Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: Darlegungspflichten der Partei nach Mandatsniederlegung durch den zunächst tätigen, postulationsfähigen Rechtsanwalt
Gesetze: § 78 Abs 1 ZPO, § 78b Abs 1 ZPO, § 544 ZPO
Instanzenzug: Az: 10 U 135/20vorgehend LG Bad Kreuznach Az: 2 O 268/18
Gründe
1I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung in Anspruch.
2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
3Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Berufungsentscheidung hat der Kläger fristgerecht Beschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt. Dieser hat mit Schriftsatz vom angezeigt, dass er das Mandat niederlege. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum verlängert worden.
4Mit einem am beim Bundesgerichtshof eingegangenen Telefaxschreiben hat der Kläger persönlich beantragt, ihm einen Notanwalt für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beizuordnen.
5II. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist unbegründet.
61. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht nach § 78b Abs. 1 ZPO einer Partei auf ihren Antrag einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
72. Die erstgenannte Voraussetzung des § 78b Abs. 1 ZPO ist nur erfüllt, wenn die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden und ihre vergeblichen Bemühungen dem Gericht - innerhalb der Rechtsmittelfrist - substantiiert dargelegt und gegebenenfalls nachgewiesen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - IV ZR 391/16, juris Rn. 6; vom - IV ZR 290/03, NJW-RR 2004, 864 unter 2 a [juris Rn. 5]; , juris Rn. 7; jeweils m.w.N.). Der Kläger hat seinen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts damit begründet, es seien von ihm alle BGH-Anwälte telefonisch angefragt worden, keiner habe Kapazitäten frei gehabt, sich seines Anliegens annehmen zu können. Er hat Absage-Erklärungen mehrerer am Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwälte bis zum Ablauf der Begründungsfrist nachgereicht.
8Allerdings kommt, wenn eine Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt mandatiert hat, im Fall der späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Das hat die Partei ebenfalls innerhalb der maßgeblichen Frist darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom aaO; BGH, Beschlüsse vom - V ZR 112/20, juris Rn. 2; vom - VIII ZR 300/18, FamRZ 2020, 1390 Rn. 5; jeweils m.w.N.).
9Der Kläger hat dazu auf entsprechenden Hinweis des Senats angegeben, sein bisheriger am Bundesgerichtshof zugelassener Prozessbevollmächtigter habe ihn mehrfach beschieden, dass er die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen könne wegen der "BGH-Bestimmungen", nach denen nur nach strengen Regeln verfahren werden dürfe, was in der ersten Instanz versäumt worden sei, könne beim Bundesgerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden. Daraufhin habe er, der Kläger, Rücksprache mit seinem vorinstanzlichen Rechtsanwalt gehalten, der auf seine Berufungsbegründung verwiesen habe. Der am Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt habe weiter darauf beharrt, dass er die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen könne. Indes kann die Bestellung eines Notanwalts nicht allein deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält. Denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen (BGH, Beschlüsse vom - II ZB 7/20, juris Rn. 7; vom 6. Fe-bruar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 10; vom - XII ZR 11/17, FamRZ 2017, 1705 Rn. 8; jeweils m.w.N.).
10Da der Kläger schon den formellen Anforderungen nicht genügt hat, kann offenbleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:120121BIVZR206.20.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-16211