Leitsatz
1. § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO schließt einen Revisionskläger nicht mit der Rüge aus, der Beschluss des FG über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sei verfahrensfehlerhaft getroffen worden, insbesondere sei das FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes besetzt gewesen.
2. Der Senat eines FG, dem vom Geschäftsverteilungsplan kein Vorsitzender Richter zugewiesen ist oder dessen Vorsitzender endgültig aus dem Gericht ausgeschieden ist, ist nicht entsprechend § 21 f Abs. 1 GVG besetzt; für die Anwendung der Vertretungsregel des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG fehlt es in diesem Fall an einer wesentlichen Voraussetzung.
3. § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG kann jedoch auch bei einer nicht nur vorübergehenden Verhinderung eines Vorsitzenden entsprechend anwendbar sein, soweit keine wesentlich weitergehende Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild, dass in einem Spruchkörper ein Vorsitzender Richter den Vorsitz führt, eintritt als im Fall insbesondere eines längeren Urlaubs des Vorsitzenden oder seiner Erkrankung.
4. Das gilt auch, wenn das Ausscheiden zu einem Zeitpunkt vorhersehbar war, der es den zuständigen Organen ermöglicht hätte, rechtzeitig einen für die Wiederbesetzung der Vorsitzendenstelle geeigneten Vorsitzenden Richter zu berufen; die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist insofern nicht davon abhängig, ob eine vorübergehende Vakanz im Vorsitz eines Spruchkörpers unvermeidbar war.
5. Eine Zeitspanne von zwei Monaten, in welcher nicht ein Vorsitzender Richter den Vorsitz im Senat führt, ist noch nicht geeignet, den notwendigen richtungsweisenden Einfluss eines Vorsitzenden Richters auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers in Frage zu stellen.
6. Wegen der willkürfreien Erwägungen des Präsidiums bei der Entscheidung über die Übertragung eines vakanten Vorsitzes an einen bei dem Gericht bereits bestellten Vorsitzenden Richter vor Wiederbesetzung der freigewordenen Planstelle eines Vorsitzenden Richters kann eine Besetzungsrüge nach § 119 Nr. 1 FGO nicht erhoben werden.
7. Eine unterlassene Anhörung über die Übertragung eines Rechtsstreits auf den Einzelrichter führt selbst dann nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn eine Anhörung geboten sein sollte.
8. Der Gesetzgeber geht von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit einer Entscheidung des Einzelrichters und einer solchen des voll besetzten Spruchkörpers aus. Er überlässt die Übertragungsentscheidung der vielfach von unwägbaren Überlegungen abhängigen, weitgehend unüberprüfbaren Willensentscheidung des Spruchkörpers.
9. Verfassungsrechtliche Gewährleistungen verbieten nicht, die Besetzungsentscheidung und die Sachentscheidung in die Hand unterschiedlicher Richter zu legen, sofern deren Unabhängigkeit bei diesen beiden Entscheidungen gewahrt ist.
10. Die bei Anwendung des § 6 Abs. 1 FGO zulässige prognostische und überschlägige Beurteilung der Streitsache ist aus der Sicht des Revisionsrechts selbst dann hinzunehmen, wenn das FG bei dieser Entscheidung die Schwierigkeit der entscheidungserheblichen Rechtsfragen verkannt hat.
11. Eine unzulässige zulassungsfreie Verfahrensrevision wird nicht dadurch zulässig, dass die Revision auf Beschwerde zugelassen wird.