrigen ist bereits der Spitzensteuersatz gesenkt und ein Ausgleich geschaffen worden. In Bezug auf die Besteuerung von Kapitalerträgen gibt es die sog. Günstigerprüfung, so dass diese Einkünfte entweder mit dem Abgeltungssteuersatz mit Festsetzung eines Solidaritätszuschlags in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer oder mit dem niedrigeren individuellen Steuersatz berechnet werden können.

  • Außerdem ist die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die geplante Abschmelzung des Solidaritätszuschlags infolge der völlig anderen Tarifstruktur zulässig.

Hinweis:

Die gegen die Entscheidung eingelegte Revision ist beim BFH unter dem Az. IX R 9/22 anhängig. Der Volltext des Urteils ist zurzeit noch nicht verfügbar.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. (il)

Nachricht aktualisiert am , 08:55 Uhr: Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Baden-Württemberg unter www.justiz.baden-wuerttemberg.de abrufbar. (il)

Fundstelle(n):
IAAAJ-16770