Haftung bei Ausstellung einer unrichtigen Zuwendungsbestätigung
Leitsatz
1. Eine Gemeinde haftet als Aussteller einer unrichtigen Spendenbestätigung für die entgangene Steuer gemäß § 10 b Abs. 4 Satz 2 EStG, wenn einer ihrer Amtsträger in grob fahrlässiger Weise die unrichtige Bestätigung erteilt hat.
2. Ein Amtsträger, der für eine Gemeinde als sog. Durchlaufstelle Spendenbestätigungen erstellt und/oder unterschreibt, handelt grob fahrlässig, wenn er bestätigt, dass eine Spende zu besonders förderungswürdigen Zwecken verwendet wird, ohne zu prüfen, ob dem Verein, dem die Spende zukommen soll, ein Freistellungsbescheid oder eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt worden ist.
Gesetze: EStG § 10 b Abs. 4
Instanzenzug: (EFG 1997, 322) (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist eine bayerische Gebietskörperschaft mit etwa 3 000 Einwohnern. In den Jahren 1990 bis 1992 hat der Kläger als sog. Durchlaufstelle eine Vielzahl von Spenden entgegengenommen und diese den Angaben der Spender entsprechend an insgesamt sieben Vereine weitergeleitet. Den Spendern wurde ,,für finanzamtliche Zwecke'' jeweils eine ,,Bestätigung über Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Dienststellen'' (Spendenbestätigung) ausgestellt. Darin war außer der Höhe des gespendeten Betrags und des Vereins, an den der Betrag weiterzuleiten war, unter ,,2.b. Bei gemeinnützigen Zwecken'' die Angabe enthalten: ,,Wir bestätigen, daß der Zweck nach Nr. - 7 - der Anlage 7 zu den Einkommensteuer-Richtlinien (Anlage 3 zu den Lohnsteuer-Richtlinien) allgemein als besonders förderungswürdig anerkannt ist.'' Die Spendenbestätigungen waren vom Kassenverwalter des Klägers vorbereitet und vom ersten Bürgermeister bzw. in dessen Abwesenheit vom zweiten Bürgermeister unterschrieben worden. Im Zeitpunkt der Ausstellung der Spendenbescheinigung war keiner der darin angegebenen Vereine vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Vier der sieben Vereine hatten den Antrag auf Anerkennung als gemeinnützig noch gar nicht gestellt, bei einem war die Anerkennung zum erfolgt, bei den restlichen beiden nicht vor dem .
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am einen Haftungsbescheid gegen den Kläger, in dem er diesen gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 10 b Abs. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 14 499 DM (40 v. H. von 36 248,60 DM) als Haftungsschuldner in Anspruch nahm. Der Betrag von 36 248,60 DM entspricht der Gesamtsumme der Beträge, die von Spendern aus dem Zuständigkeitsbereich des beklagten FA zugunsten der sieben Vereine erbracht worden sind.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den Haftungsbescheid wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 322 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Nach dem Wortlaut des § 10 b Abs. 4 Satz 2 EStG könne nicht er als Gebietskörperschaft, sondern allenfalls die natürliche Person in Haftung genommen werden, die die Bestätigung tatsächlich ausgestellt habe. Eine Art von Durchgriffshaftung der Körperschaft für ihre Bediensteten - wie sie das FG vorgenommen habe - könne aus Art. 34 des Grundgesetzes (GG) nicht abgeleitet werden. Selbst wenn man von einer solchen Durchgriffshaftung ausgehen würde, fehle für eine grobe Fahrlässigkeit, also für ein an Vorsatz grenzendes Verhalten der handelnden Personen, jeglicher Anhaltspunkt. Zudem habe das FG nur ausgeführt, dass dem ersten Bürgermeister und dem Kassenverwalter grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Wie das Verhalten des zweiten Bürgermeisters zu werten sei, der ebenfalls Spendenbestätigungen unterschrieben habe, sei offen geblieben.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung des FA und den Haftungsbescheid vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es weist darauf hin, dass das bayerische Innenministerium bereits im Jahr 1978 allen Gemeinden in einer Dienstanweisung wichtige Hinweise für die Ausstellung von Spendenbescheinigungen gegeben habe. Dort sei mitgeteilt worden, dass die Gemeinnützigkeit der Spendenempfänger durch die Vorlage des finanzamtlichen Anerkennungsbescheids überprüft werden müsse. Ausdrücklich erwähnt worden sei, dass Spendenbescheinigungen nicht ausgestellt werden dürften, wenn der Begünstigte nicht gemeinnützig tätig sei oder wenn er zwar gemeinnützigen Zwecken diene, aber noch nicht anerkannt sei bzw. wenn die von ihm verfolgten Zwecke nicht als besonders förderungswürdig anerkannt worden seien.
Gründe
II.
Die Revision ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der gegen den Kläger ergangene Haftungsbescheid nicht zu beanstanden ist.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich im Streitfall um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten, für die nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben ist. Denn mit dem auf § 10 b Abs. 4 Satz 2 EStG gestützten Haftungsbescheid hat das FA gegenüber dem Kläger einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. des § 37 Abs. 1 AO 1977 geltend gemacht.
2. Nach § 10 b Abs. 4 Satz 2 EStG haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung über Spenden ausstellt (sog. Ausstellerhaftung) oder wer veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden (sog. Veranlasserhaftung). Die beiden Haftungstatbestände sind durch das Vereinsförderungsgesetz (VereinsFG) vom (BGBl. I 1989, 2212, BStBl I 1989, 499) eingeführt worden, um Steuerausfälle zu kompensieren, die dadurch entstehen, dass gutgläubigen Spendern trotz unrichtiger Spendenbestätigung oder Fehlverwendung der Spende der gewährte Steuerabzug erhalten bleiben soll (vgl. § 10 b Abs. 4 Satz 1 EStG; BTDrucks 11/4176, S. 16, 17; BTDrucks 11/5582, S. 25 f.). Die Ausstellerhaftung sanktioniert schuldhaftes Handeln bei der Ausstellung der Spendenbestätigung. Dagegen erfasst die Veranlasserhaftung verschuldensunabhängig und damit in Form der Gefährdungshaftung Fehlverhalten des Empfängers im Zusammenhang mit der Spendenverwendung.
3. Im Streitfall hat das FA den Kläger zu Recht als Aussteller einer unrichtigen Spendenbestätigung in Haftung genommen.
a) Unrichtig ist eine Spendenbestätigung, deren Inhalt nicht der objektiven Sach- und Rechtslage entspricht; dabei bezieht sich die Unrichtigkeit auf die Angaben, die für den Abzug gemäß § 10 b EStG, § 48 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der bis geltenden Fassung (EStDV a. F.) wesentlich sind, insbesondere also auf die Höhe des zugewendeten Betrags, den beabsichtigten Verwendungszweck und den steuerbegünstigten Status der spendenempfangenden Körperschaft (vgl. , BFHE 190, 144, BStBl II 2000, 65).
Anders als nach der seit dem geltenden Rechtslage (vgl. insoweit § 50 Abs. 1 EStDV) war in den Jahren 1990 bis 1992 die Verwendung eines amtlich vorgeschriebenen Vordrucks keine gesetzliche Voraussetzung für den Spendenabzug. Die vom Bundesminister der Finanzen herausgegebenen Einkommensteuer-Richtlinien 1990 (EStR 1990) enthalten in Anlage 8 zu Abschn. 111 Abs. 4 lediglich ein Muster für eine ,,Bestätigung über Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Dienststellen''. Nach diesem Muster konnten u. a. die Gemeinden als Durchlaufstellen im sog. Durchlaufspendenverfahren Spendenbestätigungen ausstellen.
Der Kläger machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und bescheinigte den Spendern ausweislich der vom FG in Bezug genommenen Spendenbestätigung u. a., dass der Spendenbetrag zu gemeinnützigen, und zwar den unter Nr. 7 der Anlage 7 der EStR genannten besonders förderungswürdigen Zwecken verwendet werde (vgl. Nr. 2 b der Spendenbestätigung: ,,Bei gemeinnützigen Zwecken''). Damit hat er i. S. des § 10 b Abs. 1 EStG sowohl die Gemeinnützigkeit als auch die besondere Förderungswürdigkeit des Spendenverwenders bescheinigt. Diese Bestätigungen waren unrichtig; keiner der Vereine, an die der Kläger die Spenden weiterleitete, war als gemeinnützig anerkannt.
b) Aussteller der unrichtigen Spendenbestätigungen ist im Streitfall allein der Kläger als Gebietskörperschaft, nicht hingegen die jeweils für den Kläger handelnde natürliche Person.
Das ergibt sich aus dem Wortlaut der im Namen des Klägers ausgegebenen Bestätigungen und entspricht auch der Rechtslage. Eine Bestätigung ausstellen kann nur die spendenempfangsberechtigte Körperschaft, die im Rahmen ihrer Empfangszuständigkeit die Richtigkeit der Bestätigung zu verantworten hat (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 b Rdnr. E 43). Im sog. Durchlaufspendenverfahren kann Empfänger der Zuwendungen nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle sein (vgl. § 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV a. F.). Diese hat den gespendeten Betrag an einen als gemeinnützig anerkannten Spendenverwender (Letztempfänger) weiterzuleiten. Als eine solche Durchlaufstelle hat der Kläger die Spendenbeträge entgegengenommen und weitergeleitet und dies den Spendern gegenüber bestätigt. Er ist damit Aussteller der Bestätigungen i. S. des § 10 b Abs. 4 Satz 2 EStG.
c) Der Berechtigung, Spendenbestätigungen im sog. Durchlaufspendenverfahren auszustellen, steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des X. Senats im Urteil vom X R 5/91 (BFHE 173, 519, BStBl II 1994, 683) an der Rechtmäßigkeit des § 48 Abs. 2 EStDV a. F. Zweifel bestehen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (z. B. Urteil vom 2 BvE 2/89, BStBl II 1992, 766, 773) ist für eine Übergangszeit zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit oder zur Vermeidung eines weiter gehenden verfassungswidrigen Zustandes jedenfalls von der übergangsweisen Weitergeltung des § 48 Abs. 2 EStDV a. F. auszugehen. Inzwischen ist mit Wirkung vom der vom X. Senat beanstandete Rechtszustand beseitigt worden (vgl. § 84 Abs. 3 a EStDV). Gleichzeitig wurde das sog. Durchlaufspendenverfahren abgeschafft.
d) Tätig geworden für den Kläger sind nach den Feststellungen des FG der erste und der zweite Bürgermeister sowie der Kassenverwalter im Rahmen ihrer Zuständigkeiten, also in Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.
Das FG hat in für den erkennenden Senat bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass der erste Bürgermeister und der Kassenverwalter bei der Ausstellung der Spendenbestätigungen ihre Amtspflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt haben. Gleiches gilt auch für den zweiten Bürgermeister. Denn ein Amtsträger, der für eine Durchlaufstelle eine unrichtige Spendenbestätigung ausstellt, verletzt die ihm obliegenden haushalts- und aufsichtsrechtlichen Prüfungspflichten und handelt grob fahrlässig, wenn er bestätigt, dass die Spende zu besonders förderungswürdigen gemeinnützigen Zwecken verwendet wird, ohne zu prüfen, ob dem Verein, dem die Spende zukommen soll, ein Freistellungsbescheid oder eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt worden ist (vgl. auch Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a. a. O., § 1 Ob Rdnrn. B 471 f. und E 49).
e) Die Inanspruchnahme des Klägers ist nicht wegen eines mitwirkenden groben Verschuldens des FA ermessensfehlerhaft (vgl. z. B. , BFH/NV 2000, 1442, m. w. N.). Insbesondere durfte das FA auf die Richtigkeit der Bestätigung vertrauen, auch wenn darin keine näheren Angaben zu den Freistellungsbescheiden bzw. vorläufigen Bescheinigungen der Gemeinnützigkeit der Spendenverwender gemacht wurden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 128
BB 2002 S. 1849 Nr. 36
BFH/NV 2002 S. 1220 Nr. 9
BFHE S. 162 Nr. 199
BStBl II 2003 S. 128 Nr. 3
DStRE 2002 S. 1118 Nr. 18
FR 2002 S. 1195 Nr. 21
KAAAA-89427