BFH Urteil v. - IX R 32/98 BStBl 2002 II S. 674

Leitsatz

Schenkt eine Mutter ihren minderjährigen Kindern einen Geldbetrag, der zeitnah dem Vater zur Finanzierung der Anschaffung eines Grundstücksanteils als Darlehn gewährt wird, überträgt der Vater alsdann die Hälfte des Grundstücks auf die Mutter und investiert diese einen Betrag in die Renovierung des Gebäudes, der dem Wert ihres Anteils entspricht, dann ist die Darlehnsgewährung nicht rechtsmissbräuchlich (Abgrenzung zum , BFHE 180, 333, BStBl II 1996, 443).

Gesetze: AO 1977 § 42 Abs. 1 und 2AO 1977 EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1AO 1977 § 21 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die Gütertrennung vereinbart haben und im Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Sie haben drei Kinder, geboren 1975, 1979 und 1980.

Der Kläger war neben seiner Mutter und seinen Geschwistern zu 1/6 Eigentümer eines Grundstücks. Am erwarb er die restlichen 5/6-Anteile zum Preis von 372 000 DM hinzu.

Durch notariell beurkundetes Schenkungsversprechen vom , vormundschaftsgerichtlich genehmigt am , schenkte die Klägerin ihren Kindern jeweils einen Betrag von 100 000 DM. Am selben Tage gewährten die Kinder ihrem Vater (Kläger) jeweils ein Darlehn in Höhe von 100 000 DM. Der Darlehnsvertrag wurde notariell beurkundet, die Kinder waren durch einen Pfleger vertreten. Der Zinssatz sollte 7 % p.a. betragen, das Darlehn war kündbar mit 6-monatiger Frist zum Ende des Quartals, frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem ein Kind 20 Jahre alt wurde. Die Darlehnsvaluten wurden den Verkäufern der 5/6-Grundstücksanteile ausgezahlt. Mit einer Erklärung vom Mai 1991 übernahm der Vater der Klägerin für die seinen drei Enkeln zustehenden Darlehnsforderungen nebst Zinsen die selbstschuldnerische Bürgschaft.

Im Mai 1982 übertrug der Kläger den hälftigen Anteil an dem Grundstück schenkungsweise auf die Klägerin. Die Kläger haben vorgetragen, der Kläger habe dies in der Erwartung getan, dass die Klägerin mit ihren Mitteln den erheblichen Renovierungsaufwand für das Haus finanzierte. Der Finanzierungsaufwand habe bis 1994 391 840 DM (einschließlich 87 755 DM im Streitjahr) betragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Streitjahr die Zinszahlungen der Kläger an ihre Kinder in Höhe von insgesamt 21 000 DM nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies. Die vertragsmäßige Gestaltung stelle einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) dar. Der Schenkung und der Darlehnshingabe liege ein Gesamtplan der Eltern zugrunde, der nur vor dem Hintergrund der Schaffung von Werbungskosten verständlich werde. Wirtschaftlich gesehen habe die Klägerin mit ihrem eigenen Geld die Finanzierungslücke des Klägers zum Ankauf der restlichen Miteigentumsanteile geschlossen. Zum Ausgleich des Einsatzes der Eigengelder der Klägerin für den Ankauf der Miteigentumsanteile und für die Renovierung des Gebäudes habe der Kläger der Klägerin den hälftigen Miteigentumsanteil geschenkt. Die Schenkungen der Klägerin an die Kinder - ihre zivilrechtliche Wirksamkeit unterstellt - könnten nicht losgelöst von der Darlehnsrückgewährung an den Ehemann und der späteren hälftigen Grundstücksschenkung gesehen werden.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten (Zinszahlungen) in Höhe von 21 000 DM neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht den Abzug der Zahlungen an die Kinder als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Begründung abgelehnt, der Darlehnsvertrag zwischen dem Kläger und seinen Kindern sei rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO 1977).

1. Entgegen der Auffassung des FG ist die Darlehnsvereinbarung nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gemäß § 42 AO 1977 steuerrechtlich unwirksam.

Eine missbräuchliche Gestaltung ist gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (, BFHE 180, 333, BStBl II 1996, 443, m.w.N.). Die Schenkung der Klägerin an ihre Kinder in Verbindung mit der Darlehnsvereinbarung zwischen dem Kläger und den Kindern sowie der Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Klägerin ist danach keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung. Sie diente nicht nur der Steuerersparnis.

a) Das FG hat zu Unrecht die Schenkung von je 100 000 DM an die Kinder einkommensteuerrechtlich unberücksichtigt gelassen. Die Übertragung war, davon geht auch das FG aus, zivilrechtlich wirksam. Sie geschah in Anrechnung auf den Pflichtteil. Die Kinder sind ferner zur Schenkungsteuer veranlagt worden. Das FG hat keine Gründe angeführt, und solche sind nach seinen Feststellungen auch nicht erkennbar, die einer endgültigen Vermögensverschiebung (vgl. insoweit , BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393, zu 2.) zwischen der Klägerin und ihren Kindern im Wege stehen könnten. Diese Vermögensverschiebung war objektiv auch durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt: Die Klägerin hat zwar durch die Übertragung des Hälfte-Anteils einen Vermögenswert von etwa 220 000 DM von ihrem Ehemann erhalten. Deshalb hätte sie ihm aber nicht 300 000 DM zur Verfügung stellen müssen, zumal, wenn sie anschließend zusätzlich ca. 400 000 DM für die Renovierung des Gebäudes aufwandte. Unter Berücksichtigung der Aufnahme des Darlehns in Höhe von 300 000 DM von den Kindern war dagegen der Beitrag der Eheleute insgesamt in etwa ausgeglichen: Der Kläger brachte 1/6-Anteil im Werte von ca. (372 000 DM Wert der 5/6-Anteile, 1 Anteil also ca.) 75 000 DM ein und übernahm eine Schuld von 300 000 DM. Die Klägerin wandte für ihren Hälfteanteil ca. 400 000 DM auf.

b) Der Umstand, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Schenkung der Darlehnsvertrag geschlossen wurde, bewirkt im Streitfall nicht, dass die zivilrechtlich wirksame Schenkung steuerrechtlich lediglich als Schenkungsversprechen zu werten ist (anders , BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, und , BStBl I 1992, 729, Tz. 9, wenn der geschenkte Betrag dem Schenker darlehnsweise zurückgewährt wird). Der Schenkungsvertrag enthält keine Verpflichtung, die geschenkten Gelder dem Kläger als Darlehn zur Verfügung zu stellen (vgl. demgegenüber z.B. , BFHE 188, 556, BStBl II 1999, 524, m.w.N.). Der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass die Freiheit der minderjährigen Kinder in Bezug auf die Verwendung der geschenkten Beträge nicht allein deshalb zu verneinen ist, weil und solange die Eltern für sie handeln. Selbst wenn daher die Klägerin wusste und wollte, dass die geschenkten Beträge dem Kläger als Darlehn überlassen werden sollten, mindert dieser Umstand allein den wirtschaftlichen Wert ihrer Schenkung nicht. Anders wäre es möglicherweise, wenn die Darlehnsvereinbarung überwiegend den Interessen des Darlehnsnehmers (Vaters) gedient und die Kinder benachteiligt hätte. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Nach den festgestellten Vereinbarungen diente sie den Interessen der Kinder als Kapitalanleger ebenso wie dem Interesse des Klägers.

c) Hinzu kommt, dass das FG nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, was es für die angemessene rechtliche Gestaltung (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) hält. Aus dem Umstand, dass es auch keine (mittelbaren) Zinszahlungen an die Klägerin berücksichtigt hat, folgt, dass die Klägerin den Betrag dem Kläger jedenfalls nicht als Darlehn, sondern möglicherweise schenkungsweise oder zumindest zinslos hätte zur Verfügung stellen sollen. Dagegen hat der Senat mit Rücksicht auf den (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, zu B. I. 1.) Bedenken, denn das liefe auf ein Gebot hinaus, wonach Steuerpflichtige nicht nur eigene, sondern sogar Mittel des Ehepartners zur Finanzierung von Aufwendungen einsetzen müssen. Nach dem zitierten Beschluss des Großen Senats steht es dem Steuerpflichtigen aber frei, eine Ausgabe auch dann durch Aufnahme eines Kredits zu finanzieren, wenn er über eigene Mittel verfügt.

d) Zu Unrecht beruft sich das FG daher in seiner Entscheidung auf das BFH-Urteil in BFHE 180, 333, BStBl II 1996, 443. Anders als dort hat die schenkende Klägerin im Streitfall den geschenkten Betrag nicht sich selbst darlehnsweise zurückgewährt. Wie dargelegt ist ferner mit dem Darlehn der Kinder wirtschaftlich nur der Miteigentumsanteil des Klägers finanziert worden; die Kläger tragen nämlich unbestritten vor, dass der Kläger der Klägerin den Miteigentumsanteil in Erwartung ihrer finanziellen Beteiligung übertragen habe. Im Übrigen lässt der Senat offen, ob er nach dem BFH-Beschluss in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, zu B. I. 1. in vollem Umfang an den Gründen seines Urteils vom festhalten würde.

e) Nach § 42 Abs. 2 AO 1977 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom (BGBl I, 3794, BStBl I 2002, 4, 13) ist Abs. 1 des § 42 AO 1977 anwendbar, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift ist im Streitfall nicht einschlägig, weil der Senat davon ausgeht, dass § 42 Abs. 1 AO 1977 hier anzuwenden ist und seine Voraussetzungen geprüft hat.

2. Danach sind die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG Werbungskosten, wenn sie mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend zu entscheiden.

a) Die streitigen Zahlungen sind allerdings dem Kläger zuzurechnen. Er allein war nach dem Vertrag vom Februar 1981 Darlehnsnehmer und schuldete daher auch die Zinsen. Das FG hat zwar nicht festgestellt, ob im Streitjahr, in dem die Klägerin Miteigentümerin des Grundstücks war, der Kläger die Zahlungen allein oder zusammen mit der Klägerin als Miteigentümerin geleistet hat. Darauf kommt es hier aber nicht an. Selbst wenn die Beträge aus gemeinsamen Mitteln geflossen wären, wären sie gleichwohl allein dem Kläger zuzurechnen (, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, zu C. V. 1.).

Nach dem Erwerb des Hälfteanteils durch die Klägerin sind die streitigen Zinszahlungen nicht zur Hälfte für Rechnung der Klägerin aufgewendet worden. Es kann offen bleiben, ob sie deshalb nicht abziehbar sind, weil die Klägerin keine Aufwendungen getätigt hat und der Kläger insoweit keine Einkünfte erzielt (sog. Drittaufwand, vgl. dazu , BFHE 191, 24, BStBl II 2000, 310, und IX R 21/96, BFHE 191, 28, BStBl II 2000, 312). Im Streitfall ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Kläger das Darlehn nur zur Finanzierung seines Hälfteanteils aufgenommen hat, denn die Klägerin hat für ihren Hälfteanteil zusätzlich etwa 400 000 DM aufgewendet (s. dazu oben zu 1. a).

b) Darlehnszinsen stehen dann im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einkunftsart - hier: den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung -, wenn das Darlehn zur Erzielung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist (BFH-Urteil in BFHE 191, 28, BStBl II 2000, 312, m.w.N.). Die Darlehnsbeträge sind hier unstreitig vom Kläger zur Finanzierung des Erwerbs der Miteigentumsanteile an einem Grundstück eingesetzt worden, mit dem die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen.

c) Ob es sich bei den streitigen Zinsaufwendungen um nicht abzugsfähige Beträge i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handelt, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Gegen eine Zahlung aus privaten und familiären Gründen spricht zunächst, dass sie entsprechend der Verpflichtung des Klägers aus dem Darlehnsvertrag mit seinen Kindern gezahlt wurden. Der Vertrag ist - davon geht das FG aus - zivilrechtlich wirksam. Bei einer Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen ist darüber hinaus Voraussetzung, dass sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung der Vereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160; , BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m.w.N., zu den Anforderungen an einen Darlehnsvertrag vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, zu 2. b).

Aus den Feststellungen des FG ergibt sich zwar, welcher Zinssatz, welche Kündigungsfristen und welche Sicherheit (zu langfristigen Darlehn vgl. , BFH/NV 1994, 460) vereinbart waren und dass die vereinbarten Zinsen auch regelmäßig an die Kinder ausgezahlt wurden (vgl. dazu , BFHE 163, 49, BStBl II 1991, 291, zu 1., und in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, zu 2. b). Der Fremdvergleich erfordert aber eine Würdigung aller Umstände des konkreten Falles (BFH-Urteil in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196). Eine solche Würdigung hat das FG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht durchgeführt. Der Senat als Revisionsgericht kann sie nicht selbst vornehmen (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Sache geht daher an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 674
BB 2002 S. 1732 Nr. 34
BFH/NV 2002 S. 1200 Nr. 9
BFHE S. 288 Nr. 198
BStBl II 2002 S. 674 Nr. 18
DB 2002 S. 1638 Nr. 32
DStR 2002 S. 1344 Nr. 32
DStRE 2002 S. 1068 Nr. 17
FR 2002 S. 935 Nr. 17
INF 2002 S. 570 Nr. 18
KÖSDI 2002 S. 13408 Nr. 9
PAAAA-89314