Verfahrensrecht | Vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen (FG)
Die vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen für Zeiträume ab 2019 kann nicht ermessensfehlerfrei aufgehoben und die Entscheidung über die Zinsfestsetzung ausgesetzt werden nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i. V. mit § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO. Eine auf Aufhebung eines Vorläufigkeitsvermerks zur Festsetzung von Erstattungszinsen gerichtete Klage ist nicht deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig, weil eine Änderung des Zinsbescheides zuungunsten der Kläger ohnehin nicht erfolgen kann. Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied (; Revision anhängig, BFH-Az. VIII R 12/22).
Sachverhalt: Im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2017 vom waren Erstattungszinsen festgesetzt worden, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk bzgl. der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat versehen waren. Gegen diesen Vorläufigkeitsvermerk richtete sich die Klage. Während des Klageverfahren erging am der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der Zinssatz nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 2014 für verfassungswidrig, aber erst ab 2019 eine Neuregelung eingefordert wurde mit Frist bis . Daraufhin änderte der Beklagte den angegriffenen Zinsbescheid in der Weise, dass er die Zinsfestsetzung aufhob und „teilweise“ für Verzinsungszeiträume ab 2019 nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO aussetzte; ausgenommen waren vor der Veröffentlichung der Entscheidung festgesetzte Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.
Die Klage hatte Erfolg:
Das Gericht hat die Klage trotz der Aussetzung des Zinsbescheides als zulässig angesehen, weil sich dadurch das klägerische Begehren nicht erledigt, sondern sogar verschlechtert habe.
Statt einer vorläufigen Zinsfestsetzung in bezifferter Höhe, die eine Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe auslösen können, würden die Kläger nun ohne jegliche Zinsfestsetzung auf eine künftige Neuregelung verwiesen.
Auch in der Sache haben die Kläger in voller Linie Recht bekommen. Mit der Aufhebung des Zinsbescheides und der Aussetzung der Zinsfestsetzung habe der Beklage seine Ermessengrenzen überschritten und die Vorgaben des zum Umgang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts missachtet.
Darüber hinaus durfte die Festsetzung der Zinsen nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden. Der diesbezügliche Klageantrag sei – entgegen der abweichenden Annahme des FG Münster () – zulässig, weil von dem Vorläufigkeitsvermerk eine beschwerende Rechtsunsicherheit ausgehe, und habe auch in der Sache Erfolg. Bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung habe festgestanden, dass eine spätere Änderung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausgeschieden sei.
Hinweis:
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Diese ist beim BFH unter dem Az. VIII R 12/22 anhängig.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 2/2022 v. (RD)
Fundstelle(n):
IAAAJ-16650