BGH Beschluss v. - 2 StR 21/21

Strafverurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln: Voraussetzungen der Mittäterschaft; Darlegung einer verfahrensbeendenden Absprache mit einem anderen Tatbeteiligten im Urteil

Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 257c StPO

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/12 KLs 5181 Js 227158/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der Angeklagte Ende September 2019 zusammen mit dem vormaligen Mitangeklagten P.   nach Spanien, um mit diesem - „dem gemeinsamen Plan entsprechend“ − den Import einer erheblichen Menge Marihuana von dort nach Deutschland sowie deren anschließende Weiterveräußerung zu organisieren. Nachdem P.   in Spanien mit Wissen des Angeklagten mehrere Gespräche mit den Verkäufern der Betäubungsmittel geführt hatte, vereinbarte er im Einverständnis mit dem Angeklagten für den eine Lieferung von rund 54 kg Marihuana in den Raum F.          . P.   sollte in Deutschland eigenverantwortlich die Koordination der Anlieferung übernehmen und das Marihuana nach erfolgter Übernahme für den gewinnbringenden Verkauf nach R.     verbringen. Hierfür mietete P.    nach seiner Rückkehr aus Spanien am Vortag der geplanten Anlieferung einen Transporter und gewann, da er Sorge hatte, selber mit dem Lieferanten in Kontakt zu treten, den vormaligen Mitangeklagten S.   , die Betäubungsmittel von diesem entgegenzunehmen und die Drogen ihm - P.    - zu einem Treffpunkt in M.    zu bringen, den P.    im Einverständnis mit dem Angeklagten festgelegt und am Vorabend der Anlieferung gemeinsam mit diesem erkundet hatte.

3Nach der Entgegennahme der Betäubungsmittel durch S.    und einen weiteren Tatgenossen sowie deren Umladung in den Transporter des P.    wurden alle drei durch observierende Polizeikräfte am Treffpunkt in M.    festgenommen und knapp 54 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 7.250 g THC sichergestellt. Der Angeklagte, der nicht am Übergabeort war, wurde kurz darauf in einem Hotel verhaftet.

4Der Angeklagte hat seine Tatbeteiligung bestritten. Die Strafkammer hat ihre gegenteilige Überzeugung insbesondere auf die geständige Einlassung des P.    gestützt, dessen Geständnis und Benennung der Tatbeiträge des Angeklagten eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen war.

II.

5Die Revision ist begründet.

61. Die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Feststellungen des Landgerichts belegen keine Mittäterschaft des Angeklagten an dem Einfuhrdelikt des P.  .

7a) Die Voraussetzungen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) bemessen sich auch im Betäubungsmittelrecht nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 451/18, BeckRS 2018, 38500 Rn. 12). Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40 mwN). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Daher ist es insbesondere nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr von Betäubungsmitteln diese eigenhändig in das Inland verbringt (vgl. Senat, Urteil vom - 2 StR 23/16, NStZ 2017, 713). Stets muss sich seine Mitwirkung aber nach dessen Willensrichtung als Teil der Tätigkeit aller darstellen und sich nicht in einer bloßen Förderung fremden Tuns erschöpfen. Wesentliche Anhaltspunkte dafür, ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des jeweiligen Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom − 2 StR 220/17, NStZ 2018, 144, 145; , wistra 2017, 481 Rn. 13 jeweils mwN).

8b) Hieran gemessen begegnet die Annahme einer Mittäterschaft des Angeklagten an dem Einfuhrdelikt durchgreifenden Bedenken. Zwar ist ein „gemeinsamer Plan“ zwischen dem Angeklagten und P.    festgestellt. Der nähere Inhalt dieses „Planes“, insbesondere der Aufgabenbereich des Angeklagten, wird jedoch nicht dargestellt. Alleine seine vorherige Kenntnis von der Tat und der Wille, diese als gemeinsame anzusehen, können eine Mittäterschaft indes nicht begründen (vgl. , NStZ-RR 2016, 6, 7). Die festgestellten Tathandlungen des Angeklagten - die Begleitung des P.    nach Spanien sowie das gemeinsame Auskundschaften des Übergabeortes belegen - jedenfalls bezogen auf die Einfuhr der Betäubungsmittel - nach ihrem äußeren Erscheinungsbild lediglich untergeordnete Tatbeiträge. Eine darüberhinausgehende Mitwirkung des Angeklagten an der Einfuhr der Drogen ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Insbesondere die in Spanien erfolgten Verkaufsgespräche und die Organisation des Drogentransports nach Deutschland sowie die spätere Übernahme der Betäubungsmittel organisierte P.    allein und eigenverantwortlich. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass die Tatausführung und deren Erfolg von dem Einfluss und dem Willen des Angeklagten abhängig waren; insbesondere ergibt sich nicht, ob der Umstand, dass sich P.    stets des Einverständnisses des Angeklagten versicherte, darauf zurückzuführen ist, dass das selbständig durch ihn geplante Vorgehen jeweils der vorherigen Billigung durch den Angeklagten bedurfte. Die Urteilsgründe schildern auch kein Interesse des Angeklagten an dem Taterfolg. Sie verhalten sich nicht einmal zu dessen möglicher Beteiligung an dem Verkaufserlös aus dem geplanten inländischen Umsatzgeschäft.

92. Die Beanstandung der Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zwingt zur Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlich begangenem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

103. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

11a) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben − deutlicher als bislang geschehen − die gesteigerten Anforderungen an die Darlegungen und die Beweiswürdigung bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund des Geständnisses eines Mitangeklagten, das Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache (§ 257c StPO) gewesen ist, in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 471/19, juris Rn. 5; vom - 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184, 189 f.; Urteil vom - 4 StR 198/05, NStZ-RR 2007, 116, 119; Beschluss vom - 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161, 167 f.; MüKo-StPO/Miebach, § 261 Rn. 244). Diese Anforderungen bestehen auch für den neuen Rechtsgang fort. Denn es macht regelmäßig keinen Unterschied, ob die verfahrensbeendende Absprache mit dem anderen Tatbeteiligten in demselben oder in einem anderen Verfahren stattgefunden hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 562/13, NStZ 2014, 287; vom - 1 StR 17/12, juris Rn. 6). Auch bei einer Zeugenaussage besteht die Möglichkeit, dass der vormalige Mitangeklagte nur deshalb bei seiner Aussage bleibt, um sich nicht in Widerspruch zu den für ihn vorteilhaften Angaben in seinem eigenen Verfahren zu setzen, selbst wenn dieses inzwischen abgeschlossen ist (vgl. , aaO; vgl. auch Senat, Beschluss vom - 2 StR 558/18, juris Rn. 10).

12b) Der neue Tatrichter wird ferner zu berücksichtigen haben, dass eine besonders kritische Beweiswürdigung auch dann veranlasst sein kann, wenn sich der geständige (vormalige) Mitangeklagte einer konfrontativen Befragung durch den Angeklagten entzieht und für diesen daher keine Möglichkeit besteht, von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen (vgl. hierzu KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 111 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:170321B2STR21.21.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-15443