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BFH Urteil v. - I R 107/98 BStBl 2001 II S. 742

Entrichtung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer keine ,,erhebliche Härte'' i. S. des § 222 Satz 1 AO

Leitsatz

Die Entrichtung der aufgrund einer Gewinnausschüttung einbehaltenen Kapitalertragsteuer bedeutet regelmäßig keine ,,erhebliche Härte'' i. S. des § 222 Satz 1 AO 1977 für den Dividendenschuldner.

Gesetze: AO 1977 §§ 168, 222 Satz 1, Satz 3EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1EStG § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG § 44 Abs. 1 Sätze 1, 3, 5, Abs. 2KStG § 27 Abs. 3 Satz 1KStR 1995 Abschn. 77 Abs. 6

Instanzenzug: FG Köln (EFG 1999, 7) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Einkünfte im Wesentlichen aus den Ausschüttungen zweier Tochter-GmbH stammen.

Am beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, den Gewinn für das Geschäftsjahr 1995 an die Gesellschafter der Klägerin zum auszuschütten. Mit Beschluss vom wurde als Tag der Ausschüttung der bestimmt. U. a. infolge der Körperschaftsteuerminderung aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung rechnete die Klägerin mit einer Erstattung von Körperschaftsteuer für 1995. Mit am ergangenem Körperschaftsteuerbescheid für 1995 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Ausschüttungsbelastung mangels Abflusses der Ausschüttung nicht her (Abschn. 77 Abs. 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 - KStR 1995 -).

Am meldete die Klägerin die Kapitalertragsteuer 09/96 an und beantragte deren teilweise Verrechnung mit der aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu erwartenden Körperschaftsteuererstattung (sog. Verrechnungsstundung). Mit geändertem Körperschaftsteuerbescheid vom berücksichtigte das FA zwar die Ausschüttungsbelastung, lehnte jedoch die beantragte Verrechnungsstundung ab. Für den Zeitraum vom bis setzte das FA gegen die Klägerin Säumniszuschläge fest.

Die Klage mit dem Begehren, das FA zu verpflichten, den Antrag auf Verrechnungsstundung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) erneut zu bescheiden, hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 7).

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 222 der Abgabenordnung (AO 1977) und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Voraussetzung für eine Stundung von Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis ist, dass die Einziehung für den Schuldner eine ,,erhebliche Härte'' bedeuten würde (§ 222 Satz 1 AO 1977). Der Senat lässt im Streitfall dahinstehen, ob unter den Ausdruck ,,Ansprüche, aus dem Steuerschuldverhältnis'' i. S. des § 222 Satz 1 AO 1977 auch der Abzug und die Entrichtung von für fremde Rechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer fällt (verneinend: Senatsurteil vom I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3). Selbst wenn man diese Rechtsfrage bejahen wollte, fehlt es auf Seiten des Entrichtungsschuldners an einer erheblichen Härte i. S. des § 222 Satz 1 AO 1977. Die Kapitalertragsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Ihr Schuldner ist in Fällen wie dem Streitfall der Dividendengläubiger (Anteilseigner und Steuerpflichtiger). Die Klägerin behält als Entrichtungsschuldner die Kapitalertragsteuer lediglich für Rechnung des Anteilseigners ein. Für sie bedeutet die Entrichtung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer die ,,Abführung fremden Geldes''. Die Tatsache, dass der Entrichtungsschuldner nur fremdes Geld abzuführen hat, schließt die Annahme einer ,,erheblichen Härte'' i. S. des § 222 Satz 1 AO 1977 für ihn regelmäßig aus (vgl. Senatsurteil vom I R 115/86, BFH/NV 1990, 757). Die Ablehnung einer entsprechenden Verrechnungsstundung bedeutet deshalb regelmäßig eine sachgerechte Ermessensausübung durch das FA.

Der Senat pflichtet auch nicht den verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin bei, die in der Versagung der Verrechnungsstundung eine ,,Erdrosselung des Entrichtungsschuldners'' im Falle der verzögerten Erstattung von Körperschaftsteuer infolge der Herstellung der Ausschüttungsbelastung sieht. Die Kapitalertragsteuer ist eine zu Lasten der Gesellschafter erhobene Steuer. Sie entsteht durch die Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses und die ihr folgende Ausschüttung. Eine etwaige ,,Erdrosselung des Entrichtungsschuldners'' beruht deshalb nicht auf der Entrichtungsschuld als solcher, sondern sie entsteht allenfalls schon vorher durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafter. Durch diesen wird Eigenkapital der Gesellschaft in Fremdkapital umgewandelt. Hierin liegt bereits der potenziell erdrosselnd wirkende Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft. Erst als Folge dieser Umwandlung entsteht auf Seiten der Klägerin die steuerrechtliche Verpflichtung, das Fremdkapital teilweise zur Erfüllung der Steuerschulden der Gesellschafter verwenden zu müssen. Dieser Entrichtungsschuld kommt für sich genommen keine erdrosselnde Wirkung mehr zu.

Auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. kann keine Stundung rechtfertigen, wenn bereits der Tatbestand des § 222 Satz 1 AO 1977 nicht erfüllt ist.

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 742
BB 2000 S. 2619 Nr. 51
BFH/NV 2001 S. 220 Nr. 2
BFHE S. 17 Nr. 193
BStBl II 2001 S. 742 Nr. 18
DB 2000 S. 2565 Nr. 51
DStR 2000 S. 2127 Nr. 50
DStRE 2001 S. 45 Nr. 1
WAAAA-89047