Verfahrensrecht | Ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei vermuteter Bevollmächtigung (BFH)
Treten Angehörige der steuerberatenden Berufe für einen Steuerpflichtigen gegenüber Finanzbehörden auf, wird auch vor der Einfügung des § 80 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom (BGBl 2016 I S. 1679) mit Wirkung vom die ordnungsgemäße Bevollmächtigung ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht vermutet (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2004 (Streitjahr).
Mit Schreiben vom zeigten die Prozessbevollmächtigten der Kläger beim FA an, dass sie die Kläger hinsichtlich der "Erklärung von Einkünften für die Jahre 2008 - 2011" sowie "Einkommensteuer 2012" vertreten und reichten entsprechende, von den Klägern unterschriebene Vollmachten ein. Dem Schreiben war eine Schätzung ausländischer Kapitalerträge für die Jahre 2008 bis 2011 beigefügt. Im weiteren Verlauf forderte das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung die Prozessbevollmächtigten auf, die Anlagen KAP für die Jahre 2008 bis 2011 einzureichen und darüber hinaus auch die Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004 bis 2007 zu erklären.
Die Prozessbevollmächtigten reichten sodann "wunschgemäß die ergänzenden Anlagen KAP zur Nacherklärung von Einkünften unserer (...) Mandanten für die Jahre 2004 bis 2011" sowie für die Jahre 2004 bis 2007 " weitere Bankunterlagen zum Nachweis der in den Anlagen KAP angegebenen Beträge" ein.
Das FA änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 mit Bescheid vom und stellte den geänderten Einkommensteuerbescheid mit Zustellungsurkunde am den Prozessbevollmächtigten zu. Diese leiteten den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr im Januar 2016 an die Kläger weiter.
Die Kläger, nach deren Auffassung die Prozessbevollmächtigten nur für die Jahre 2008 bis 2011 bevollmächtigt gewesen seien und der Einkommensteuerbescheid für 2004 daher nicht wirksam bekannt gegeben worden sei, legten hiergegen Einspruch ein und beantragten parallel die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids. Der Einspruch wurde zurückgewiesen und der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids für 2004 abgelehnt. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage unbegründet ist. Es hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass das FA den Einkommensteuerbescheid für 2004 durch Zustellung an die Prozessbevollmächtigten gem. § 122 Abs. 1, Abs. 5 AO i. V. mit § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes i. V. mit §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung am auch mit Wirkung gegenüber den Klägern und damit auch rechtzeitig - vor Ablauf der Festsetzungsfrist zum um 24:00 Uhr - bekannt gegeben hat.
Das FA hat sein Ermessen, den Steuerbescheid für 2004 nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch ohne das Vorliegen einer schriftlichen Empfangsvollmacht nach § 80 Abs. 1 Satz 3 AO in der Fassung des Streitjahres dem Prozessbevollmächtigten anstatt den Klägern zuzustellen, fehlerfrei ausgeübt.
Dass eine Bevollmächtigung i. S. des § 122 Abs. 1 Satz 3 AO nicht schriftlich vorliegen muss, sondern sich aus den Umständen ergeben kann, folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 3 AO in der Fassung des Streitjahres. Danach hat der Bevollmächtigte seine Vollmacht nur auf Verlangen schriftlich nachzuweisen. Bei Personen und Vereinigungen i. S. der §§ 3 und 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes , die für den Steuerpflichtigen handeln, wird gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom (BGBl 2016 I S. 1679) eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet.
Diese Vermutung gilt trotz Vorliegens einer auf bestimmte Zeiträume beschränkten schriftlichen Vollmacht auch für außerhalb der schriftlichen Vollmacht liegende Zeiträume, wenn der Angehörige der steuerberatenden Berufe für diese Zeiträume gegenüber dem FA wie ein Bevollmächtigter auftritt.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände durfte das FA daher vermuten, dass die zunächst auf die Jahre 2008 bis 2012 beschränkte Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten durch die Kläger nachträglich auf die Jahre 2004 bis 2007 erweitert wurde. Da die ursprüngliche Bevollmächtigung ausdrücklich zum Empfang der Steuerbescheide ermächtigte, durfte das FA davon ausgehen, dass dies auch für die Jahre 2004 bis 2007 galt.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
WAAAJ-16171