BGH Beschluss v. - 1 StR 409/21

Adhäsionsverfahren: Inhaltliche Anforderungen an einen Adhäsionsantrag auf Schmerzensgeld und Feststellung der Eintrittspflicht für zukünftige Schäden

Gesetze: § 404 Abs 1 S 2 StPO

Instanzenzug: Az: 4 KLs 21 Js 3981/21 jug (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer Inhalte und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen zugunsten der Nebenklägerin getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Adhäsionsausspruch, mit dem das Landgericht der Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen zugesprochen sowie festgestellt hat, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden ab dem zu ersetzen, die ihr durch die verfahrensgegenständliche Tat vom entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, kann keinen Bestand haben.

3Der zugrundeliegende Adhäsionsantrag der Nebenklägerin entspricht nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen. Hieran fehlt es; denn der Schriftsatz des Nebenklagevertreters vom , welcher dem Angeklagten am und seinem Verteidiger am zugestellt worden ist, enthält sowohl hinsichtlich des Antrags auf Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes als auch hinsichtlich des Feststellungsantrags keine weiteren Ausführungen zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche. Da – soweit ersichtlich – die Anträge auch sonst nicht konkretisiert sind, sind sie unzulässig. Zudem gilt: Hinsichtlich des Leistungsantrags muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 485/19 Rn. 11; vom – 5 StR 249/19 Rn. 3 und vom – 4 StR 516/17 Rn. 14 mwN). Hinsichtlich des Feststellungsantrags fehlt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Adhäsionsklägerin hat weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, warum sie nicht in der Lage ist, weitere materielle oder immaterielle Schäden schon jetzt zu beziffern (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 166/21 Rn. 16 und vom – 4 StR 414/16 Rn. 7); zudem kann der Feststellungsantrag nicht vom Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld abgegrenzt werden, weil dieser – wie ausgeführt – nicht einmal der Größenordnung nach bestimmt ist.

42. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da wirksame Anträge nicht mehr gestellt werden könnten. Der Senat spricht deshalb gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO aus, dass insoweit von einer Entscheidung abgesehen wird (st. Rspr.; vgl. nur: BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 476/20 Rn. 3; vom – 5 StR 249/19 Rn. 4 und vom – 4 StR 22/17 BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 11 Rn. 9).

53. Der Erfolg der Revision betrifft nur das Adhäsionsverfahren. Die Entscheidung über die insoweit ausscheidbaren Auslagen folgt aus § 472a Abs. 2 StPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:090322B1STR409.21.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-15427