Die steuerfreie Entnahme einer vom Wohngebäude getrennten Gartenfläche ist zulässig, sofern die Fläche vor und nach der Entnahme des Wohnhauses als Hausgarten genutzt wurde
Leitsatz
Die im Rahmen der Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 EStG a. F. zulässige steuerfreie Entnahme des zu einer Wohnung gehörenden Grund und Bodens kann auch eine in einiger Entfernung vom Hofgrundstück belegene Gartenfläche umfassen, sofern diese vor und nach der Entnahme des Wohnhauses als Hausgarten genutzt wurde.
Gesetze: EStG a. F. § 52 Abs. 15 Sätze 6 und 8 Nr. 1
Instanzenzug: Niedersächsisches FG (EFG 1999, 1020) (Verfahrensverlauf)
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gab am seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in D auf. Bei Ermittlung des Aufgabegewinns von 202 268 DM ließ er ein 1 170 qm großes Grundstück (Flurstück 61/1) als zum Wohnhaus gehörend außer Ansatz. Dieses gesondert parzellierte Grundstück lag etwa 400 m vom Wohnhaus entfernt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die steuerfreie Entnahme des Grundstücks nicht an, erhöhte den Aufgabegewinn auf 294 078 DM und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1996).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1020 veröffentlicht.
Der Kläger rügt mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.
Er trägt vor, die streitige Fläche von 1 170 qm werde zu 774 qm als Hausgarten genutzt, weil sich unmittelbar an der Hofstelle kein Hausgarten befinde. Daher sei das nächstliegende, auch als Hausgarten genutzte Grundstück ein zur Wohnung gehörender Grund und Boden. Dass dieser Nutzgarten in weiter Zukunft auch einer anderen Nutzung zugeführt werden könne, sei nicht schädlich, denn auch bei unmittelbar am Wohnhaus liegenden Hausgärten könne der bisherige Nutzungs- und Funktionszusammenhang leicht geändert werden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1996 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom auf 36 800 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es trägt vor, nach der Entscheidung des (BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50) bestimme sich der Umfang des zur steuerfrei entnommenen Wohnung dazugehörigen Grund und Bodens nicht ausschließlich nach dem vor der Entnahme bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Auch die künftige private Nutzung sei von Bedeutung. Eine Nutzung als Hausgarten sei aber bei einem selbständig bebaubaren Flurstück nicht zwingend geboten.
Gründe
Die Revision des Klägers ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nicht den Schluss, dass das streitige Grundstück nicht als zur Wohnung gehörender Grund und Boden steuerfrei entnommen werden konnte.
1. Nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG a. F.) bleibt ein Entnahme- oder Veräußerungsgewinn außer Ansatz, wenn nach dem die bis dahin zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende ,,Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden entnommen oder veräußert'' werden, bevor sie von Gesetzes wegen deshalb als entnommen gelten, weil der Steuerpflichtige die Nutzungswertbesteuerung abgewählt hat oder diese mit dem Veranlagungszeitraum 1998 abgelaufen ist (§ 52 Abs. 15 Sätze 2 und 6 EStG a. F.).
a) Im Streitfall besteht Einigkeit darüber, dass die streitige Fläche im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe entnommen wurde, die auch die Hof- und Gebäudeflächen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers umfasste. Unstreitig ist auch die Höhe des Entnahmegewinns. Zu Unrecht hat das FG jedoch allein aus dem Umstand, dass sich der vom Kläger so bezeichnete Hausgarten in einer Entfernung von 400 m vom Hofgebäude befindet, geschlossen, es handele sich nicht um einen zur Wohnung gehörenden Grund und Boden i. S. des § 52 Abs. 15 Satz 6 und Satz 8 Nr. 1 EStG a. F. Dies lässt sich weder aus dem Gesetz oder den dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen noch aus dem vom FG herangezogenen Senatsurteil in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50 folgern.
b) Der erkennende Senat hat den unbestimmten und daher auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff des zur Wohnung ,,dazugehörenden Grund und Bodens'' in seiner Entscheidung in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50 dahin gehend bestimmt, dass dieser Grund und Boden zwar nicht auf die bebaute Fläche beschränkt ist, andererseits aber auch kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht, dessen Umfang selbst zu bestimmen. Danach bemisst sich der Umfang des dazugehörigen Grund und Bodens nicht allein nach dem vor der Entnahme bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang, sondern auch nach der für die künftige Wohnungsnutzung vorgesehenen Zweckbestimmung dieser Flächen. Dieser Auslegung sind die Finanzverwaltung (s. , BStBl I 1997, 630 zu Tz. 4) und der X. Senat gefolgt; Letzterer für den gleichen Begriff in § 10 e Abs. 1 EStG (s. Urteil vom X R 127/94, BFHE 184, 322, BStBl II 1998, 17).
c) Die Finanzverwaltung rechnet Gartenflächen dann zur Wohnung, wenn sie in einem engen räumlichen Zusammenhang mit dem Wohngebäude stehen. Andererseits sollen aber auch Gartenflächen auf der dem Hofgrundstück gegenüberliegenden Straßenseite ebenso wie andere vom Hofgrundstück getrennt belegene Flächen diese Voraussetzung erfüllen, wenn die beengte Lage des Hofgrundstücks einen Hausgarten in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses nicht erlaubt und im Einzelfall feststeht, dass ,,die Fläche tatsächlich als echter Nutz- und Hausgarten zu mehr als 90 v. H. privat genutzt wird'' (BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 630 zu Tz. 3). Der erkennende Senat hält diese Auffassung für eine vertretbare Auslegung des Gesetzes, die insbesondere den Gewohnheiten der ländlichen Bevölkerung Rechnung trägt, sich in weit größerem Umfang selbst zu versorgen, als dies bei anderen Steuerpflichtigen der Fall ist.
2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das vom Kläger als Hausgarten bezeichnete Grundstück auch tatsächlich schon immer und nicht erst kurz vor der Betriebsaufgabe zu mehr als 90 v. H. privat genutzt worden ist. Es fehlen auch Feststellungen zur Nutzung der Fläche nach der Betriebsaufgabe. Schließlich beruht die Aussage, das Grundstück sei selbständig bebaubar, nicht auf tatsächlichen Feststellungen, die das Urteil (insoweit) tragen. Bei erneuter Verhandlung wird das FG insbesondere zu prüfen haben, wie das Grundstück bewertet war. Insoweit kann von Bedeutung sein, ob die Fläche nach § 40 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Hausgarten der Hof- und Gebäudefläche oder ob sie der landwirtschaftlichen Nutzung zugerechnet oder auf Grund ihrer Lage, bestehenden Verwertungsmöglichkeit oder zu erwartenden Nutzungsänderung gar als Grundvermögen nach § 69 BewG bewertet worden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 78
BB 2002 S. 294 Nr. 6
BFH/NV 2002 S. 407 Nr. 3
BFHE S. 37 Nr. 197
BStBl II 2002 S. 78 Nr. 3
DStRE 2002 S. 221 Nr. 4
FR 2002 S. 638 Nr. 11
INF 2002 S. 250 Nr. 8
KÖSDI 2002 S. 13193 Nr. 3
FAAAA-89112