Die Veräußerung von Umlaufvermögen im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe ist nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigt, wenn damit die bisherige unternehmerische Tätigkeit fortgesetzt wird
Leitsatz
Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens steht ungeachtet eines zeitlichen Zusammenfallens mit der Betriebsaufgabe nicht in dem - für die Annahme einer Veräußerung im Rahmen der Aufgabe des Betriebs i. S. des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG a. F. (später Satz 3, jetzt Satz 6) - erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe, wenn sie sich als Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit darstellt. Dies gilt insbesondere für die Veräußerung von Grundstücken im Zusammenhang mit der Aufgabe eines gewerblichen Grundstückshandels (Abgrenzung zum BFH-Urteil vorn VIII R 19/85, BFH/NV 1990, 625).
Gesetze: EStG § 15 Abs. 2EStG § 16 Abs. 3EStG § 34
Instanzenzug: Niedersächsisches Finanzgericht (Verfahrensverlauf)
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zu 1 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu der sich die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen zu 2-4 im Juli 1985 zusammengeschlossen haben. Alle Gesellschafterinnen sind in der Baubranche tätige Unternehmer, die die Gesellschaftsanteile in ihrem Betriebsvermögen halten. Zweck der GbR war nach dem Gesellschaftsvertrag die Errichtung eines Dienstgebäudes für das Finanzamt A (FA A) auf Grund eines zu diesem Zweck vom Land B erworbenen Erbbaurechts und die anschließende Vermietung an das Land B, die Verwertung des Objekts in der Form einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen insgesamt oder in Bruchteilen sowie die Durchführung weiterer Vorhaben dieser Art.
Nachdem der GbR das Erbbaurecht bestellt worden war, begann sie mit der Errichtung des Bauwerks. Ein im November 1985 mit einem Investor geschlossener Kaufvertrag über das Erbbaurecht einschließlich des zu errichtenden Gebäudes wurde später nicht durchgeführt. Im August 1986 schlossen die Gesellschafterinnen daraufhin eine Vereinbarung, in der es heißt, das Vertriebskonzept für das Objekt in der geplanten Form sei gescheitert. Das Objekt solle zwar bis Juni 1987 fertig gestellt werden. Mit neuen Objekten werde aber nicht mehr begonnen, Vertriebsaktivitäten für den Absatz von GbR-Anteilen würden sofort eingestellt. Nach Fertigstellung des Objekts solle dieses in das Privatvermögen der Gesellschafterinnen überführt werden. Der Betrieb der GbR solle mit Fertigstellung des Objekts aufgegeben werden.
Wenig später fand sich aber doch noch ein Investor, mit dem am ein Vertrag über den Erwerb des Erbbaurechts mit zu errichtendem Gebäude und über den Eintritt in den Mietvertrag mit dem FA A geschlossen wurde. Dieser Vertrag wurde nach Zustimmung des Landes durchgeführt. Der Investor entrichtete einen Kaufpreis von 9 136 884,31 DM.
In der Gewinnfeststellungserklärung für das Streitjahr 1987 erklärte die GbR wie in den Vorjahren laufende gewerbliche Einkünfte. Außerdem wurde ein tarifbegünstigter Aufgabegewinn von 2 626 054 DM erklärt. Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, dass die GbR vermögensverwaltend tätig gewesen sei. Wegen der Zugehörigkeit der Gesellschaftsanteile zum Betriebsvermögen der Gesellschafterinnen erzielten diese aber aus der Veräußerung des Objekts als letztem Akt der Vermögensverwaltung einen gewerblichen laufenden Gewinn. Mit geändertem Gewinnfeststellungsbescheid vom wurde insgesamt ein laufender Gewinn von 2 634 016 DM festgestellt.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerinnen allein gegen die Behandlung des Gewinns aus der Veräußerung von 2 562 187 DM als nicht nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigt wehrten, hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1040 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen eine fehlerhafte Anwendung des § 15 Abs. 2 EStG. Bei richtiger Auslegung der Vorschrift sei die GbR als Gewerbebetrieb anzusehen.
Gründe
Die Revision ist im Umfang des Hilfsantrags begründet und führt unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung und des Gewinnfeststellungsbescheides des FA zur Feststellung eines laufenden Gewinns von 2 256 531 DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Mit ihrem im Hauptantrag geäußerten Begehren haben die Klägerinnen keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das FG den Gewinn aus der Veräußerung des Erbbaurechts samt zu errichtendem Gebäude nicht als tarifbegünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn nach § 16 i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung behandelt.
a) Die GbR war entgegen der Auffassung des FG von Anfang an und auch noch bei Veräußerung des Objekts gewerblich tätig.
aa) Eine Personengesellschaft erzielt gewerbliche Einkünfte, wenn die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) betreiben; dies ist der Fall, wenn ihre Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt und sich nach den Umständen des Einzelfalles nicht als private Vermögensverwaltung darstellt (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762, und vom GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617).
bb) Die Tätigkeit der GbR hat die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist Gewerbebetrieb eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung das negative Erfordernis aufgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln darf. Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z. B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, und vom GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).
cc) Dass die GbR selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist und durch das Angebot zur Errichtung des Gebäudes sowie durch die Offerten zum Verkauf von Gesellschaftsanteilen bzw. des Objekts selbst, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat, bedarf keiner näheren Erörterung.
Die GbR ist auch nachhaltig tätig geworden, denn sie hat mit Wiederholungsabsicht gehandelt. Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des FG aus dem Gesellschaftsvertrag. Die Auslegung privatrechtlicher Vereinbarungen gehört grundsätzlich zu den tatsächlichen Feststellungen der Tatsacheninstanz. Der BFH ist jedoch nicht gehindert, die Auslegung daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind. Ist demgemäß die Würdigung durch das Tatsachengericht zwar nicht zwingend, aber doch möglich, so ist sie revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sind die anerkannten Auslegungsregeln jedoch verletzt und weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich, kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen (, BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900, unter II.2.a).
Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags durch das FG hält bei Anwendung dieser Grundsätze der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Aus dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrags unter § 1 Nr. 4 c Satz 1 ergibt sich eindeutig, dass weitere derartige Vorhaben geplant waren. Dem Hinweis in Satz 2 dieser Klausel, dass für weitere Vorhaben die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich sei, kann nicht das Gegenteil der Regelung in Satz 1 entnommen werden. Vielmehr regelt Satz 2 nur, dass der für die Durchführung eines weiteren Vorhabens erforderliche Gesellschafterbeschluss nicht mit der nach § 6 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags üblicherweise erforderlichen Mehrheit von 75 v. H. der Anteile, sondern einstimmig zu fassen ist.
Schließlich überschritt die Tätigkeit der GbR auch den Rahmen einer Vermögensverwaltung. Die Tätigkeit war nicht auf die Fruchtziehung aus den zu errichtenden Objekten durch langfristige Vermietung, sondern auf die Vermögensumschichtung durch Verwertung der Objekte gerichtet. Die Objekte sollten nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Nr. 4 b des Gesellschaftsvertrags entweder durch ihre Veräußerung verwertet werden oder aber im Wege eines Immobilienfonds durch Veräußerung von Gesellschaftsanteilen.
b) Die GbR hat ihren Gewerbebetrieb nicht im August 1986 aufgegeben. In der Gesellschaftervereinbarung vom heißt es unter dem Punkt 04, die Gesellschafter hätten beschlossen, den Betrieb der GbR mit Fertigstellung des Objekts aufzugeben. Daraus ist eindeutig zu entnehmen, dass der Betrieb zunächst bis zur Fertigstellung des Gebäudes fortgesetzt werden sollte. Selbst wenn damit zugleich die Entscheidung verbunden war, entgegen der früheren Planung kein weiteres Objekt zu beginnen, folgt daraus entgegen der Meinung des FG nicht, dass mangels fortbestehender Wiederholungsabsicht der Gewerbebetrieb sofort beendet worden wäre. Vielmehr besteht ein solcher Betrieb im Abwicklungsstadium weiter, bis er veräußert oder endgültig aufgegeben wird.
c) Die Veräußerung des Erbbaurechts samt Gebäude hat zu einem laufenden Gewinn geführt. Erbbaurecht und Gebäude sind nicht ,,im Rahmen der Aufgabe des Betriebs'' gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG a. F. (später Satz 3, jetzt Satz 6) veräußert worden.
aa) Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens steht ungeachtet eines zeitlichen Zusammenfallens mit einer Betriebsaufgabe nicht in dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe, wenn sie sich als Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit darstellt. Dies gilt insbesondere für die Veräußerung von Grundstücken im Zusammenhang mit der Aufgabe eines gewerblichen Grundstückshandels (, BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105; vom X R 76-77/92, BFHE 176, 426, BStBl II 1995, 388; vom III R 27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537).
Erbbaurecht und Gebäude gehörten ursprünglich zum Umlaufvermögen der GbR. Sie sind nicht durch den Gesellschafterbeschluss vom zu Anlagevermögen geworden. Inhalt des Beschlusses war einerseits nicht, dass das Objekt nun auf Dauer der GbR dienen sollte. Andererseits hatten die Gesellschafterinnen, wie der wenig später erfolgte Verkauf zeigt, ihre Absicht zur bestmöglichen Verwertung des Objekts keineswegs aufgegeben. Die Veräußerung des Objekts an den Investor stellt sich danach als letzter Akt der laufenden gewerblichen Tätigkeit der GbR dar, so dass der insoweit erzielte Gewinn als laufender Gewinn zu behandeln ist.
bb) Dieser Beurteilung steht das (BFH/NV 1990, 625) nicht entgegen; es betrifft einen besonders gelagerten Ausnahmefall (vgl. Senatsurteil vom IV R 30/92, BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105, unter 2.d). Dort war im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe ein Grundstück unverändert weiterveräußert worden, das ursprünglich entsprechend dem Zweck der dortigen Klägerin hatte saniert und in Wohnungseigentum aufgeteilt werden sollen. Der BFH beurteilte die Veräußerung nicht als laufenden Geschäftsvorfall. Im hiesigen Streitfall verhält es sich entgegen der Auffassung der Klägerinnen jedoch anders. Denn Gegenstand der Veräußerung war ein Objekt, das entsprechend dem Zweck der GbR errichtet worden war und dessen Verwertung sich von den ursprünglichen Planungen nur insoweit unterschied, als Käufer nicht wie im Fall des nicht durchgeführten Kaufvertrags aus dem Jahr 1985 der Initiator eines geschlossenen Immobilienfonds, sondern ein sonstiger Investor war.
2. Die Revision hat aber mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Da die GbR mit der Veräußerung des Erbbaurechts samt Gebäude einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielt hat, ist dieser Gewinn auch Bestandteil des Gewerbeertrags der GbR i. S. des § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes und unterliegt der Gewerbesteuer. Für die zu leistende Gewerbesteuer-Abschlusszahlung hat die GbR in ihrer Bilanz für das Streitjahr eine Rückstellung zu bilden (vgl. Senatsurteil vom IV R 112/81, BFHE 141, 45, BStBl II 1984, 554). Die Rückstellung beläuft sich unter Berücksichtigung eines Gewerbesteuer-Hebesatzes von 340 v.H. auf 377 485 DM und mindert in gleicher Höhe den bisher festgestellten Gewinn von 2 634 016 DM.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 467
BB 2003 S. 886 Nr. 17
BFH/NV 2003 S. 710
BFH/NV 2003 S. 710 Nr. 5
BFHE S. 278 Nr. 201
BStBl II 2003 S. 467 Nr. 9
DB 2003 S. 916 Nr. 17
DStR 2003 S. 636 Nr. 16
DStRE 2003 S. 576 Nr. 9
INF 2003 S. 447 Nr. 12
KÖSDI 2003 S. 13705 Nr. 5
TAAAA-89531