Überbrückungsgeld nach der SeemKSa - Wartezeit - Fahrtzeiten auf Schiffen der ehemaligen NVA
Leitsatz
Fahrtzeiten auf Schiffen der ehemaligen Nationalen Volksarmee sind keine versicherungspflichtigen Seefahrtzeiten, die auf die Wartezeit für ein Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse angerechnet werden können.
Gesetze: § 13 Abs 1 SGB 4, § 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 129 Abs 1 Nr 5 SGB 6 vom , § 137b Abs 1 SGB 6, § 137b Abs 2 Nr 1 SGB 6 vom , § 137b Abs 2 Nr 1 SGB 6 vom , § 2 Abs 2 AAÜG, § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 4 Abs 1 Nr 2 SGB 7, § 8 SeemKSa, § 10 Abs 1 SeemKSa, § 10 Abs 2 SeemKSa, § 32 SeemKSa, § 541 Nr 2 RVO, § 835 RVO, § 850 RVO, § 80 SVG, § 81 SVG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG
Instanzenzug: SG Dresden Az: S 24 KN 2043/13 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 5 KN 550/16 Urteil
Gründe
1I. Der 1957 geborene Kläger begehrt Überbrückungsgeld nach der Satzung der Seemannskasse. Er studierte von 1976 bis 1980 an der Offiziershochschule der Volksmarine in S und war danach bis 1990 Seeoffizier der Nationalen Volksarmee (NVA). Anschließend absolvierte der Kläger bis 1992 eine Umschulung an der Seefahrtschule L. Daran schlossen sich bis 2010 abhängige Beschäftigungen als nautischer Offizier und Kapitän an. Seinen Antrag auf Überbrückungsgeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom und Widerspruchsbescheid vom ab, weil die erforderliche Wartezeit von 240 Monaten nicht erfüllt sei. Die Fahrzeiten auf Schiffen der ehemaligen NVA könnten nicht berücksichtigt werden. Die Klage hiergegen hat das zurückgewiesen. Mit Urteil vom hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend.
3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
4Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
5Der Kläger stellt die Frage:"Sind die im Beitrittsgebiet (DDR) bei der NVA zurückgelegten Seefahrtzeiten solche Zeiten, die den versicherungspflichtigen Seefahrtzeiten nach § 8 SsmK entsprechen?"
6Diese Frage kann anhand der gesetzlichen Regelungen, der Satzungsbestimmungen der Seemannskasse und der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung klar beantwortet werden.
7Die Seemannskasse gewährt auf der Grundlage von § 137b Abs 1 SGB VI Überbrückungsgeld nach Vollendung des 55. Lebensjahres an die bei ihr versicherten Seeleute sowie an Küstenschiffer und Küstenfischer, die aus der Seefahrt ausgeschieden sind. Versicherungspflichtig in der Seemannskasse sind nach § 137b Abs 2 Nr 1 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung Seeleute, die auf Seefahrzeugen gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Siebten Buches bei einer gewerblichen Berufsgenossenschaft unfallversichert sind und im Rahmen des § 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 129 Abs 1 Nr 5 bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See rentenversichert sind, sofern diese Beschäftigung nicht geringfügig iS von § 8 des Vierten Buches ausgeübt wird.
9Das Überbrückungsgeld und das Überbrückungsgeld als Differenzbetrag werden nur gewährt, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe oder einer Vollrente wegen Alters nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegen.
10Die Wartezeit ist nach § 10 Abs 2 der Satzung erfüllt, wenn der Versicherte eine nach § 8 versicherungspflichtige Seefahrtzeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Ersatzzeiten werden in entsprechender Anwendung des § 250 SGB VI angerechnet, wenn ein Beitrag für den Versicherten innerhalb von sechs Monaten vor der Ersatzzeit oder der letzte Beitrag für den Versicherten vor der Ersatzzeit aufgrund einer nach dieser Satzung versicherungspflichtigen Beschäftigung geleistet worden ist.
11Gemäß § 8 Nr 1 der Satzung idF des 7. Satzungsnachtrags vom waren versicherungspflichtig in der Seemannskasse Seeleute, die auf Seefahrzeugen gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt, nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII bei einer gewerblichen Berufsgenossenschaft unfallversichert und im Rahmen des § 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 129 Abs 1 Nr 5 SGB VI bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See rentenversichert sind, sofern diese Beschäftigung nicht geringfügig iS von § 8 SGB IV ist.
12Nach der Übergangsvorschrift in § 32 der Satzung sind Seefahrtzeiten, die vor dem auf im Beitrittsgebiet beheimateten Schiffen zurückgelegt wurden, nicht versicherungspflichtige Seefahrtzeiten nach § 8. Für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 10 Abs 2 bis 4 werden die versicherungspflichtigen Seefahrtzeiten nach § 8 mit den entsprechenden Zeiten im Beitrittsgebiet zusammengerechnet, sofern eine versicherungspflichtige Seefahrtzeit nach § 8 von mindestens einem Jahr zurückgelegt ist.
13Der Kläger hat keine "entsprechenden" Zeiten im Sinne dieser Vorschrift im Beitrittsgebiet zurückgelegt. Als eine "entsprechende" Zeit kann nur eine solche angesehen werden, die fiktiv die Voraussetzungen des § 8 erfüllen würde, wenn sie im Bundesgebiet zurückgelegt worden wäre. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Als "entsprechend" können Zeiten nur dann gelten, wenn sie als gleichwertig mit den im Gesetz genannten Zeiten angesehen werden können. Das folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift. Grundsätzlich sind nach § 8 der Satzung Zeiten, die im Beitrittsgebiet zurückgelegt wurden, nicht berücksichtigungsfähig. Wenn hiervon für "entsprechende" Zeiten eine Ausnahme gemacht wird, kann sich dies nur auf mit versicherungspflichtigen Zeiten nach § 8 vergleichbare Zeiten beziehen. Ansonsten ergäbe sich eine gleichheitswidrige Privilegierung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten.
14Es ist bereits fraglich, ob der Kläger während seiner Tätigkeit als Marinesoldat der NVA iS des § 8 gegen Entgelt beschäftigt war. Das LSG hat jedenfalls zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger, der in der DDR einem Sonderversorgungssystem zugeordnet war, bei entsprechender Tätigkeit im Bundesgebiet nach § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungsfrei gewesen wäre. Es hätte gemäß § 4 Abs 1 Nr 2 SGB VII bzw § 541 Nr 2 RVO Versicherungsfreiheit auch in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden, weil nach § 80 SVG im Fall einer Wehrdienstbeschädigung nach § 81 SVG Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG gewährt worden wäre (vgl dazu auch - juris RdNr 16; zu einer nach Fremdrentenrecht zu beurteilenden Unfallrente eines Soldaten der NVA vgl - BSGE 78, 265 = SozR 3-5050 § 5 Nr 2). Jedenfalls wäre der Kläger nicht bei einer gewerblichen Berufsgenossenschaft iS von § 8 Nr 1 der Satzung unfallversichert gewesen. Das BSG hat für den Fall der Nachversicherung eines Soldaten auf Zeit der Bundesmarine entschieden, dass dies die Dienstzeit nicht zu einer bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversicherten Seefahrtzeit mache. Nach § 835 iVm § 850 RVO sei der Bund vielmehr selbst Träger der Unfallversicherung für die auf den Schiffen der Bundesmarine Beschäftigten (vgl - SozR 3-2200 § 891a Nr 1 S 4 unter Hinweis auf - SozR 2200 § 891a Nr 4). Hier gilt nichts anderes. Auch durch die Überführung der vom Kläger im Sonderversorgungssystem zurückgelegten Zeiten in die gesetzliche Rentenversicherung (§ 2 Abs 2 AAÜG) wurde keine Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung der Seeleute begründet. Dass die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsgeld mit höherrangigem Recht in Einklang stehen, hat das BSG bereits entschieden ( - SozR 3-2200 § 891a Nr 1 S 4; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: - SozR 3-2200 § 891a Nr 2).
15Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die aktuelle Fassung des § 137b Abs 2 Nr 1 SGB VI sowie von § 8 Nr 1 der Satzung. Zum wurden beide Vorschriften geändert (5. SGB IV-ÄndG vom , BGBl I 583; § 8 Nr 1 der Satzung geändert durch 9. Nachtrag vom ). Versicherungspflichtig in der Seemannskasse sind nunmehr Seeleute nach § 13 Abs 1 SGB IV, die an Bord von Kauffahrteischiffen oder Fischereifahrzeugen gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt und bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See rentenversichert sind, sofern diese Beschäftigung nicht geringfügig iS des § 8 SGB IV ausgeübt wird. Durch die ausdrückliche Beschränkung auf Kauffahrteischiffe und Fischereifahrzeuge ist die Berücksichtigung von Seefahrtzeiten auf anderen Schiffen ausgeschlossen.
16Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
17Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:110321BB5R1221B0
Fundstelle(n):
KAAAJ-15660