BFH Urteil v. - VII R 7/01 BStBl 2002 II S. 426

Verschulden des Prozessbevollmächtigten nach Kündigung der Prozessvollmacht im Innenverhältnis kann dem Kläger nicht zugerechnet werden

Leitsatz

Ist eine Prozessvollmacht im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten gekündigt worden, so kann der Klägerin ein etwaiges nachfolgendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden, auch wenn das Erlöschen der Prozessvollmacht dem Gericht noch nicht mitgeteilt worden ist.

Gesetze: FGO § 54 Abs. 2FGO §§ 56, 155ZPO § 85 Abs. 2

Instanzenzug: FG Hamburg (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat mit einem am beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Schriftsatz ihres früheren Prozessbevollmächtigten Klage erhoben, mit der sie sich gegen zwei Steueränderungsbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt - HZA -) wendet. Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit der Klageschrift angekündigt, eine Prozessvollmacht in Schriftform nachzureichen; die Vollmacht ist dem Gericht jedoch nicht vorgelegt worden. Mit Verfügung des Berichterstatters vom , dem früheren Prozessbevollmächtigten zugestellt am , ist dieser aufgefordert worden, eine Prozessvollmacht vorzulegen. Hierfür ist ihm eine Frist mit ausschließender Wirkung bis gesetzt worden. Weder die Klägerin noch ihr früherer Prozessbevollmächtigter haben hierauf innerhalb der gesetzten Frist reagiert. Erst mit Schriftsatz vom , beim Gericht eingegangen am , hat der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin die auf ihn am ausgestellte Prozessvollmacht vorgelegt. Er machte geltend, dass die vom Gericht zur Vorlage der Vollmacht gesetzte Ausschlussfrist nicht wirksam gesetzt worden sei. Der Text der Fristsetzung sei nicht durch die Unterschrift des Berichterstatters gedeckt. Außerdem sei weder eine Ausfertigung noch eine beglaubigte Abschrift dieser Verfügung zugestellt worden. Die zugestellte Verfügung lasse nicht erkennen, ob es sich hierbei um eine Zweitschrift handele; sie enthalte keine Überschrift, die auf eine beglaubigte Abschrift schließen lasse. Der Vermerk ,,für die Richtigkeit'' reiche insoweit nicht; er sei zudem nur auf der zweiten Seite der Verfügung angebracht.

Mit einem am eingegangenen Schriftsatz ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten, die in Untervollmacht für die Hauptbevollmächtigten handeln, hat die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung trug sie vor, das Mandatsverhältnis zu den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei mit Schreiben ihrer Muttergesellschaft vom gekündigt worden. Das Mandat sei dem jetzigen Hauptbevollmächtigten übertragen und von diesem auch am übernommen worden. Mit Schreiben vom habe der frühere Prozessbevollmächtigte den jetzigen Hauptbevollmächtigten Kopien der Prozessunterlagen übersandt und erklärt, dass er das FG über den Widerruf der Vollmacht informieren und den jetzigen Hauptbevollmächtigten hiervon eine Kopie zusenden werde. Über die Verfügung des Berichterstatters vom mit der darin enthaltenen Fristsetzung und seinen dem Gericht mit der Vollmacht übersandten Schriftsatz vom habe der frühere Prozessbevollmächtigte weder die Klägerin noch deren Hauptbevollmächtigten informiert. Die Klägerin sei daher ohne Verschulden verhindert gewesen, die Ausschlussfrist einzuhalten. Ein etwaiges Verschulden ihres früheren Prozessbevollmächtigten sei der Klägerin nicht zuzurechnen, weil die Vollmacht durch die Kündigung des Mandats im Innenverhältnis bereits erloschen gewesen sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei auch fristgerecht gestellt worden, weil ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten von der gesetzten Ausschlussfrist und dem Schriftsatz des früheren Prozessbevollmächtigten vom erst durch die am genommene Akteneinsicht erfahren hätten. Außerdem rüge sie hilfsweise, dass die gesetzte Ausschlussfrist mit einer Länge von knapp zwei Wochen zu kurz gewesen sei. Sie hätte vier Wochen betragen müssen, so dass die Vollmacht als rechtzeitig vorgelegt anzusehen sei.

Das FG hielt die Klage für unzulässig, weil die Prozessvollmacht nicht fristgerecht vorgelegt worden sei. Im Einzelnen hat es ausgeführt.

Die Klägerin könne nicht mit Erfolg geltend machen, dass die für die Vorlage der Vollmacht gesetzte Ausschlussfrist nicht wirksam verfügt worden sei. Die der Klägerin zugestellte Verfügung über die Fristsetzung sei sachlich und verfahrensmäßig korrekt. Die Verfügung sei auch ordnungsgemäß zugestellt worden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne der Klägerin nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die ihr zur Vorlage der Prozessvollmacht gesetzte Ausschlussfrist einzuhalten. Es sei weder vorgetragen worden noch erkennbar, dass der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus Gründen, welche außerhalb seines Einflusses gelegen hätten, gehindert gewesen sei, die Originalvollmacht bis zum dem Gericht vorzulegen. Insbesondere sei der Klägerin nicht darin zu folgen, dass die insoweit vom Gericht gesetzte Ausschlussfrist zu kurz bemessen gewesen sei. Die Klägerin müsse sich das Verschulden ihres früheren Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Die gegenüber dem früheren Prozessbevollmächtigten erklärte Kündigung des Mandats sei als interner Vorgang unbeachtlich. Entscheidend sei insoweit allein der gegenüber dem Gericht erklärte Widerruf der Vollmacht, der im Streitfall erst nach dem Ablauf der Ausschlussfrist erfolgt sei. Sollten Wiedereinsetzungsgründe vorgelegen haben, so hätte der frühere Prozessbevollmächtigte diese binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (also jedenfalls binnen zwei Wochen nach Übersendung der Vollmacht mit Schriftsatz vom ) gegenüber dem Gericht glaubhaft machen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.

Darüber hinaus bedeute die in § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannte Voraussetzung ,,ohne Verschulden'', dass bereits ein für die Fristversäumung ursächliches Mitverschulden die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließe. Ein solches Mitverschulden der Klägerin sei aber im Streitfall zu bejahen. Bei Mandatsübernahme in einem laufenden gerichtlichen Verfahren müsse sich der neue Vertreter umgehend nach dem Verfahrensstand und evtl. Fristabläufen erkundigen. Im Streitfall hätten die neuen Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch erst fast drei Monate nach Mandatsübernahme um Akteneinsicht nachgesucht. Außerdem hätten in dieser Zeit weder die Klägerin noch ihre neuen Bevollmächtigten den Widerruf der dem früheren Prozessbevollmächtigten erteilten Vollmacht erklärt. Damit habe die Klägerin über längere Zeit in Kauf genommen, dass Schreiben des Gerichts weiterhin ihrem früheren Prozessbevollmächtigten übersandt und ihr deshalb evtl. nicht mehr mit derselben Zuverlässigkeit wie bei einem noch bestehenden Mandatsverhältnis zur Kenntnis gegeben wurden. Da der frühere Prozessbevollmächtigte den jetzigen Hauptbevollmächtigten nicht - wie zugesagt - eine Kopie seiner Unterrichtung des FG über den Widerruf der Vollmacht übersandt habe, hätten diese davon ausgehen müssen, dass das Gericht von dem Mandatswechsel keine Kenntnis gehabt habe.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht, nämlich der §§ 56, 62 FGO und § 85 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wie sie im Einzelnen ausführt, sei der Klägerin nach vorheriger Mandatskündigung weder das Verschulden ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen gewesen, noch habe das FG ein eigenes Verschulden der Klägerin bzw. ihres neuen Prozessbevollmächtigten an der Versäumnis der Frist des § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO annehmen dürfen. Außerdem sei die Frist für die Vorlage der Prozessvollmacht zu kurz bemessen gewesen. Das angegriffene Urteil beruhe auch, wie weiter ausgeführt wird, auf diesen Gesetzesverletzungen.

Gründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Das FG hat richtig erkannt, dass die Fristsetzung für die Vorlage der Vollmacht durch den früheren Prozessbevollmächtigten sachlich und verfahrensmäßig korrekt war. Die Verfügung vom ist auch gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FGO i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift der Verfügung an den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin ordnungsgemäß zugestellt worden. Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO sind, wenn wie im Streitfall die Klägerin einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat, die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten. Das ist hier geschehen. Die Vollmacht des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin war im Zeitpunkt der Zustellung an diesen am dem Gericht gegenüber noch nicht erloschen. Denn die Kündigung des Vollmachtsvertrags erlangt dem Gericht gegenüber erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht rechtliche Wirksamkeit (vgl. § 155 FGO, § 87 Abs. 1 ZPO; , BFH/NV 1994, 643). Eine solche Anzeige lag dem FG bis zum nicht vor.

Da auch die Revision insoweit keine Bedenken erhoben hat, belässt es der Senat bei diesen Ausführungen und nimmt im Einzelnen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des FG Bezug.

2. Die Revision ist jedoch begründet, weil der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Vorlage der Vollmacht versagt und deshalb die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen worden ist.

Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 4 FGO gilt für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der vom FG gesetzten Ausschlussfrist zur Nachreichung der dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin erteilten Vollmacht § 56 FGO entsprechend. Danach ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die ihm gesetzte Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Anders als das FG meint, trifft die Klägerin kein Verschulden an der Versäumung der vom FG gesetzten Frist zur Nachreichung der Vollmacht.

a) Der Klägerin ist ein etwaiges Verschulden ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen. Es mag sein, dass die nicht fristgemäße Nachreichung der Vollmacht durch den früheren Prozessbevollmächtigten von diesem verschuldet worden ist. Der Klägerin ist ein solches Verschulden im Streitfall jedoch nicht gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Das FG hat zwar unter Berufung auf die Entscheidungen des BFH in BFH/NV 1994, 643 und vom X B 95/89 (BFH/NV 1991, 74) ausgeführt, dass die Kündigung des Mandatsverhältnisses durch die Klägerin gegenüber ihrem ehemaligen Prozessbevollmächtigten als interner Vorgang für die Frage, ob ihr dessen Verschulden zuzurechnen sei, unbeachtlich sei. Entscheidend sei nämlich allein der Widerruf der Vollmacht gegenüber dem Gericht, der im Streitfall erst nach Ablauf der Ausschlussfrist erfolgt ist. Der Senat vermag dieser Meinung des FG jedoch nicht zu folgen.

Grundsätzlich steht zwar nach § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Beteiligten gleich und ist daher diesen zuzurechnen. Das darf aber nur solange gelten, wie die Prozessvollmacht tatsächlich besteht. Wird die Vollmacht gegenüber dem Prozessbevollmächtigten widerrufen (§ 168 Satz 3 i. V. m. § 167 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), eo besteht sie im Innenverhältnis nicht mehr, obwohl sie dem Gericht gegenüber erst durch den diesem angezeigten Widerruf erlischt (§ 155 FGO i. V. m. § 87 Abs. 1 ZPO). Für die Frage, ob das Verschulden ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuzurechnen ist, kann es aber auf das Außenverhältnis, in dem die Prozessvollmacht gegenüber dem Gericht bis zur Anzeige ihres Widerrufs fortbesteht, nicht ankommen. Der Senat schließt sich insoweit der vom Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom IVb ZB 102/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1987, 270) vertretenen Auffassung an. Danach beruht die Regelung in § 85 Abs. 2 ZPO auf dem Gedanken, dass der Beteiligte für seinen Bevollmächtigten als Person seines Vertrauens einzustehen hat. Dieses Vertrauensverhältnis besteht aber unabhängig davon, ob die Vollmacht dem Gericht gegenüber erloschen ist, nicht mehr, wenn der Mandatsvertrag von der einen oder anderen Seite gekündigt worden ist. Dass nach § 62 Abs. 3 Satz 5, § 155 FGO i. V. m. § 87 Abs. 1 ZPO bis zum Erlöschen der Vollmacht auch gegenüber dem Gericht Zustellungen noch an den bisherigen Prozessbevollmächtigten vorzunehmen sind und dieser seine frühere Mandantin davon zu unterrichten hat, steht dazu nicht im Widerspruch. Die Zustellung an den bisherigen Prozessbevollmächtigten dient dem öffentlichen Interesse an der ungestörten Fortführung und Abwicklung des Prozesses. Es wäre jedoch eine unbillige Benachteiligung, die frühere Mandantin des Prozessbevollmächtigten trotz Beendigung des Mandatsverhältnisses weiterhin für die schuldhafte Versäumung einer Frist durch ihren bisherigen Bevollmächtigten einstehen zu lassen und ihr ggf. nicht wenigstens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Senat teilt daher die in ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. u. a. auch , BGHZ 2, 205, und vom V ZR 146/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 999, sowie Beschluss vom VIII ZB 3/83, Versicherungsrecht 1983, 540; s. zu § 56 FGO ebenfalls Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 56 Rz. 6; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 56 FGO Rz. 175) vertretene Auffassung, dass für eine Verschuldenszurechnung nach § 85 Abs. 2 ZPO kein Raum mehr ist, wenn der Vollmachtsvertrag, wie im Streitfall, im Zeitpunkt der Fristsetzung auch nur im Innenverhältnis gekündigt ist. Der V. und X. Senat des BFH, die in den genannten Entscheidungen eine andere Meinung vertreten haben, haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie sich für den Streitfall der vom Senat vertretenen Auffassung anschließen. Der V. Senat hat seine Zustimmung auch mit dem Hinweis begründet, dass sich inzwischen das 4 B 35.99, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2000, 65) und das - juris -) ebenfalls der Auffassung des BGH angeschlossen haben.

b) Die Klägerin trifft auch kein eigenes Verschulden an der Versäumung der ihrem früheren Prozessbevollmächtigten für die Vorlage der Prozessvollmacht gesetzten Ausschlussfrist. Anders als das FG meint, brauchte sich die Klägerin bei Mandatskündigung ohne besonderen Anlass nicht selbst nach eventuell noch laufenden Fristen zu erkundigen. Vielmehr ist es ein Ausfluss der auch nach Mandatskündigung noch bestehenden Sorgfaltspflicht des ehemaligen Prozessbevollmächtigten, die Klägerin bzw. deren neuen Prozessbevollmächtigten von sich aus über den Prozessstand und vor allem über Zustellungen zu unterrichten, die bis zum Erlöschen der Vollmacht gegenüber dem Gericht noch wirksam an ihn erfolgt sind und eine Frist in Lauf gesetzt haben. Dass dies geschehen würde, darauf durfte die Klägerin vertrauen (vgl. BGH in NJW 1980, 999; Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 87 Rn. 4).

Auch darin, dass die Klägerin dem FG den Widerruf der Vollmacht nicht unverzüglich angezeigt hat, ist kein eigenes Verschulden der Klägerin zu sehen, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt. Die Klägerin war zu einer solchen Anzeige nicht verpflichtet. Denn Zustellungen konnten weiterhin gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO an ihren bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgen, weil die Kündigung der Vollmacht dem Gericht gegenüber erst durch Anzeige ihres Erlöschens wirksam geworden ist und der bisherige Prozessbevollmächtigte - wie zuvor ausgeführt - verpflichtet war, die Klägerin über solche Zustellungen zu unterrichten, was im Streitfall allerdings unterblieben ist. Auf Grund dieser Regelung war gewährleistet, dass der Prozess trotz Kündigung des Mandats seinen Fortgang nehmen konnte und damit die Interessen der Beteiligten gewahrt blieben.

3. Nicht folgen kann der Senat dem FG auch in seiner Meinung, dass die Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs 2 Satz 1 FGO) im Streitfall nicht eingehalten worden sei. Diese Frist beträgt zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für die Einhaltung der gesetzten Ausschlussfrist zur Vorlage der Prozessvollmacht. Da der Klägerin, wie ausgeführt, das Verschulden ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten insoweit nicht zugerechnet werden kann, kommt es für den Beginn der Frist entgegen der Meinung des FG nicht auf den Zeitpunkt der Übersendung der Prozessvollmacht durch den ehemaligen Prozessbevollmächtigten an das FG an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die neu bestellten Prozessbevollmächtigten der Klägerin von dem Fristversäumnis durch ihre Akteneinsicht am erfahren haben. Erst ab diesem Zeitpunkt konnten sie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen und die Gründe dafür vortragen, weshalb die Klägerin die Versäumung der Frist nicht zu vertreten hat. Die zweiwöchige Antragsfrist, die danach erst am , einem Freitag, zu laufen begonnen hatte, lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB erst am Freitag, den , ab. Der am bei Gericht eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist deshalb noch rechtzeitig gestellt worden.

4. Da der Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden müssen, hat das FG die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Frist zur Nachreichung der Prozessvollmacht abgewiesen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, weil sich das FG sachlich mit der Klage noch nicht befasst hat und somit die notwendigen Feststellungen für eine Entscheidung in der Sache fehlen.

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 426
BB 2002 S. 1138 Nr. 22
BFH/NV 2002 S. 868 Nr. 6
BFHE S. 36 Nr. 198
BStBl II 2002 S. 426 Nr. 12
DB 2002 S. 1142 Nr. 22
DStRE 2002 S. 788 Nr. 12
INF 2002 S. 445 Nr. 14
KÖSDI 2002 S. 13310 Nr. 6
UAAAA-89240